Mittwoch, 16. Dezember 2009

Identitaet

Alle hier geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen sind als exklusive Ereignisse zu betrachten, es handelt sich hierbei um meine persönlichen und nicht verallgemeinerbaren Erfahrungen, die keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben. Im folgenden Blogeintrag moechte ich thematisieren was es fuer mich bedeutet, als junger, weisser Deutscher in Ghana zu sein. Deshalb moechte ich hiermit noch einmal nachdruecklich darauf verweisen, dass es meine Erfahrung sind, die in keiner Weise als genereller Massstab gelten koennen, denn durch Gespraeche mit anderen Freiwilligen ist mir bereits klar, dass nur wenige vergleichbare Erfahrungen gemacht haben.

Als Weisser in Ghana zu weilen ist nicht immer unbeschwert und heiter, denn neben staendigen Obroni-Rufen wahlweise auch Obrofo (bedeutet eigentlich Englaender wird jedoch mit Weisser gleichgesetzt), die teilweise kindlich, goldig sein koennen, oder auch penetrant nervig, ist man noch anderen Situationen ausgesetzt, die durchaus unangenehm werden koennen.
Als eine solche unangenehme Situation empfinde ich bspw. das Fragen nach meiner deutschen Adresse, die moeglichst fuer einen Visumsantrag verwendet werden soll, partiell bereits von so kleinen Kindern, dass ich mich frage: Begreifen sie ueberhaupt die Tragweite ihrer Frage, und wer hat ihnen diese Fragen beigebracht?
Als nicht ganz so unangenehm, aber nicht weniger anstrengend empfinde ich das staendige "Betteln", das oftmals nicht einmal ernst gemeint ist. Insbesondere die Kinder fragen schlichtweg aus Prinzip den Weissen, ob er ihnen nicht Wasser, Essen, Geld, Computer, Spielzeug oder seine Kamera schenkt, unabhaengig davon, ob sie Hunger oder Durst haben, das Geld brauchen oder nicht, darum geht es nicht, es geht darum den "reichen Weissen" darum zu bitten.
Eine weitere Situation in der meine Hautfarbe eine uebermaessige Rolle spielt sind Trotro/Taxifahren und vor allem Einkaeufen (Lebensmittel ausgenommen) bei denen ich stets damit rechnen muss, dass von mir ein deutlich hoeherer Preis verlangt wird als von Ghanaern, sodass ich selbst nach intensivem Handeln noch immer mehr als den normalen Preis zahle. Haeufig aendern Ghanaer, im Glaube ich verstaende ueberhaupt kein Fanti, die Preise direkt in meinem Beisein und versuchen ganz offensichtlich von mir einen unangemessen hohen Betrag zu verlangen, aber mit mir kann man das ja machen, denn ich bin ja weiss und somit reich(Ironie!). Was mich wirklich daran stoert ist nicht, dass ich mehr zahle als Ghanaer, das kann ich nachvollziehen und bin dementsprechen bereit es zu tun, was mich veraergert ist die Dreistigkeit mit der vorgegangen wird.

Damit jedoch ist nahezu jeder Weisse konfrontiert, was also macht meine Nationalitaet so prekaer. Ganz einfach: Hitler, das NS-Regime, der juedische Holocaust, der Zweite Weltkrieg, der ganze geschichtliche Ballast, den jeder Deutsche wie einen unsichtbaren Rucksack mit sich traegt, ob er will oder nicht. Aber darueber hinaus spielt auch eine grosse Rolle wie sich Deutschland heutzutage praesentiert. Viele Ghanaer, die sich bereits in Deutschland aufgehalten haben, berichten, dass Deutschland als Land keine Auslaender moege und, dass Deutschland als Land vor allem keine Schwarzen moege, denn sie haben es ja selbst erlebt. Einige Beispiele an Situationen mit denen Enrico, Bugs und ich insbesondere in den ersten drei Monaten konfrontiert wurden, sollten verdeutlichen was mich dazu bewegte diesen Eintrag zu schreiben:

Enrico und ich wohnten einmal dem Montagsabendgottesdienst der Pentecost Church bei, der von Priesterin Mama Georgina geleitet wurde. Nach dem Gottesdienst stellte unsere Gastmutter uns in kleiner Runde vor, als Enrico und ich unsere deutsche Herkunft auf Nachfrage eroeffneten, war Georginas unmittelbare Reaktion: "Your country doesn't like black people." Sie fuhr fort, sie sei selbst schon da gewesen und habe es selbst erfahren, ueberall habe sie sich ausweisen muessen, staendig sei sie ueberprueft worden. Und ihrere Auffassung nach sei das ein Zeichen fuer den in Deutschland vorherrschenden Rassismus.
Enrico hatte waehrend einer Trotro-Fahrt das folgende Gespraech: Ghanaer: "Obroni, I like you, where are you from?" Enrico: "I'm from Germany" Ghanaer: "Oh, I don't like you."
Beim zweiten Fussballtraining an dem wir ueberhaupt teilnahmen fragte uns Frank, warum Deutsche keine Schwarzen moegen. Wenige Tage spaeter berichtete Osei uns, dass einer seiner Onkel in Deutschland gewesen sei, aber mittlerweile zurueck, da Deutsche keine Auslaender moegen.

Natuerlich reagieren nicht alle Ghanaer so, ohne Zweifel begegnet die grosse Mehrheit mir sehr freundlich, unabhaengig davon welche Nationalitaet ich habe und selbst die Ghanaer mit schlechten Deutschlanderfahrungen legen mir persoenlich gegenueber ein nicht minder freundliches Verhalten an den Tag.
Eine besondere Freude sind Begegnungen mit Ghanaern, die nur auf Heimatbesuch sind, weil sie mittlerweile in Deutschland wohnen und dementsprechend positiv gegenueber Deutschland und mir als Deutschem eingestellt sind. Bspw. waren Bugs, Enrico und ich wenige Tage vor meinem Geburtstag in Asikuma gerade auf dem Weg zur Trotrostation um nach Ajumako zurueckzukehren, als mir jemand aus einem passierenden Pick-Up zurief: "Wie geht's?", meinem Erstaunen zum Trotz rief ich ein schnelles froehliches "Gut!" zurueck. Der Wagen hielt daraufhin an und der Beifahrer stieg aus und stellte sich uns auf deutsch vor. Vincent, der eigentlich in Hamburg wohnt (aber auch sehr viel in Deutschland herumreist und deshalb alle unsere Heimatstaedte und zu Enricos Freude insbesondere Karlsruhes Schlosspark recht gut kannte) und hier in Ghana mit Pflanzenstoffen fuer Medikamente Geschaefte macht, erklaerte sich ohne Zoegern bereit uns mit nach Ajumako zu nehmen, so dass Enrico noch im Fuehrerhaeusschen Platz nahm, waehrend Bugs und ich es uns auf der Ladeflaeche gemuetlich machten.

Wie diese Ankedote zeigt werden wir auch mit explizit positiven Deutschlanderfahrungen konfrontiert, aber dennoch eine beachtliche Zahl ist leider negativ und diese Ereignisse bleiben in lebendiger Erinnerung und jedes Mal, wenn ich nach meiner Herkunft gefragt werde, zoegere ich einen Moment bevor ich meine Antwort gebe um dann die Reaktion zu erwarten. Dem Warten folgt meist die kleine Erleichterung, dass der Gegenueber nichts Schlechtes sagt, was mich wieder in eine verteidigende Position zwaenge. Um Missverstaendnissen vorzubeugen moechte ich deutlich sagen, dass ich jederzeit bereit bin meine Herkunft zu verteidigen und tue das mit der angemessenen Vehemenz und Dringlichkeit schliesslich bin ich stolz auf meine Wurzeln, doch es ist ermuedend und manchmal auch frustrierend gegen Windmuehlen zu kaempfen, deshalb bin ich immer wieder erleichtert, wenn mein Gegenueber mir keine negativen Erfahrungen mitteilt.

Gespraeche bzgl. Negativerfahrungen sind haeufig frustrierender Natur, denn bei der Diskussion darf man die kulturellen Unterschiede zwischen Ghanaern und Deutschen nicht ausser Acht lassen, das wiederum bedeutet immer wieder von Neuem gegen Windmuehlen anzutreten. Die unterschiedliche kulturelle Praegung soll natuerlich nicht als Entschuldigung gelten, aber koennte es sein, dass Ghanaer die deutsche rauhe Mentalitaet falsch deuten? Koennte es sein, dass Ghanaer kein Verstaendnis dafuer haben, dass Deutsche aufgrund von Hektik und Zeitdruck kurz angebunden, harsch, unfreundlich wirken koennen und das als rassistisches Merkmal werten? Koennte es sein, dass sie durch ihr hautfarbe-bedingtes Auffallen in einer weissen Mehrheitsgesellschaft verstaerkt auch auf Kleinigkeiten sehr sensibel achten? Koennte es sein, dass der deutsche Beamtenapparat mit seiner Buerokratie und haeufigen Ausweiskontrollen als rassistische Schikane wahrgenommen wird, und nicht als deutsches Beamtentum, womit sich auch weisse Deutsche herumaergern muessen?

Allen kulturellen Unterschieden zum Trotz empfinde ich, wann immer ich mit solchen Negativerfahrungen konfrontiert werde, tiefe Betroffenheit und werde auch traurig, aber nicht aufgrund der vergangenen Schreckenstaten der NS-Herrschaft, denn auch wenn es ein unweigerlicher Teil meiner Identitaet als Deutscher ist, so habe ich weder eine persoenliche noch eine kollektive Schuld fuer die ich zu suehnen habe.
In diesen Situationen bin ich betroffen und traurig, weil ich nicht mit Absolutheit sagen kann, dass kein Deutscher Schwarze hasst, denn schlieslich gibt es noch immer latenten und offenen Rassismus, schlieslich gibt es noch immer zu viele NPD-Waehler, schlieslich gibt es noch immer zu viele Uebergriffe auf Minderheiten.
Ich bin betroffen und traurig, weil es ein aussichtsloser Kampf zu sein scheint Ghanaern zu erklaeren, dass ich selbst doch auch Deutscher bin, aus einer Generation, die Rassismus zu aller groessten Teilen ablehnt und verurteilt, dass ich doch hier in Ghana bin, mit dem Deutschen Entwicklungsdienst, gerade, weil ich ein anderes Deutschland repraesentiere, eines das allen Menschen unabhaenig von Farbe und ethnischem Hintergrund offen gegenuebersteht, eines das aus der Geschichte gelernt hat.

