Ich trete aus der Tür. Die Sonne scheint. Es ist still, ich höre weder Musik noch den Lärm spielender, schreiender Kinder, die Strasse ist gespenstisch leer. Ich gehe einige Schritte und meine Fuesse tragen mich gemächlichen Schrittes durch die scheinbar verlassenen Strassen, aber dann treffe ich doch vereinzelt auf Menschen, sie schenken mir keine besondere Beachtung erwidern hoeflich meinen Gruss und kümmern sich nicht weiter um mich. Kein Anstarren, kein Hinterherrufen, allenfalls erfreutes Erstaunen, dass ich gruesse. Ein aelteres Paar fragt mich nach dem Weg zu einer Arztpraxis. Viele Menschen, auf die ich treffe sind alt und ich sehe es ihnen deutlich an, den Bewegungen fehlt die Vitalität und Unbeschwertheit der Jugend und die wenigen Menschen, die nicht alt sind, scheinen es sehr eilig zu haben, sie gehen nicht, sondern laufen oder rennen, wohin und wofuer? Fuer das Hinterfragen scheint es keine Zeit zu geben, der naechste Termin steht doch schon an. Ich lasse meinen Blick schweifen und sehe, dass die Häuser dicht gedrängt stehen, aber dennoch meist genug Platz fuer einen Zaun oder abgrenzende Hecke besteht. Alles wirkt sauber, neutral, von einander separiert, ein wenig entmenschlicht. Trotz der Sonne ist es kalt. Zum ersten Mal seit Monaten trage ich lange Jeans, einen dicken Pullover und eine Jacke. Es liegt Schnee. Aber je länger ich hier verweile, desto mehr weicht der Schnee dem Regen, was bleibt ist das Grau. Ich bin zurück in Deutschland.
Deutschland, kalt und grau, das ist eine Seite der Medaille. Die Wärme und Freude meiner Familie und Freunde, die mich die aeusseren Bedingungen vergessen laesst, ist die andere. Wäre ich im Frühling oder Sommer zurückgekehrt, dass Wetter wäre anders gewesen, die menschliche Wärme und Freude jedoch nicht. Was wie unnötige Hektik anmutet, wird schnell zu liebevoller Geschäftigkeit, wenn es nur im richtigen Kontext gesehen wird. Und Eile kann ja auch bedeuten, dass man etwas Wichtiges zu tun hat oder Verpflichtungen nachzugehen, das kann ich als Aussenstehender gar nicht wissen. Ich freue mich meine Familie und Freunde wiederzusehen, wobei es keine ausgelassene Freude ist, ein wenig zu unwirklich ist es, dass ich wenige Stunde zuvor noch in Ghana war.
Bekannte sind überrascht mich schon wieder zurück zu sehen und fragen pflichtbewusst, wie es war? Immer wieder werde ich mit dieser Frage konfrontiert, 'Wie war es?' Was soll ich denn auf diese Frage antworten? Ich möchte auf diese Alibi-Frage nicht antworten, ich möchte am liebsten gar nichts erwidern, ich möchte mich nicht an der unlösbaren Aufgabe, die Erfahrungen eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten in einem Satz zu bewerten, versuchen, denn daran kann ich nur scheitern. Weise ich darauf hin, dass es sehr schwer sei, so vieles auf diese Frage zu reduzieren, so erwidert mein Gesprächspartner, "Ja, ich mein, hat's Dir gefallen?" Und wieder habe ich das gleiche Probleme, die Fragestellung ist so allgemein, dass es schwer fällt eine Antwort zu finden. Es gibt hundert kleine Dinge, die mir in Ghana gefallen, und es gibt hundert kleine Dinge, die mir in Ghana missfallen. Soll ich diese nun gegeneinander aufrechnen, funktioniert das so? Auf jeden Fall nicht fuer mich und so erwidere "Joah schon..." und lächle ein wenig verschmitzt.
Meist schliesst sich daran die Frage an, ob ich denn zurück wolle, sollte es mein Knie zulassen. Mich erstaunt, wie oft ich das hoere. An meiner Motivation des interkulturellen Austauschs hat sich durch meine Erfahrungen ja nichts geaendert. Hoere ich aus diesen Formulierungen heraus, dass sie sich bestaetigt sehen wollen, dass es von Anfang an eine Quatschidee war nach Ghana zu gehen? Doch bereits nach wenigen Tagen, die in Deutschland gerade zu dahinfliegen, werden die Fragen immer weniger.