Aus dieser Ueberzeugung heraus reagierte ich zu Beginn in erster Linie mit Unglauben und einer nahezu absoluten Sicherheit, dass es sich um Einzelfaelle und Uebertreibungen handeln muss, doch ich zweifle immer mehr: Bin ich in einem anderen Land aufgewachsen, als von dem da berichtet wird? Uebertreiben die Ghanaer in ihren Erzaehlungen? Welche Ghanaer haben tatsaechlich negative Erfahrungen gemacht und welche reproduzieren nur bereits gehoertes? Kann man als weisser Deutscher ueberhaupt nachempfinden was Schwarzen in Deutschland widerfaehrt? Herrscht vielleicht doch ein unbewusster, latenter Rassismus oder auch offensichtlicher, den man als Weisser nicht einmal erahnen kann oder will? Streitet man schon die Moeglichkeit des Rassismus ab, weil es ein zutiefst unbequemer Gedanke ist? Ist es nicht auch bequem, die Opferrolle einzunehmen und zu sagen: "nur weil ich schwarz bin"? Wird das Thema zu wenig beachtet? Oder im Gegenteil hochstilisiert? Wann wird eine Ansammlung von Einzelfaellen zum Regelfall? Sind jene, die sich rassistisch behandelt fuehlten, aufmerksamkeitheischende, laestige Querulanten? Oder sind jene, die sich nicht zu Wort melden, angepasste, unterwuerfige Onkel Toms?

Rassismus in der deutschen Sprache

Bereits von Anfang an haben Bugs, Enrico und ich die sich uns praesentierenden Gegebenheiten zum Anlass fuer Wortspielereien und Scherze genommen. Aus ersichtlichem Grund spielte dabei das Wort 'schwarz' eine nicht unwesentliche Rolle; durch das Vorbereitungsseminar sensibilisiert haben wir die Wortwitze stets im vollen Bewusstsein unserer politischen Unkorrektheit gemacht, diese Art des Humors wurde allerdings nicht von allen Freiwilligen als lustig empfunden, selbst wenn einige Scherze davon definitiv politisch korrekt waren. Ich und auch meine beiden Mitbewohner sind jedoch nach wie vor der Meinung, dass ein humorvoller Umgang selbst bei einem solchen Thema moeglich ist; auch wenn mir die Autorin (Noah Sow) des Buches "Deutschland Schwarz Weiss - Der alltaegliche Rasssismus" vehement widerspraeche. Angeregt durch unsere Wortspiele und auch nicht zuletzt durch die Lektuere des erwaehnten Buches moechte ich im folgenden Blogeintrag einige Formulierungen aus unserem alltaeglichen Sprachgebrauch in eine kleine fiktive Geschichte integrieren. Welche der Formulierung tatsaechlich einen rassistischen Hintergrund haben bzw. eine rassistische Konnotation moechte ich nicht entscheiden, sondern jedem Leser die Gelegenheit geben sich selbst ein Urteil zu bilden. Kommentare und Kritik sind wie immer willkommen.


Jemand musste Ebenezer F. angeschwaerzt haben, denn ohne dass er etwas Boeses getan haette, wurde er morgens durch laermiges Treiben geweckt. Sah er darin noch keinen Grund sich schwarzzuaergern, sollte sich bald herausstellen, dass dies der Start eines allzu schwarzen Tages werden sollte.
Als leitender Angestellter der lokalen Trotro-Gesellschaft ist er auf seinen Schlaf angewiesen, denn seine Verkehrsprognosen und Fahrplanvorhersagen muessen stets ins Schwarze treffen. Nur zu gern schiebe der Vize-Direktor ihm den schwarzen Peter zu, wenn sich durch schlechte Fahrplaene wieder einmal zu viele Fahrgaeste gezwungen sehen schwarzzufahren. Doch Ebenezer ist ein gewissenhafter Angestellter, er erscheint stets puenktlich zur Arbeit, so wie es schwarz auf weiss im Arbeitsvertrag geschrieben steht.
Dieser verhaengnisvolle Morgen jedoch erweist sich als Stolperstein, statt des ueblichen Schwarzbrots serviert ihm seine Vermieterin Frau Mensah 'Negerkuesse', oder 'Mohrenkoepfe' wie sie zu sagen pflegt, sie hat eine seltsame Art schwarzen Humors. Selbst auf den morgendlichen Tee muss er verzichten, denn bei einem Black-Out kann auch der Wasserkocher nicht funktionieren.
Gerade als er die Wohnung verlassen moechte, wirft er einen fluechtigen Blick auf das schwarze Brett. Was sieht er da? Jemand bietet seine koerperlichen Dienste in Form von Schwarzarbeit an. Doch mit derartigen Gedanken will er sich nicht aufhalten, er muss ins Buero gelangen, schliesslich soll die Gesellschaft weiterhin schwarze Zahlen schreiben.
Will er eine unentschuldbare Verspaetung vermeiden muss er wohl das naechste Taxi waehlen. Aber wie durch schwarze Magie scheinen keine Taxen zu fahren, soll er etwa warten bis er schwarz wird? Kurz bevor Ebenezer F. beginnt schwarzzumalen, kommt tatsaechlich ein Taxi zum Stehen. Ohne langes Zoegern steigt er zu, waehrend der Fahrt stellt er zu seinem Missfallen fest, dass die Lizenz des Fahrers abgelaufen ist, wie hoch wohl die Dunkelziffer solcher Delikte sein mag? Moeglicherweise handelt es sich in diesem Fall auch um ein vereinzeltes schwarzes Schaf, wer kann das schon wissen. Die routinemaessige Polizeikontrolle besteht man dank eines kleines Scheines, ob der wohl auf das Schwarzgeldkonto fliesst?
Nach kurzer Fahrt erreichen sie das Buerogebaeude, die laestige Verhandlung um den Fahrpreis opfert er mit Vergnuegen dem Primat der Zeit. Bereits beim Durchschreiten der Lobby spuert Ebenezer die elektrisierte Stimmung, die alle Stockwerke des gesamten Gebaeudes erfasst hat. Beim Verlassen des Fahrstuhls wird er augenblicklich der Atmosphaere gewahr, jegliche Ordnung scheint zu fehlen, es geht zu wie auf dem Schwarzmarkt, Fahrplaene werden verscherbelt, anstatt ordnungsgemaess verteilt. Unbemerkt kann er sein kleines Eckbuero erreichen und dort mit Hilfe des Blackboards seine Gedanken ordnen. Die Tumulte draussen kann er trotz seiner hoeheren Position nicht beeinflussen, er koennte eben so gegen ein schwarzes Loch antreten, die Erfolgschancen schaetzt er vergleichbar gering ein.
Gluecklicherweise nimmt die neue Blackbox alle Gespraeche auf, vielleicht kann im Durcheinander der Besitzer der schwarzen Witwe, die seit Wochen die Belegschaft in Angst und Schrecken versetzt, ausfindig gemacht werden. An jenem Tag aber sieht Ebenzer fuer dieses Unterfangen schwarz, denn ihm will einfach nichts gelingen. Resigniert stellt er fest, dass die gesamte Belegschaft in der Kaffeepause (der Kaffee wird schwarz getrunken) geschlossen 'Wer hat Angst vorm schwarzen Mann' spielt.
Am Abend verlaesst er muede und abgekaempft das Buero, an diesem Tag hat er nicht einmal Lust sich mit Frl. Boaful eine schwarze Komoedie anzusehen. Zu Hause faellt er in einen unruhigen Schlaf, waehrend um ihn herum sich das Schwarz der Nacht ausbreitet.

Wird das Thema ueberwertet? Wie wuerde man sich selbst als betroffene Person fuehlen? Sind negative Assoziationen mit der Farbe Schwarz durchweg auf Rassismus zurueckzufuehren? Sind einige der verwendeten Formulierung rassistisch? Gibt es alternative Ausdrucksmoeglichkeiten? Warum nutzt man diese nicht, sondern artikuliert sich in solch ueberholter Weise? Sind Worte nicht Macht? Sollten Worte nicht mit groesster Behut- und Achtsamkeit gewaehlt werden?

Montag, 14. Dezember 2009

Beginnen moechte ich mit einer kleinen Danksagung an jene, die an meinen Geburtstag gedacht haben, ich habe mich sehr ueber alle Nachrichten und Anrufe gefreut. Alle die nicht daran gedacht haben, macht auch nichts, habe naechstes Jahr wieder Geburtstag.

Durch die Einkehr einer gewissen Routine in die letzten Tage, moechte ich an dieser Stelle nicht weiter auf die einzelnen vergangenen Tage und die verschiedenen Aktivitaeten in den unterschiedlichen Kids und Youth Clubs eingehen, sondern eine kleine Vorausschau und Erklaerung fuer die folgenden Blogeintraege geben.

Da Bugs, Enrico und ich am 17. Dezember zu unserer Togo-Benin-Reise aufbrechen, werde ich auf unbestimmte Dauer aller Wahrscheinlichkeit nach keine Moeglichkeit haben Blogeintraege zu schreiben, geschweige denn zu veroeffentlichen. Vor Beginn unserer Reise werde ich zur Ueberbrueckung meiner Abwesenheit zwei Eintraege veroeffentlichen, die nicht unbedingt weihnachtliche Stimmung verbreiten werden, doch das war auch nicht meine Intention. Vielmehr moechte ich einige, vielleicht auch unbequeme Fragen stellen. Die beiden Eintragen sind zwar durch die zu Grunde liegende Thematik miteinander verbunden, aber grundsaetzlich als separate Eintraege aufzufassen. Kommentare, Kritik, Diskussionen sind sehr willkommen und auch gewuenscht.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Realitaeten

Im folgenden Blogeintrag soll ein bisher geringfuegig beachteter Aspekt des Freiwilligendienstes thematisiert werden, das Fehlen des Heimischen, das dadurch moeglicherweise entstehende Heimweh, die gefuehlte Einsamkeit und wie Freiwillige mit solchen Schwierigkeiten umgehen. Die nachfolgende Zusammenstellung bezieht sich zu grossen Teilen nicht auf meine eigene Person, sondern sind Beobachtungen und Eindruecke, die ich bei und mit anderen Freiwilligen gesammelt habe; hierbei soll vordergruendig keine Wertung, sondern in erster Linie eine Darstellung und Analyse erfolgen.

Ein jeder Freiwilliger handhabt die durch das Weilen in der Fremde entstehenden Belastungen auf seine ganz eigene, persoenliche Art. Die meisten Projektstellen sind durch mehrere Freiwillige besetzt, die dementsprechend auch eine Wohngemeinschaft bilden, und selbst Einzelplaetze haben durch die Gastfamilie meist Gesellschaft, was zur Folge hat, dass man zwar nur in den seltensten Faellen alleine ist, aber dennoch Einsamkeit verspuert. Denn die blosse Anwesenheit einer anderen Person bedeutet nicht, dass das Verhaeltnis so exzellent ist, dass die Art familiaerer Intimitaet geschaffen werden kann, die notwendig waere um jegliche Einsamkeit zu verhindern. Besonders schwer zu tragen haben die Freiwilligen, deren Beziehung durch den Auslandsaufenthalt zu einer Fernbeziehung wird, was, wie sich bisher zeigt, nicht fuer alle Beziehungen positiv verlaeuft.

Konfrontiert mit den unterschiedlichen Anforderungen ihres Jahres entwickeln Freiwillige diverse Mechanismen um die Zeit positiv zu gestalten. Waehrend einige einen Teil ihrer wohlbehueteten familiaeren Welt mit sich nahmen, um sie hier vor Ort aufzubauen, indem sie unzaehlige Fotos von Freunden und Familie anbringen, gibt es wiederum andere, die die sich ihnen praesentierende Realitaet auf ganz andere Weise meistern. Seine Umgebung, seinen Wohnraum, das eigene Zimmer zu gestalten muss nicht bei Fotos enden, auch durch Sprueche, Poster oder Malereien an den Waenden, koennen die Erfahrungen verarbeitet werden und zugleich ein Stueck heimatlicher Atmosphaere erzeugt werden.
Ueber den Wohnraum hinaus gibt es andere Methoden, ein probates Mittel scheint das Internet zu sein, durch das Grenzen und Entfernungen verschwinden und die Heimat durch einen einzigen Mausklick erreichbar wird. Da der virtuelle Kontakt in Form von Emails, Blog, sozialem Netzwerk, Forum oder Nachrichtenseite jedoch zeitlichen und finanziellen Einschraenkungen unterworfen ist, handelt es sich hierbei nur um eine temporaere Milderung oder Verschleierung der Tatsachen, die betreffende Person jedoch bleibt letzten Endes weiterhin mit der unabaenderlichen Wirklichkeit konfrontiert. Eine elementare Voraussetzung fuer den virtuellen Heimatbesuch ist der Gegenpart in Deutschland oder einem anderen Land, der aktiv an der Korrespondenz teilnimmt und nicht nur empfaengt, sondern auch sendet, denn erst der Dialog ermoeglicht dem Freiwilligen den Zugang zum heimischen Umfeld.
Wer der virtuellen Methode ueberdruessig geworden ist oder sich durch genannte Einschraenkungen gezwungen sieht aus dem virtuellen Netz zu steigen kann durch die intensive Lektuere fantastischer Romane das literarische Tor zu einer vollkommen anderen Welt aufstossen und sich dadurch der realen entziehen. In Kombination mit den Buechern kann bei Bedarf durch das Abspielen der Lieblingsmusik eine Atmosphaere erzeugt werden, die sich als sehr hilfreich erweist um die aeusseren Umstaende zu vergessen.
Wem auch die Buecher oder Musik nicht weiterhelfen, der kann durch ausgedehnte Telefongespraeche mit Freunden und Familie der Umgebung entkommen und ein Stueck deutsche "Normalitaet" erfahren.

Insbesondere an Wochenenden scheinen sich Freiwillige nach Vertrautem zu sehnen, was zur paradoxen Situtation fuehrt, dass Freiwillige, die das Exotische suchen und sich ueber zu grosse Zahlen von Weissen in ihren Wohnorten beschweren, gleichzeitig mit einer betraechtlichen Anzahl anderer weisser Freiwilliger umgeben und am Wochenende feiern gehen. Bei diesen Gelegenheiten bietet es sich zudem an durch verschiedenste Genussmittel sich die Wirklichkeit zu verschoenern.

Das einende Element der beschriebenen Verhaltensweisen ist das Schaffen eines Rueckzugraums, eines Fluchtorts, der aufgesucht werden kann, wenn Geborgenheit fehlt, wenn die Realitaet zu harsch wird, wenn die Einsamkeit zunimmt.

Bei jedem Besuch eines Internetcafes, jedem Telefonanruf nach Deutschland, jedem Roman, jeder Feier etc. gleich auf Realitaetsflucht zu schliessen waere jedoch voreilig und nicht zutreffend, denn schlieslich ist der Austausch mit Deutschland oder auch anderen Freiwilligen ein elementarer Bestandteil des interkulturellen Austauschs, der das Kernstueck des Programms "weltwaerts" bildet. Die Grenzen zwischen "normalem" Austausch und der Realitaetsflucht sind nicht klar gesteckt, allerdings lassen nur wenige Freiwillige Selbstreflexion und Selbstkritik hinsichtlich dieses Themas erkennen, so dass sie oftmals unbewusst zwischen den Sphaeren wandeln. Ausschlaggebend ist das Mass in welchem der/die Freiwillige die genannten Moeglichkeiten nutzt, dabei muss auch in Betracht gezogen werden, dass jede/r ein ganz individuelles Beduerfnis nach Heimatkontakt hat, weshalb keine absoluten Zahlen festlegen koennen wo die Realitaetsflucht beginnt. In jedem Fall kann Kontakt nicht mit Realitaetsflucht gleichgesetzt werden, denn es steht ausser Frage, dass die Zeit des Auslandsaufenthalts sehr fordernd sein kann und jede/r sich in einer Lage wiederfinden kann, in der Unterstuetzung aus der Heimat sehr willkommen ist. Nichtsdestotrotz kann an den aufgezaehlten Verhaltensweisen durchaus gerechtfertigte Kritik aufkommen, denn manchmal so scheint es, wird das eigentlich Ziel, die interkulturelle Interaktion, der Austausch mit Ghanaer dadurch zu stark in den Hintergrund gedraengt.

Persoenlich habe ich im Schreiben einen Weg gefunden, durch den es mir gelingt eine Distanz zum Erlebten aufzubauen, was die Analyse und das Verarbeiten meiner Erfahrungen erleichtert und mich stets zur Selbstreflexion zwingt. Durch das aktive schriftliche Auseinandersetzen mit meinem Alltag kann ich mich diesem entziehen und einen neuen Blickwinkel erlangen.
Nur kurze Zeit bevor mein Aufenthalt in Ghana begann, war der amerikanische Praesident Barack Obama fuer einen zwei-taegigen Besuch (10.-11.7.09) hier gewesen, wodurch seine zuvor bereits grosse Popularitaet als erster schwarzer Praesiedent der USA unter den Ghanaern noch einmal deutlich gesteigert wurde. Anlaesslich seines Besuchs in Cape Coast wurde eine immense Zahl an Gruss- und Willkommensplakaten in und um die gesamte Stadt herum angebracht, die auch Monate spaeter noch immer unveraendert jeden Besucher der Stadt an diesen historischen Moment erinnern. Da auch noch eine grosse Anzahl von Wahlplakaten aus dem Jahr 2008 in den meisten Ort zu sehen sind, bin ich der Ueberzeugung, dass auch Praesident Obama mir noch lange Zeit von den eigentlichen Werbeflaechen zu laecheln wird. Der Besuch des Praesidenten und vor allem die zu erwartenden Folgen sollte noch Wochen spaeter in den verschiedenen Radio- und TV-Programmen diskutiert werden. Dabei erweckte es fuer mich den Eindruck, als setzten die Ghanaer sehr viel, moeglicherweise zu viel, Hoffnung in die kurze Stippvisite. Die Begeisterung fuer Praesident Obama schlaegt sich ungebrochen in den verschiedensten Formen nieder, zum einen in den erwaehnten Radio- und TV-Programmen, zum anderen in allen Moeglichen Artikeln deren Verpackungen sein Konterfei oder sein Namenszug zieren. Es gibt Obama-Kekse, USA-Faehnchen mit seinem Portraet aufgedruckt, T-Shirt, Hemden, Heftumschlaege und auch von der Kunststofftuete der Apotheke gruesst der amerikanische Praesident.

Samstagmorgen (21.11.) machten wir uns direkt nach dem Fruehstueck auf den Weg ueber Mankessim und Cape Coast nach Efutu-Mfuom um die dortige Straussenfarm zu besichtigen. Die Farm bestand aus drei Gehegen fuer 15 Voegel. Alle noetigen Erklaerungen zu den Tieren, deren Versorgung und Unterbringung beantwortete uns der freundliche Farmmitarbeiter Isaac. So erfuhren wir bspw. warum Strausse manchmal den Kopf in den Sand stecken: Strausse, normalerweise im suedlichen Afrika in Wuestenregionen beheimatet, schlucken zur Unterstuetzung ihrer Verdauung kleine Steine, diese findet der Strauss in seiner natuerlichen Umgebung, aber erst unter der Wuestensandoberflaeche, weshalb er auf der Suche nach den Verdauungskatalysatoren den Kopf in den Sand steckt. Mit einer Schutz- oder Verstecksuche hat es also entgegen der weitlaeufigen Meinung nichts zu tun. Die 15 Exemplare, der von uns besichtigten Farm, stammen urspruenglich aus Simbabwe, dort gelten lediglich Loewen als ihre natuerlichen Feinde, wobei selbst diese Schwierigkeiten beim Jagen der Voegel haben, denn ein Strauss kann laut Isaac eine Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h erreichen. Vor ein paar Jahren war die Farm noch an einer anderen Stelle gelegen, mit einem zusaetzlichen Affengehege und einem angegliederten Restaurant, in dem man Straussenei-Omelette oder auch Straussensteak geniessen konnte, durch eine Erhoehung der Pachtgebuehr sahen sich die Betreiber der Farm jedoch gezwungen die Farm auf neu erworbenes Gelaende umzusiedeln. Seitdem befindet sich das neue Restaurant im Aufbau und soll im kommenden Jahr fertiggestellt werden. Zu unserer kleinen Enttaeuschung erfuhren wir, dass die Affen den Umstand des Fehlens eines angemessenen Geheges genutzt hatten und davon gelaufen waren, weshalb wir nur mit den Straussen Vorlieb nahmen.

Abends war es an der Zeit uns bei Hannah und Larissa (Freiwillige aus Asikuma) fuer eine Einladung zu revanchieren, sodass wir die beiden zu uns einluden und einen feucht froehlichen Abend feierten. Scheinbar hatten wir, trotz des ein oder anderen unreifen, albernen Kommentars oder Spiels, einen einigermassen guten Eindruck als Gastgeber hinterlassen, so dass wir im Gegenzug eine Einladung fuer Dienstag zu einen DVD-Abend bekamen, die allerdings nur Bugs und ich annahmen, da Enrico nicht auf die Dienstagsspiele der Champions League verzichten wollte. Bugs und ich hingegen verbrachten nur zu gerne den Abend in angenehmer Gesellschaft.