Bis zum Donnerstag, den 18.02., an dem der Arzt mir sagt, eine Operation sei ueberfluessig, da der Kreuzbandanriss auf natuerlichem Wege verheilt sei. Lediglich die Muskulatur solle ich staerken und dann stuende meiner Wiederausreise aus seiner Sicht nichts mehr im Weg. Als ich das hoerte war ich wuetend, wozu war ich denn nach Deutschland geflogen? Auf einmal machte die Rueckfuehrung aus gesundheitlichen Gruenden keinen Sinn mehr, doch meine Wut legte sich recht schnell und angesichts meiner absurden Situation (denn ob eine Wiederausreise moeglich war, wusste ich nicht) musste ich lachen. Jetzt kamen neue Fragen auf, allen voran, wie lange wuerde ich noch in Deutschland verbleiben?
Sobald ich den schriftlichen Befund des Arztes erhielt, leitete ich diesen weiter an den aerztlichen Dienst meiner Entsendeorganisation, woraufhin ich zwei Tage spaeter gruenes Licht fuer meine Wiederausreise erhielt. In Absprache mit meiner Mentorin, Bugs und Enrico gab ich der Reisestelle einen Zeitraum fuer meinen Rueckflug an.
Dienstag, den 09.03., war es dann so weit nach nur drei Wochen flog ich zurueck nach Ghana. Das drei Wochen so kurz sein koennen, hatte ich in Anbetracht der Erfahrungen der vorherigen Monate nicht fuer moeglich gehalten und auch, dass der erneute Aufbruch so viel schwerer fallen sollte kam unerwartet.
Abschiede aehneln sich und sind dennoch grundverschieden. Es spielt keine Rolle, dass die verbleibende Zeit geringer ist als die bereits verbrachte, der Aufbruch schmerzt unveraendert. Abschiede sind nicht einfach, ganz egal wie oft man vielleicht schon einen solchen erlebt hat, jeder Abschied hat seine ganz eigenen Momente. Zum ersten Mal spuere ich in mir den Wunsch nicht gegangen zu sein und es schliessen sich die Fragen an, warum, wofuer, ist es das wirklich wert?
In Accra landete ich puenktlich nach Flugplan um 15.55 Uhr Ortszeit, nach dem ueblichen Prozedere der Visumskontrolle und der Gepaeckaufnahme, meldete ich erst einmal nach Deutschland, dass ich auch gut angekommen war. Angesichts dessen, dass mich kein Empfangskomitee erwartete rief ich Enrico an, der sagte sie seien unterwegs. Kurz darauf schickte er mir noch eine SMS, es dauere noch eine Weile, ich solle es mir gemuetlich machen. So setzte ich mich, nahm mein Buch zur Hand und begann zu lesen, noch waehrend ich die ersten Worte las spuerte ich schon wie ich zu schwitzen begann, bei wolkenverhangenem Himmel, 30 Grad und sehr hoher Luftfeuchtigkeit wartete ich fuer mehr als anderthalb Stunden. Ja, ich war eindeutig zurueck in Ghana, warten und schwitzen, daran hat sich nichts geaendert.
Die Frage, ob sich Bugs und Enrico mehr ueber meiner Rueckkehr oder die mitgebrachte Nutella freuten, lasse ich fuer jeden Leser offen ;) Unstrittig ist, dass meine Gastfamilie sich sehr ueber meine wohlbehuetete Rueckkehr freute, insbesondere im Hinblick darauf erst wenige Tage zuvor ein anderes Gastkind verabschiedet zu haben.
Mittwoch begann unverzueglich der regulaere Arbeitsbetrieb, vormittags die Plaene fuer den Nachmittag festlegen und verfeinern und am Nachmittag umsetzen. Dieses Mal fertigten die Kinder in Abowinum unter unserer Anleitung Englisch-Beschriftungen fuer ihre Klassenzimmer an, so dass jetzt Fenster und Tueren durch "window" etc. gekennzeichnet sind.
Am spaeten Nachmittag nutzten Enrico und ich die Gelegenheiten um mit zwei weiteren Deutschen (die waehrend meiner Abwesenheit aufgetaucht waren und in absehbarer Zeit wieder abreisen werden) und einigen Ghanaern ein wenig Fussball zu spielen, ganz ohne Vorkommnisse, Verletzungen oder sonstige Vorfaelle. Ist doch auch was schoenes. Fuer mich war es auf jeden Fall eine riesen Freude nach Monaten wieder einmal den Ball am Fuss zu spueren.
Donnerstags liessen wir unseren Youth Club fuer eine Photo-Story nach dem Glueck suchen (was sie dann paedagogisch wertvoll in der Gemeinschaft fanden). Die Kinder hatten grossen Spass vor der Kamera, und zeigten sich sehr engagiert, was dazu fuehrte, dass auf der Suche nach dem Glueck auch versucht wurde eine Palme zu erklettern.
So weit bisher, am Wochenende steht eine Freiwilligen-Party in Moree an, nachdem meine Wiedereinreise trotz intensiver Bemuehungen verblueffend schnell aufgeflogen war, wird mein Erscheinen wohl nicht wirklich fuer Erstaunen sorgen. Macht aber auch nichts.
Freitag, 12. März 2010
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C'est la vie =P ^^
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