Am darauffolgenden Tag (Mittwoch) fuhren Bugs, Enrico und ich nach Accra um die noetigen Visa fuer unsere Togo-Benin-Reise zu beantragen. Erfolgreich waren wir nur in der togolesischen Botschaft, denn die fanden wir auf Anhieb. Die beniner Botschaft, deren Adresse wir uns aufgeschrieben hatten, war jedoch wider erwarten nicht dort anzutreffen, bei der gut einstuendigen Fahrt durch das Botschaftsviertel stellte sich heraus, dass meine Strassenkenntnisse durch die vielen Arztbesuche teilweise sogar die des Taxifahrers uebertrafen, was allerdings leider nicht weiter hilfreich war bei der vergeblichen Suche nach der Benin-Botschaft. Nachdem wir irgendwann an der Botschaft der Elfenbeinkueste gestrandet und unserem eigentlichen Ziel nicht naeher gekommen waren, entschlossen wir uns aufgrund der fortgeschrittenen Stunde den Rueckweg nach Ajumako anzutreten. Den Rettungsanker fuer unsere Stimmung stellten die Flughunde dar, die in Massen sowohl ueber der Botschaft der Elfenbeinkueste als auch ueber dem Military Hospital kreisten. Endgueltig gerettet war der Tag als wir abfahrtbereit wartend im Trotro sassen und eine Marktverkaeuferin freudig laut verkuendete: "Obroni in Ghana!" und daraufhin ein weiterer Marktverkaeufer sich dazugesellte um uns aufzuklaeren: "Obroni in Ghana, Westafrica!", da konnten wir uns dem Lachen nicht mehr erwehren.

Oftmals finde ich mir hier in Situationen wieder, in denen ich genau weiss was ich tun muss, wohin ich gehen muss oder was ich zu erwarten habe, das haelt allerdings viele Ghanaer nicht davon ab mir dennoch mit ihrer Meinung nach hilfreichen, dringend notwendigen Informationen helfend zur Seite zu stehen. Diese ueberwaeltigende Hilfsbereitschaft kann zuweilen Formen annehmen, dass fuer mich der Eindruck entsteht, als ob Ghanaer mich als hilflos betrachten, was zur Folge hat, dass mir selbst bei Kleinigkeiten geholfen werden muss. Ist der Grundgedanke zwar zutiefst altruistischer Natur, so erscheint er mich doch manchmal zu entmuendigen.

Freitag war fuer uns ein freier Tag, den wir unseren muslimischen Mitbuerger, die ungefaehr 15 % der Gesamtbevoelkerung ausmachen, verdankten, denn der Eid-El-Adha, an dem, so erklaerte uns einer unser Lehrer, Allahs Gnade gegenueber Abraham gefeiert wird, ist hier ein staatlicher Feiertag. Zufaelligerweise markierte dieser Freitag zugleich auch die Vollendung unseres vierten Monats, diesen Anlass mussten wir natuerlich gebuehrend feiern. Deshalb luden wir uns Hannah und Larissa aus Asikuma und Inken aus Elmina zum Picknicken ein. Bei dieser Gelegenheit zeigten wir uns diesmal von unser besten Seite was uns eine Einladung fuer Sonntag einbrachte, die aber nur ich annahm, denn Bugs hatte keine Lust Schwimmen zu gehen und Enrico plante einen gewaltigen Fussballtag mit den Spielpaarungen : Liverpool-Everton, Arsenal-Chelsea und Barcelona-Real Madrid.

So machte ich mich Samstagabend allein auf den Weg nach Asikuma und gesellte mich zur Geburtstagsfeier, die fuer die Nachbarin (Shelly) meiner reizenden Gastgeberinnen gegeben wurde. Den Sonntag verbrachte ich in illustrer Gesellschaft am Pool des Greenland Hotels in Swedru. Ausser den beiden Nachbaren (Lawrence und Shelly) und meinen Gastgeberinnen trafen zu spaeteren Zeiten auch noch Freiwillige aus Cape Coast ein. Hatte ich bereits beim Betreten des Hotelgelaendes das Gefuehl Fehl am Platz zu sein, verstaerkte sich das zusehends mit zunehmender Weissenanzahl, auch wenn diese sich insgesamt als gering herausstellte. Insbesondere paradoxe Aussagen von Weissen, die zwar das Exotische suchen, aber sich dann doch mit Heimischen umgeben, trugen dazu bei, dass ich mich sehr fremd fuehlte und meine Zeit lieber mit Lawrence am Beckenrand sitzend verbrachte. Erst im Austausch mit Bugs und Enrico konnte ich dem Sonntag die positiven Aspekte in Form von amuesanten Anekdoten anderer Weisser abgewinnen.

Dienstag, 24. November 2009

Nummer 19

Zu den Gegebenheiten, die mir taeglich begegnen, gehoert auch die Dekoration der Fahrzeuge. In nahezu allen Trotros und Taxis sehe ich kleine Faehnchen per Saugknopf am Inneren der Frontscheibe angebracht. Die ghanaische Flagge darf dabei natuerlich nie fehlen, wirklich interessant wird es bei den zusaetzlichen Faehnchen, manchmal ist es nur eine, manchmal sind es bis zu vier weiteren. Faellt es meistens sehr leicht die Kombination der gezeigten Fahnen zu verstehen, gibt es auch Faelle in denen es sich nicht auf den ersten Blick erschliessen laesst. So zum Beispiel bei der Kombination USA - Saudi-Arabien - Indien, Enrico und ich erklaerten uns diese Zusammenstellung durch die auf Oel-basierende Beziehung zwischen den USA und den Saudis, waehrend Indien sich durch einen betraechtlichen Anteil von muslimischen Staatsbuergern qualifizierte, wodurch die Verbindung zu Saudi-Arabien hergestellt werden kann. Ob dem Besitzer des Fahrzeugs auch diese Verbindungen vorschweben kann ich nur schwer abschaetzen, er koennte auch ganz eigene persoenliche Verbindungen zu den drei Laendern haben. Weitere Nationalflaggen, die ich haeufig sehe, sind Suedafrika, Elfenbeinkueste, Israel und auch Deutschland. Neben den Faehnchen schmuecken meist noch einige Aufkleber von den grossen Vier des englischen Fussballs (ManU, Chelsea, Liverpool, Arsenal) die oftmals von Rissen durchzogene Frontscheibe. Motor- und Kofferraumhaube werden haeufig durch religioese Sprueche, Bibelzitate oder Jesus-Abbildern geziert, was auf glaeubige Menschen mit sanften Gemueter durchaus beruhigend wirken kann, wenn man wieder einmal mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf einer verschlungenen, schlagloch-uebersaeten Strasse dahinrast. Als besonders ironisch empfinde ich es den Spruch "Trust In God" auf Rueckscheiben zu lesen, denn angesichts des Zustands von Strassen und Fahrzeugen bleibt einem ja kaum etwas anderes uebrig als auf eine hoehere Macht zu vertrauen. Eine besondere Freude ist es bspw. wenn man auf der letzten Sitzreihe des Trotro platz nehmen moechte und ohne Vorwarnung die Rueckbank der Kofferraumhabe bedenklich nahe kommt oder die Seitenwand des Trotros beunruhigend instabil wirkt, und man befuerchten muss bei der naechsten scharfen Kurve mitsamt der Seitenwand herausgeschleudert zu werden. Aber um hier noch einmal deutlich hervorzuheben nicht alle Fahrzeuge sind in so schlechtem Zustand, vielmehr kommen wir oftmals in den Genuss in nahezu neue, mit angenehmen Lederueberzuegen ausgestatteten Trotros mit zu fahren. Private Fahrzeuge sind noch einmal eine ganz andere Angelegenheit, diese werden mit einer Vehemenz und Hingabe gepflegt, die so manchen deutschen Auto-Liebhaber beeindrucken koennte, so muss zum Beispiel unser Freund Emmanual alle zwei Tage den dreier BMW seines Vaters putzen, Insgesamt kann es manchmal erstaunlich sein, was fuer Fahrzeuge man zu Gesicht bekommt, teure Mercedes und BMW Limousinen, nicht weniger kostspielige Gelaendewagen von Toyota, Lexus oder auch Hummer. Wie in so vielen Aspekten des Landes spiegeln sich auch hier die Extreme wider, auf der einen Seite kaum fahrtuechtige oeffentliche Verkehrsmittel, auf der anderen die extravaganten Limousinen der Oberschicht.

Nun zum Wochengeschehen, den letzten Samstag verbrachten Bugs, Enrico und ich mit Einkaeufen fuer die Wohnung und Internetrecherche fuer unsere Benin-Togo-Reise in Cape Coast, dort trafen wir auch kurz Inken, die wir eigentlich eingeladen hatten uns nach Ajumako zu begleiten, was allerdings im Kurzmitteilungswirrwarr verloren ging, so dass wir leider ohne Inken zurueckkehren mussten. So vollzogen wir den Abend in Gesellschaft von Emmanual mit der ein oder anderen Runde Akpeteshie.

Was Enrico und mich aber nicht davon abhielt Emmanual und seine Familie am naechsten Morgen in die Kirche nach Mankessim zu begleiten. Die durch unser spaetes Fruehstueck ausgeloeste, leichte Verzoegerung der Abfahrt, glichen Enrico und ich durch unsere Kleiderwahl aus, denn einen sonntaeglichen Kirchbesuch empfanden wir als passende Gelegenheit zum ersten Mal unsere ghanaischen Gewaender zu tragen. Unser Schneider hatte zwar statt der vereinbarten acht Tage ganze 14 Tage gebraucht um sie fertigzustellen, aber dafuer war das Ergebnis umso erfreulicher. Unser Schneider, der mich nach wie vor Paul Scholes ruft, ist ein sehr eigenwilliger Charakter, er hat rot-lackierte Fingernaegel und wirft Bugs manchmal Handkuesschen zu. Wer nun schlussfolgert unser Schneider sei homosexuell unterliegt einem Irrtum, denn in einer homophoben Gesellschaft wie es die ghanaische ist, erscheint es mir praktisch ausgeschlossen. Der Gedanke der Homosexualitaet ist so abwegig, dass vielleicht gerade dadurch das Verhalten des Schneiders erklaert werden kann. Geruechten zufolge koennte es auch an Bugs' gutem Aussehen liegen, aber das sind wahrscheinlich nur Geruechte.... Genug von Schneidern und lackierten Naegeln, zurueck zur Kirche in Mankessim.

Der Gottesdienst zog sich ueber eine Laenge von zwei einhalb Stunden, natuerlich in feinstem Fante, was zur Folge hatte, dass meine Gedanken abdrifteten, sobald Emmanual einmal nicht die wichtigen Passagen der Predigt uebersetzte oder wieder geklatscht und gesungen wurde. Wie auch beim anderen Gottesdienst, den Enrico und ich besuchten, wurde mehrmals Geld gespendet, wofuer die Kollekte verwendet wird konnte ich allerdings bisher nicht in Erfahrung bringen. Interessant zu hoeren war, dass Emmanual, dessen Vater meinem Verstaendnis nach eine leitende Position innerhalb der Gemeinde einnimmt, den Kollekten sehr skeptisch gegenuebersteht, zu viel Geld sei mit der Kirche verbunden, das sei nicht der Zweck der Kirche.

Am Sonntagabend schauten wir gemeinsam mit unserer Gastfamilie die Uebertragung des Finales der FIFA U-17 WM in Nigeria, darin standen sich der Titelverteidiger und Gastgeber Nigeria und das Ueberraschungsteam aus der Schweiz gegenueber. Die Schweiz gewann das Spiel mit 1-0, was zu meiner Ueberraschung insbesondere unseren Gastvater erfreute. Gewoehnlich ist es so, dass ich hier einen sehr starken inner-afrikanischen Zusammenhalt erlebe, der sich ganz klar nicht nur auf Fussball beschraenkt. Eine Ausnahme scheint jedoch Nigeria zu sein, sowohl durch die Lektuere verschiedener Buecher ueber den afrikanischen Kontinent, als auch durch verschiedene Filme, habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Nigerianer nicht nur hier in Ghana und dem Rest Afrikas, sondern weltweit einen unvorteilhaften Ruf geniessen. Hier in Ghana geht es so weit, dass manche Ghanaer behaupten ohne die nigerianischen Einwanderer gaebe es keine Kriminalitaet. Dadurch ist auch zumindest teilweise die Reaktion unseres Gastvaters zu erklaeren, der bei Abpfiff sagte, er sei sich sicher die Nigerianer werden sich daneben benehmen, was sie aber, so weit ich es von den Uebertragungsbildern sehen konnte, nicht taten. Wirklich erstaunt war ich als unser Gastvater, der sich stets sehr warmherzig und fuersorglich praesentiert, angesichts weinender nigerianischer Spieler sich dazu hinreissen liess zu sagen, das sei was er sehen wolle.

Bereits am naechsten Tag sollten wir im Gespraech mit unserem Direktor in Ankukrom erneut auf Nigeria zu sprechen kommen, allerdings in einem positiveren Kontext. Er berichtete uns, dass er von 1978 bis 1984 in Nigeria gelebt hatte, da er dort als Lehrer einer Secondary School eine Stelle gefunden hatte. Uns gegenueber hob er hervor, dass damals die wirtschaftlichen Verhaeltnisse in Ghana so schlecht gewesen seien, dass viele Ghanaer in das damals besser gestellte Nigeria ausgewandert, und erst als sich Ghana ein wenig erholt hatte, zurueckgekehrt seien. Doch seitdem, so sagte er, habe sich viel veraendert, mittlweile verzeichne Ghana einen grossen Zustrom aus anderen Laendern Westafrikas, nicht nur Nigeria, sondern auch Benin, Burkina-Faso, Elfenbeinkueste und Togo. So scheint man anhand der Migration innerhalb Westafrikas die verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklungen ablesen zu koennen. Demnach muesste sich, so prognostizierte es auch unser Direktor, die Immigration nach Ghana in den kommenden Jahren noch verstaerken, da die Oelfelder vor der Kueste Ghanas fuer einen zusaetzlichen Aufschwung sorgen sollten. Ob dies wirklich so eintritt, bleibt abzuwarten, da auch Nigeria, mit einer taeglichen Rohoelfoerdermenge von 2 Millionen ( 2 000 000 um es zu verdeutlichen) Barrel, eigentlich die Voraussetzungen hat um ein sehr wohlhabendes Land zu sein.

Dienstags hatte ich einen Termin beim Arzt der deutschen Botschaft, natuerlich in meiner Lieblingsstadt Accra. Zufaelligerweise musste auch Brian zur Botschaft um einen Brief abzuliefern, sodass ich nicht mit dem Trotro, sondern per Privatauto in die Hauptstadt gelangte. Den Arzt traf ich natuerlich nicht in der Botschaft an, sondern in einem separaten Gebaeudetrakt der sich als medizinische Anlaufstelle aller deutschen Staatsbuerger und -diener fuer ganz Westafrika herausstellte. Zu meinem Glueck war nicht viel los und ich konnte nach der ueblichen Wartezeit, die man aus deutschen Praxen kennt und die ich nach den Monaten in Ghana mit Leichtigkeit schultere, meinen Fall dem Arzt schildern. Das Gespraech verlief sehr positiv, sodass ich am Ende mit einer schriftlichen Erklaerung des Arztes, dass eine notwendige Operation in Deutschland durchgefuehrten werden muesse, aus der Praxis spazierte. Bereits auf dem Rueckweg nach Ajumako machte ich mir Gedanken bzgl. eines moeglichen Operationstermins, da allerdings vorher noch verschiedene Einzelheiten mit meiner Entsendeorganisation und der Versicherung geklaert werden muessen, waren meine Gedankenspiele vergebliche Liebesmueh.

Ein Gedanke laesst mich aber seit meinem Arztbesuch nicht mehr los, und zwar die Tatsache, dass ich mein Jahr hier aller Wahrscheinlichkeit unterbrechen muss um nach Deutschland zurueckzukehren. Dieser vorzeitigen Rueckkehr stehe ich momentan mit sehr gemischten Gefuehlen gegenueber, da ich von Anfang mit der mentalen Einstellung hierher gekommen bin Deutschland, meine Familie, meine Freunde, meine Heimat fuer ein Jahr mehr oder weniger vollstaendig hinter mir zu lassen. Zweifellos wuerde ich mich freuen meine Freunde und Familie wieder zu sehen, auch wenn der Anlass kein allzu freudiger ist, aber gleichzeitig habe ich das Gefuehl moeglicherweise meinen derzeitigen Entwicklungsprozess, der ganz natuerlich durch die verschiedenen taeglichen Eindruecke und Erfahrungen vorangetrieben wird, durch eine fruehzeitge Rueckkehr zu beeintraechtigen. Ich bin mir des selbstsuechtigen Kerns der diesen Gedanken innewohnt sehr bewusst, kann mich aber nicht von ihnen loesen. Eine verfruehte Heimkehr naehme mir einen grossen Teil der Wiedersehensfreude, denn in meinen Gedanken ist es entgegen besserer Vernunft ein gewaltiger Unterschied ob ich nach sieben oder zwoelf Monaten heimkehre. Jede Unterbrechung ist wie das Wort schon sagt auch ein Bruch, und das will sich einfach nicht in meine Vorstellung des Jahres als fortlaufende Einheit fuegen, es sollte ein Jahr sein, abgerundet, ganz, ohne Bruch, ohne Riss, ohne Bandanriss. Doch bereits waehrend ich diesen Eintrag verfasse, wandelt sich meine Geisteshaltung mit jedem Wort ein wenig, verstaendlich, dass ich mir mein Jahr als Einheit wuensche, aber das bedeutet doch nichts, die Realitaet sieht nun einmal anders aus, und daraus gilt es das Beste zu machen, wenn das bedeutet, ich muss fruehzeitig nach Deutschland, dann fliege ich nach Deutschland, wenn nicht, dann nicht, so einfach ist das. Meine persoenliche Entwicklung, davon bin ich ueberzeugt, wird daran keinen Schaden nehmen, vielmehr entdecke ich bei naeherer Betrachtung Vorteile fuer mich und meine Arbeit hier in Ghana, durch den kurzen Aufenthalt in Deutschland koennte ich Abstand nehmen, eine neue Perspektive gewinnen, mit neuen Ideen nach Ghana zurueckkehren. Aber noch liegt das alles in unwaegbarer Zukunft.

Mittwoch verbrachten wir unseren ersten Arbeitstag an der zweiten Schule (Abowinum). Um geeignete Kandidaten fuer unsere Kids Clubs zu finden, machten wir mit den Klassen drei, vier und fuenf eine simple schriftliche Frage-Antwort-Stunde, anhand derer wir am folgenden Tag unsere Kandidaten auswaehlten.

Donnerstags begleiteten wir unsere Schueler aus Ankukrom zu einem Sportturnier nach Enyan-Maim, welches nahe bei Mankessim liegt. Bei diesem Turnier traten mehrere Schulen des Distrikts in verschiedenen Sportarten gegeneinander an, jede Schule stellte pro Sportart eine Maechen- und eine Jungenmannschaft. Laut der Regeln handelt es sich um eine U-15 Veranstaltung, d.h. nur Schueler unter 15 Jahren duerfen daran teilnehmen, aber da auf Geburtsdaten hier kein Verlass ist, nahm sich die Turnierleitung eine zweifelhafte wissenschaftliche Formel zur Hand, die besagt, dass man wenn man unter 15 sei, das Gewicht maximal 53 kg betraege. Dies hatte zur Folge, dass der Torwart und ein Feldspieler unserer Jungenmannschaft nicht zugelassen wurden. Die Entscheidung mag zwar in diesem Fall den Regeln entsprechend gefallen sein, denn unser Torwart wog 60 kg, aber zum einen schien ungerechterweise keine andere Mannschaft Spieler von vergleichbarer Statur durch diese Regel zu verlieren und zum anderen ist die Regel an sich, mehr als grenzwertig, schlieslich kann man nicht einfach vom Gewicht auf das Alter schliessen oder anders herum. Die Fortsetzung des Turniers fand am Freitag statt, wobei wir am Nachmittag fruehzeitig nach Abowinum gingen um dort unsere erste regulaere Einheit mit dem Kids Club durchzufuehren.

Montag, 16. November 2009

Eine Eigenheit, die bei mir nach wie vor die gleiche, wenn auch abgeschwaechte, Reaktion, naemlich Unverstaendnis mit einem Hauch von Ekel, hervorruft wie zu Beginn meines Aufenthalts, ist das Spucken der Ghanaer. Dem eigentlichen Ausspucken geht dabei ein tiefes, geraueschvolles Sammeln von Material voraus, was die ganze Angelegenheit so appetitlich macht. Diese Praktik wird von Maennern wie Frauen gleichermassen angewandt gaenzlich unabhaengig davon wer moeglicherweise in Hoer- oder Sichtweite sein mag. Insbesondere bei Frauen widerspricht es meiner Vorstellung attraktiven Verhaltens, zwar stoere ich mich mittlerweile nicht weiter daran egal ob Mann oder Frau, aber wirklich gleichgueltig wird es mir wahrscheinlich auch nicht mehr werden. Es versteht sich von selbst, dass wie bei allen Eigenheiten nicht alle Ghanaer sich so verhalten und deshalb keine Generalisierung zulaessig ist. Unser Gastbruder bspw. kann dieses Verhalten auch nur schwerlich nachvollziehen und teilt meine Ansicht bezueglich der Attraktivitaet bei Frauen.

Montagmorgen nahmen wir wieder einmal unsere Pflichten als Aufsichtspersonal wahr, was aufstehen um 5.45 Uhr bedeutete, gibt es eine schoenere Art in die Woche zu starten? Die Aufsicht nutzten wir produktiv, indem wir uns die letzten Spielstationen fuer den Kids Club am folgenden Tag ueberlegten, wichtig war nach der kleinen Ernuechterung der letzten Woche die Spiele nicht zu schwer zu gestalten. Jede Woche konfrontiert die Auswahl unseres Programms uns mit der muehsamen Aufgabe die richtige Balance zwischen Spass und Anspruch zu finden, was des Oefteren dazu fuehrt, dass gut erscheinende Ideen verworfen werden muessen, weil die Erklaerung die Englischkenntnisse unserer Teilnehmer uebersteigen wuerde.
Am Nachmittag fuehrten wir wieder eine Sporteinheit mit den Grundschulkindern durch, wobei ich dieses Mal nicht als Cheftrainer teilnahm, sondern als Gast bei meinem Trainerkollegen Bugs hospitierte. Enrico, der zu Spielende als Spielertrainer agierte und sich in die Torschuetzenliste eintrug, was er ein wenig ueberschwaenglich feierte, konnte so im zweiten Spiel den verdienten ersten Sieg verbuchen.

Dienstagvormittag bereiteten wir die gesammelten Kids Club- Ideen zur Umsetzung am Nachmittag vor, sehr stolz war ich dabei auf meine bisher eher geringen zeichnerischen Fertigkeiten, denn wie sich spaeter herausstellen sollte konnten alle meine Zeichnungen einwandfrei und problemlos erkannt und zugeordnet werden. Der Hoehepunkt des Kids Clubs war jedoch ohne Zweifel das abschliessende "Reise nach Accra"-Spiel, welches Enrico und ich in Ermangelung eines CD-Spielers mit unseren Gesangskuensten gestalteten. Waehrend ich Enrico zweifelsohne Talent attestieren kann, war mein Beitrag wohl eher durch Stimmvolumen als durch Gesangsvermoegen zu rechtfertigen. Die Kinder hatten trotzdem oder vielleicht gerade deshalb jede Menge Spass und waren mit vollem Einsatz dabei.

Am Mittwoch nahmen wir im Anschluss an die letzte Schulstunde einen Teil unseres Youth Club mit einem fuer diesen Anlass gemietetem Trotro nach Ajumako, um sie unter unserer Aufsicht im Internet eine Recherche durchfuehren zu lassen. Da jedoch bisher keiner mit einem Computer gearbeitet hatte, erklaerten wir zu Beginn erst einmal die Basisfunktionen und zeigten den Umgang mit Maus und Tastatur. Die Ergebnisse der Recherche waren den mangelnden Computerkenntnissen/-erfahrungen entsprechend unvollstaendig und fuer ernsthafte Vortraege ungeeignet, aber die Recherche war fuer uns auch nicht der wichtigste Aspekt des Nachmittags. Uns war es wichtig, dass die Kinder zum ersten Mal an einem Computer arbeiten konnten, dass die Kinder zum ersten Mal das Internet nutzten und dass wir ihnen einen besonderen Nachmittag boten. Was uns den Reaktionen der Kinder nach auch vollauf gelang.

Donnerstagvormittag hatten wir uns gedanklich bereits darauf eingestellt nach Mankessim zu fahren, um die von uns benoetigten Oelfarben kaufen zu koennen, stellten dann aber positiv ueberrascht fest, dass unsere Farbverkaeuferin in Ajumako tatsaechlich unsere Farbwuensche erfuellen konnte. Verwendung werden die Farben erst am kommenden Dienstag finden, dann werden wir um des interkulturellen Austausch Willen die Kartenumrisse von Deutschland und Ghana mit den Teilnehmern des Kids Clubs an eine Aussenwand des Schulkomplexes zeichnen und dann die Umrisse in den entsprechenden Farben mit Handabdruecken fuellen.
Am Nachmittag nahmen wir dann die restlichen Teilnehmer des Youth Clubs zum Internetbesuch mit. Da es sich dabei bis auf eine Ausnahme um Schueler der aeltesten Jahrgangsstufe handelte, waren sie zum Teil bereits mit dem Umgang von Computern vertraut, was sich im geschickteren Bedienen des Computers widerspiegelte. Einer der Schueler, Daniel, der von allen Schuelern wahrscheinlich am besten Englisch spricht, sich dessen allerdings auch bewusst ist und deshalb meint er koenne den Clown spielen, liess sich auch dieses Mal die Gelegenheit nicht entgehen Bloedsinn zu treiben. Bei seiner zur Recherche gewaehlten Person (Michael Jackson) haette ich es eigentlich schon ahnen sollen, aber tat es natuerlich nicht und war somit spaeter damit beschaeftigt ihn von einer Seite weg zu nagivieren auf der Michael Jacksons unterschiedliche operativen Veraenderungen mit verschiedenen Filmmonstern verglichen wurden. Letztendlich leistete Daniel aber doch recht annehmbare Arbeit, auch wenn ich ihn allein haeufier ermahnen musste, als meine Kollegen die anderen Gruppen zusammen.

Fuer Freitagmorgen hatten wir mit unserer NGO vereinbart, sie unserer zweiten Schule vorzustellen. Wie nicht anders erwartet verliessen wir das Buero erst 40 Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt, immerhin lief das Treffen mit dem stellvertretenden Schulleiter in Abowinum reibungslos, so dass wir kurze Zeit spaeter von unserer NGO an der Schule in Ankukrom abgeliefert werden konnten. Dort bestand unser Arbeitstag darin mit den Lehrern gemeinsam gegen eine Schuelermannschaft im Fuss- und Volleyball anzutreten. Da ich aufgrund meiner Knieverletzung zum Zuschauen verdammt war, beobachtete ich wie Enrico und Bugs grossen Anteil am souveraenen Sieg im Volleyballspiel hatten. Beim Fussball konnte ich mich immerhin als Schiedsrichter nuetzlich machen, da es sich um ein Spiel zwischen Schueler- und Lehrerschaft handelte hatte ich keine Bedenken den Schiedsrichter zu geben, die sonst mehr als angebracht gewesen waeren; denn bei der Mehrzahl der Spiele des Ajumako-Teams hatte es stets Ausschreitungen wegen strittiger Schiedsrichterentscheidungen gegeben. Die Rolle des Schiedsrichters ist in keinem Land besonders dankbar, aber hier schaetze ich sie als besonders undankbar ein, denn wie ein Mitspieler im Ajumako-Team mir mitteilte, wird vom Schiedsrichter eine faire Spielleitung erwartet, wobei er gleichzeitig nicht ausser Acht lassen darf welche Mannschaft Heimrecht hat, denn das muss ja entsprechend beruecksichtigt werden. Die Mannschaft gestalteten meine Aufgabe sehr einfach, so dass ich weder Ausschreitungen noch Fanproteste in irgendeiner Weise heraufbeschwor. Trotz grossem Einsatzes konnten Bugs und Enrico die knappe 1-0 Niederlage der Lehrmannschaft nicht verhindern, besonders bitter war, dass das Gegentor in der Nachspielzeit nur zwei Minuten vor Abpfiff fiel. Auf Draengen beider Mannschaft hin, fand noch ein abschliessendes Elfmeterschiessen statt, obwohl beide Mannschaften sich bewusst waren, dass es absolut gegenstandslos war.
Am spaeten Nachmittag erhielt ich eine Postkarte aus New York, was mich sehr freute, da ich doch erst vor kurzem einen Brief aus Denver erhalten hatte und nicht damit gerechnet hatte so schnell hintereinander Post zu bekommen, an dieser Stelle folglich eine kleine Danksagung an dich Larissa, ich freu mich immer von dir zu hoeren.
Nach dem Abendessen setzten wir uns zu dritt zusammen und planten bei Kerzenschein und Kuschelrockmusik die vorlaeufige Route fuer unsere Westafrikareise im Dezember. Basierend auf diesem ersten Plan werden wir naehere Informationen zu Unterkuenften, Nationalparks und anderen Sehenswuerdigkeiten sammeln und daraufhin die Details unserer Reise ausarbeiten. Warum planten wir bei Kerzenschein und Kuschelrockmusik, ganz einfach wir hatten mal wieder einen laengeren Stromausfall, wie auch schon vor dem Abendessen, so dass Kerzen unsere Lichtquellen waren, das bei einer solchen Atmosphaere die passende Musik, naemlich Kuschelrock, nicht fehlen darf ist doch ganz klar. Ob es angeregt durch die Musik, die Kerzen oder die gesamte Atmosphaere war weiss ich nicht, aber nach und nach verebbte unser Gespraech und unsere Gedanken schweiften ab, Bugs, der fast schon am Schlafen war, zog sich recht bald in sein Bett zurueck, waehrend Enrico und ich unseren Gedanken nachhingen und auf die Woche zurueckblickten. Insgesamt habe ich hier wie noch nie zuvor die Ruhe, Zeit, und vor allem genuegend Gelassenheit und Entspannung meine Gedanken zu fokussieren, Ideen zu fassen, festzuhalten und zu verfeinern daraus Plaene zu formen und mich mit deren Umsetzung zu befassen.

Dienstag, 10. November 2009

Da ich familiaere Klagen bezueglich der unertraeglichen Laenge meiner Eintraege bekommen hatte (gell Katharina), verzichtete ich in den letzten Wochen auf die kulturellen Eigenheiten/ Besonderheiten zu Beginn meiner Berichte. Nun also mal wieder ein solcher Einschub: Ghanaer zeigen zwar in manchen Bereichen des oeffentlichen Lebens grosse Zurueckhaltung (bspw. beim Kuessen, zeigen von Intimitaet etc.), auf der anderen Seite jedoch zeigen sie eine Unverforenheit was oeffentliches Urinieren angeht, dass ich immer wieder erstaunt bin. Wie immer trifft das natuerlich nicht auf alle Ghanaer zu und man sollte keine voreiligen Schluesse ziehen, doch es ist eine ueberraschend grosse Anzahl. Selbst Ghanaer auf unserem Gesdi-Gelaende, auf welchem alle Wohnungen mit Toiletten ausgestattet sind, lassen es sich nicht nehmen, morgens trotzdem in den Abfluss oder das Gras vor dem Haus zu pinkeln. Auch unser Gastbruder Brian kann sich dieses Verhalten nicht erklaeren und teilt mein/ unser Unverstaendnis. Beim Thema des Urinieren angekommen, gibt es eine weitere erwaehnenswerte Eigenheit hier in Ghana, naemlich auch Frauen verrichten dies, wenn nicht auf der Toilette, sondern bspw. im Schatten hinter dem eigenen kleinen Laden, stehend. Wie die Ghanaerinnen dazu faehig sind, kann ich mir nicht erklaeren, aber es gibt auch Dinge, die Mann so genau nicht zu wissen braucht.

Sonntags beim Abendessen erfuhren wir einiges ueber die neuesten Entwicklungen in Accra was wie sooft fuer viel Lachen sorgte und unser Bild von Accra weiter zementierte.

Montagvormittag bereiteten wir die letzten Punkte des fuer Dienstag geplanten Kids Clubs vor, und verschafften uns danach einen Ueberblick ueber unsere finanzielle Projektlage und versuchten weitere Antraege und Abrechnungen fertig zu stellen, da bis Ende November/ Anfang Dezember alle Ausgaben des Jahres zur Pruefung vorliegen muessen. Nachmittags widmeten wir uns dann dem Sportprogramm der Junior High School und stellten dabei fest, dass die juengeren Grundschulkinder (Primary) in der letzten Woche unsere Vorgaben und Uebungen weitaus besser und professioneller umgesetzt hatten. Wie bisher ueblich teilten wir zwei Mannschaften ein, fuehrten das Training durch mit abschliessendem Spiel gegeneinander. Meinem Assistenztrainer (Bugs) und mir stand wieder einmal Enrico gegenueber, dem es allerdings wieder nicht gelang meine Siegesserie zu brechen, somit fuegte sich der 1-0 Triumph nahtlos in die vorangegangene Siegesreihe ein.

Dienstagvormittag fuehrte ich das erste von einer ganzen Reihe von anstrengenden Gespraechen mit meiner Krankenversicherung, welches kaum zur Klaerung meiner eigentlichen Fragen beitrug und mich im Endeffekt nur aufregte. Noch waehrend ich mit dem Gespraech oder der "Sie werden verbunden"-Musik beschaeftigt war, erreichte Enrico ein Anruf unseres Schuldirektors, der die Besichtigung einer Palmwein-Produktionsstaette organisiert hatte. Dementsprechend brachen wir sofort nach Beendigung meines Gespraechs auf. Diese Besichtigung hatte zur Folge, dass wir gezwungen waren das vereinbarte Mittagessen abzusagen, was unsere Gastmutter scheinbar verstimmte, weshalb wir nach Beendigung des im Anschluss an die Palmwein-Besichtigung stattfindenden Kids Clubs vorbeischauten, um uns zu entschuldigen und die aeusseren Umstaende zu schildern, dabei stellte sich heraus, dass wir uns ein wenig zu viel Gedanken gemacht hatten und die Situation nicht so angespannt war, wie gedacht. Die Besichtigung der "Palmwein-Fabrik" sah folgendermassen aus, wir wurden von einer Schuelerin, die zugleich Tochter des "Fabrikbetreibers" ist, 30 bis 45 Minuten durch den Busch zur Produktionsstaette gefuehrt. Dort werden die 20-25 Jahre alten Palmen gefaellt, ein Loch in den Stamm gebohrt und dieser dann angeschnitten, sodass die Fluessigkeit innerhalb des Stammes fliessen kann, der in Kanistern gesammelte Palmwein kann nach dem Abfiltern von Insekten, die gelegentlich in den Palmwein fallen, direkt getrunken werden. Der suesse Geschmack des frischen Palmweins vergeht recht zuegig mit der einsetzenden Gaerung, weshalb wir den jungen Palmwein bevorzugen. Der Palmwein selbst kann noch weiterverarbeitet werden naemlich durch Destillation zu hochprozentigem Akpeteshie, was auch dort vor Ort durchgefuehrt wird. Am Ende unserer Fuehrung waren wir stolze Besitzer einer frisch abgefuellten Flasche Palmwein und drei Tage spaeter kam auch noch eine 1,5 Liter Flasche Akpeteshie-Schnaps hinzu.

Mittwochvormittag verbrachten wir damit Hoelzer zu kaufen und per Pick-Up von einem Schreiner zum anderen zu transportieren, fuer noch mehr Aufsehen als sonst sorgten wir dadurch, dass wir auf der Ladeflaeche des Pick-Ups mitfuhren, da alle regulaeren Plaetze besetzt waren. Am Nachmittag schafften wir es endlich die letzte Hygiene-Einheit mit dem Youth Club in die Praxis umzusetzen, indem wir mit Muelltonne, Schubkarre, Macheten, Spaten und Besen bewaffnet im Dorf den Muell sammelten und teilweise den Abfluss freischaufelten. Dabei ging es insbesondere fuer mich bis an und ueber die Ekelgrenze, denn mit Enrico abwechselnd ein Gemisch aus Erde, Pflanzen, Abfaellen aller Art und Faekalien aus dem Abfluss zu schaufeln ueberstieg alle meine bisherigen Ekelschwellen. Am Ende unserer Reinigungs-Aktion kam ein Mann aus dem Dorf vorbei, den die Kinder mit den Worten "Hard-working man, come and help us!" herbeiriefen, er nahm sich ohne lange zu ueberlegen den Spaten, stellte sich mitten in den widerlichen Abfluss und fing unmittelbar an den Dreck rauszuschaufeln. Auf meine Nachfrage erklaerte mir ein Schueler, dass der Mann eben so sei, er komme manchmal auch einfach bei anderen Haeusern vorbei und schneide das Gras, ausserdem spreche der Mann aufgrund eines Aufenthalts in den USA fliessend Englisch, waehrend dieses Aufenthaltes soll aber auch etwas an ihm vorgenommen worden sein, weshalb er nun so seltsam sei. Da wir schon recht viel gearbeitet hatten, die Schueler langsam nach Hause wollten und ich mich in der Situation mit dem "hard-working man" sehr unwohl fuehlte beschlossen Enrico und ich die Arbeit abzubrechen. Daraufhin wiesen die Kinder den Mann noch an sich jetzt zu waschen und schickten ihn los dies zu tun. Was mich in dieser aber auch in anderen Situationen immer wieder verbluefft ist wie teilweise scheinbar gleichgueltig und ohne die angemessene Nachsicht mit den schwachen, behinderten oder verwirrten Menschen umgegangen wird; was im krassen Gegensatz zu so vielen anderen Situationen steht, in denen ich ueberwaeltigt bin von der Hilfsbereitschaft, Fuersorge und Ruecksichtnahme nicht nur uns gegenueber, sondern vor allem unter den Ghanaern. Ich kann die Diskrepanz im Verhalten in den einzelnen Situation nicht nachvollziehen, moeglicherweise sind es einfach charakterliche Unterschiede der betreffenden Personen.

Donnerstags war es dann so weit, das erste Treffen mit unserer neuen Mentorin. In diesem Rahmen erfuhren wir, dass Projektgeldantraege und dergleichen doch anders gehandhabt werden als wir dachten und wir uns bisher ueberfluessige Arbeit gemacht haben. Abschliessend hatte ich noch die Gelegenheit Fragen zur Versicherung und meinem Knie zu stellen, wodurch ich einiges mehr an Durchblick erlangte als durch die vorhergegangenen anstrengenden Telefonate mit der Versicherung.

Freitag stellten wir zu unserer Ernuechterung fest, dass wir nicht mehr die einzigen Weissen in Ajumako waren. Zwei weitere deutsche jungendliche Frauen werden fuer voraussichtlich sechs Monate als Freiwillige der UNO in Ajumako wohnen und in den umliegenden Doerfern im Projekt "Hope For Future Generations" arbeiten. Durch das uns drei Maennern entgegengebrachte Verhalten wurde keine Grundlage fuer Beziehungen auch nur irgendeiner Art geschaffen, und so verhalf uns allein der hochprozentige Schnaps zu einem angenehmen Abend.

Fuer Samstag hatten wir mit Jethrow, einem Lehrer unserer Schule in Ankukrom, eine Fuehrung durch seinen Heimatort Saltpond vereinbart. Saltpond ist eine kleine Fischerstadt, deutlich groesser als Ajumako, auf dem Weg von Mankessim nach Cape Coast gelegen. Neben dem wunderschoenen Strand, beeindruckten mich vor allem die unmittelbar am Strand aus Palmstaemmen und Palmwedeln gebauten Fischerhuetten. Der Anblick einer Betonbaustelle fuer ein wie ich vermute "regulaeres Haus" in der gleichen Siedlung war fuer mich sehr befremdlich, da ein Betonhaus meiner Meinung nach in dieser Fischersiedlung aufgrund der herrschenden oekologischen Bedingungen weder sinnvoll noch in irgendeiner Weise aesthetisch waere. Ein bei aller Schoenheit nicht zu vernachlaessigender deutlicher Nachteil der Palmhuetten ist jedoch das fehlende Toiletten- und Kanalisationssystem, was unweigerlich dazu fuehrt, dass die frei zugaenglichen Straende (Beach Resorts wie Anomabo natuerlich nicht) als oeffentliche Toiletten genutzt werden, dementsprechend sah ich bei dieser Gelegenheit mehrer Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die sich im Sand erleichterten.
Jethrow, der selbst seit Jahren nicht in dieser Gegend seines Heimatortes gewesen war, nutzte die sich ihm bietende Moeglichkeit um nach einem alten Grundschulfreund zu fragen, den er bereits 20 Jahre nicht gesehen hatte. Die Ueberraschung und Freude war seinem ehemaligen Schulkameraden deutlich anzusehen, auch wenn unser Aufenthalt nur sehr kurz war. Im Anschluss an das hervorragende von Jethrows Mutter und einer Freundin der Familie zubereitetem Mittagessen, ging es fuer uns drei weiter nach Cape Coast um zum ersten Mal seit Langem wieder einmal in den Genuss einer schnellen, unproblematischen Internetverbindung zu kommen.

Den Samstagabend und die Nacht verbrachten wir bei zwei Freiwilligen in Asikuma (Hannah und Larissa), Hannah hatte sich bei unserer Ankunft bereits zum Schlafen zurueckgezogen, so dass Larissa ganz allein mit uns dreien fertig werden musste. Der von uns mitgebrachte Akpeteshie leistete auch hier gute Dienste und so legten wir uns alle gut gelaunte um ca. ein Uhr schlafen, nur um vier einhalb Stunden spaeter eher unsanft geweckt zu werden, indem eine Tuete Wasser ueber uns ausgeschuettet wurde, denn unsere Gastgeber wollten sehr frueh aufbrechen um frueh im Kakum-Nationalpark zu sein.

Das morgendliche Wasser tat der Stimmung auch keinen Abbruch und so trennten wir uns an der Trotro-Station, denn wir wollten nicht in den Kakum-Park, sondern wieder in die Eastern Region zum laut Reisefuehrer und ghanaischem Tourismusministerium groessten Baum Westafrikas. Dort angekommen mussten wir nur ein kleines Hindernis ueberwinden und dann sahen wir den Baum, zu dessen Fuessen sich eine kleine Opfergabenstaette fuer die Anhaenger der traditionellen Religion befindet, in voller Groesse. Die vorgeschriebene, beste, moeglicherweise auch einfach nur beliebteste ( oder vielleicht alles in einem) Opfergabe scheint Akpeteshie zu sein, denn davon lagen einige leere Flaschen (das Darbringen des Opfers besteht unter anderem im verschuetten des Schnaps) im Schrein zwischen den Wurzeln des Giganten. Nach Besichtigung des Baums kehrten wir unverzueglich nach Ajumako zurueck um dort noch moeglichst viel zu entspannen und uns noch ein wenig von der vorangegangenen kurzen Nacht zu erholen.

Donnerstag, 5. November 2009

Freitagnachmittag machten wir uns nach der Computerunterrichtseinheit fuer die Grundschullehrer zu dritt auf den Weg nach Mankessim, wo wir wie mit Inken zusammentrafen, die es sich zutraute ein ganzes Wochenende mit uns zu verbringen. Der nicht einmal annaehernd ausgearbeitete "Plan" sah vor, von Mankessim nach Koforidua in die Eastern Region zu reisen, dort zu uebernachten und am naechsten Tag von Koforidua nach Anyiam zu gelangen, welches in der Naehe von Adasawase liegt, wo wiederum sich das eigentliche Ziel unserer Expedition der Tini-Wasserfall befand.

Klingt das in der Theorie doch recht einfach und unkompliziert mussten wir bereits in Mankessim feststellen, dass wir uns getaeuscht hatten und moeglicherweise den Details mehr Aufmerksamkeit haetten schenken sollen, denn entgegen unserer von Emmanual erhaltenen Information, fuhr kein direktes Trotro nach Koforidua. Nun hatten wir die Wahl nach Oda zu fahren und von dort aus nach Koforidua zu gelangen oder ueber die geliebte Hauptstadt Accra dorthin zu reisen, da wir vermuteten, dass der Weg nach Oda ueber viele kleine Doerfer mehr Zeit beanspruchen wuerde als der ueber Accra entschieden wir uns fuer die Accra-Route. Bei unserer Entscheidung unterschaetzten wir, trotz besseren Wissens, die auf uns zukommenden Wartezeiten durch Stau im Stadtverkehr.
Erst einmal am Kaneshie-Markt angelangt irrten wir auf der Suche nach der Koforidua-Station umher, um dann zu erfahren, dass der Trotro-Mate und nicht der Trotro-Fahrer (Besatzung eines Trotros besteht im Normalfall aus Mate und Fahrer, wobei der Mate das Geld einsammelt und die Fahrgaeste ein- und aussteigen laesst) recht hatte und wir zur Circle-Station mussten. Dort angekommen schlug ich zielsicher den richtigen Weg zur naechsten, aber falschen Trotro-Station ein, an der wir auf die Frage nach dem Koforidua-Trotro zu hoeren bekamen: "Oh, you've lost!" Fuer Sekunden befuerchteten wir das Schlimmste, naemlich, dass das letzte Trotro gerade abgefahren sei, und waren dementsprechend erleichtert, als der Herr seiner ersten Aussage die Wegbeschreibung zur richtigen Station folgen liess. Endlich im richtigen Trotro sitzend, dauerte es auch noch ein wenig bis auch der letzte Fahrgast zugestiegen war und es ging los. Fuer einen guten Teil der Strecke hatte ich das Gefuehl wir haetten Accra noch immer nicht verlassen, was zum einen daran lag, dass der Trotro-Fahrer einmal kehrt machte und wir einen Teil der Strecke zurueckfuhren um einen anderen Weg einzuschlagen, und zum anderen daran, dass Accra meinem Empfinden nach nahezu fliessend in die naechste Stadt Achimota uebergeht.
Als wir nach Stunden des Trotro-Fahrens endlich unser Tagesziel Koforidua erreichten, war es bereits sehr spaet und wir hofften so schnell wie moeglich das von uns waehrend der Trotro-Fahrt ausgesuchte Hotel zu finden. Mit der freundlichen Hilfe eines Ghanaers bekamen wir auch sofort ein Taxi, das uns fuer einen angemessenen und fairen Preis zum Hotel bringen wuerde.

Zu unserer Ernuechterung mussten wir allerdings feststellen, dass es bereits ausgebucht war. Spaetestens zu diesem Zeitpunkt offenbarten sich eklatante Schwaechen in unserem "Plan" fuer das Wochenende. Unser gutmuetiger Taxifahrer (Osei-Bonsu) schlug weitere Hotels in der gleichen Preisklasse vor und so klapperten wir eines nach dem anderen ab, nur um jedes Mal zu erfahren, dass kein Zimmer mehr frei sei. Unsere wachsende Frustration und die ersten Anfluege von Sorge erkennend bot der Osei-Bonsu fast schon beilaeufig an, dass wir bei ihm uebernachten koennten, auch wenn das Zimmer keinen Strom habe. Ob er den Vorschlag wirklich ernst meinte weiss ich nicht, wir nahmen nach kurzer Ueberlegung an, denn die Aussichten noch ein Zimmer zu bekommen waren aufgrund einer in Koforidua stattfindenden Konferenz (diese Information erfuhren wir von unserem Taxifahrer) verschwindend gering. Aus seiner Reaktion weiteren Versuchen ein freies Hotel zu finden, schloss ich, dass sein aller Wahrscheinlichkeit nach aus Mitleid motiviertes Angebot der Uebernachtungsgelegenheit nicht wirklich durchdacht, ein wenig vorschnell geaeussert und wahrscheinlich auch nicht vollkommen ernst gemeint war. Doch er stand zu seinem Wort und ging noch weit darueber hinaus, denn neben dem Zimmer ohne Strom, in dem nur Enrico und ich schliefen, obwohl wir dort zu viert haetten schlafen koennen, weckte er fuer Bugs und Inken sogar seine Ehefrau auf und raeumte kurzer Hand sein Ehebett. Zu sagen wir waren peinlich beruehrt waere eine gelinde Untertreibung, keine Situation hier in Ghana war bisher auch nur ansatzweise so peinlich. Waehrend er das Zimmer herrichtete, bat er uns im Wohnzimmer platzzunehmen, ungeachtet seines schlafenden Sohnes, der auch noch aufwachte. Ueber dessen Gedankengaenge, mitten in der Nacht aufwachend und vier Weisse bei ihm Wohnzimmer sehend, kann ich nur spekulieren, aber ich hoffe er traegt keine Folgeschaeden davon.

Am naechsten Morgen begruesste uns Junior, der Enrico gleich mitnahm zu einer Erkundung des Gelaendes bei der Gelegenheit fragte er Enrico aus, ob wir noch eine Nacht blieben, wie lange wir in Koforidua blieben, ob wir noch einmal zurueckkaemen, wenn nicht am selben Tag vielleicht waehrend des verbleibenden Rests des Jahres. Enricos fruehmorgendlicher Ausflug dauerte laenger als gedacht, so dass ich zuerst alleine, spaeter mit Bugs und Inken im Wohnzimmer sass. Gluecklicherweise freute sich die Schwiegermutter darueber Weisse im Haus zu haben; ich war ueberrascht am Morgen so freudig zu begruesst werden, nachdem wir doch mitten in der Nacht angekommen waren und grosse Unannehmlichkeiten verursacht hatten. Kaum war Enrico zurueckgekehrt machte sich unser Gastgeber fertig um uns zur Trotro-Station zu fahren. Dort angekommen fragten wir ihn nach dem Preis fuer die verschiedenen Fahrten der letzten Nacht, woraufhin er erwiderte: "Whatever you feel, is right. But for the accommodation, that is free!" Ich vermute aufgrund seiner Ueberraschung und Freude, dass der von uns bezahlte Betrag fuer ihn unerwartet hoch war, aber das war das Minimum, schlieslich hatte er fuer die Uebernachtung keine Entschaedigung annehmen wollen. Nur eine Bitte stellte er, und zwar, dass wir ihm und seiner Familie mal einen Brief schrieben, weshalb er uns seine Adresse mitgab. Noch den gesamten Rest des Wochenendes kehrten meine Gedanken zu dieser bemerkenswerten Uebernachtung zurueck, die offene, herzliche, fast schon selbstlose Gastfreundschaft, die als Selbstverstaendlichkeit vermittelt wurde, sowie das unverschaemte Glueck im Unglueck gerade an jenen Taxifahrer zu geraten erstaunte mich wann immer ich daran dachte wie unvorbereitet und ungeplant wir an alles herangegangen waren.

Nach einiger Zeit kamen wir endlich in Adasawase an, fuer die geringe Gebuehr von drei Ghana Cedi stellte einer der Dorfaeltesten uns einen Jungen als Fuehrer zur Seite, der uns zum Wasserfall fuehren sollte. Und wie er das tat, die Fuehrung wurde durch das von unserem jungen Guide angeschlagene Tempo fast schon zum Gewaltmarsch, das ganze bei hoher Temperatur, sehr hoher Luftfeuchtigkeit und einem steigungsvollen steinigen Pfad. Der Weg und die auesseren Bedingungen waeren bereits genug gewesen um in Schweiss auszubrechen, die vorgelegte Geschwindigkeit jedoch verwandelte die Rinnsale fast schon in unsere persoenlichen Wasserfaelle. So marschierten wir zwei Kilometer stets begleitet vom bei Zeiten nahem oder fernen Rauschen des Flusses, der aus dem Wasserfall entspringt. Selbst waehrend unseres anspruchsvollen Wegs fiel mir die wieder auf, wie intensiv die Farben hier sind, das Gruen der Pflanzen, das leuchtende Gelb, Tuerkis, Orange oder Rot der Schmetterlinge.

Die Bezeichnung des Wasserfalls, der im Reisefuehrer als der zweitgroesste Wasserfall Ghanas gefuehrt wird und dort als ein 65 m Ungetuem bezeichnet wird, empfand ich persoenlich als unpassend, denn das Wort "Ungetuem" ruft bei mir Assoziation wie "schrecklich", "wild", "ungeheuerlich" hervor. Der Tini-Fall war vielmehr eine atemberaubende Schoenheit. Anders als bspw. bei den Niagara-Faellen hatte der Wasserfall nicht die reissenden gewaltigen Wassermassen; das wie in straehnen-fallende Wasser wurde sichtlich von der leichten Brise, die in der Lichtung herrschte und durch welche wir alle mit angenehm kuehlenden Wasserdunst bedeckt wurden, erfasst, verformt und teilweise davongetragen. Nachdem wir erst einmal alle Fotos gemacht hatten, nahm ich mir einen Moment um in vollkommener Stille, die Eindruecke auf mich wirken zu lassen, das Aufprallen des Wassers auf die Felsen, der Wasserdunst auf meiner Haut, die schlichte Schoenheit der Lichtung, in diesem Augenblick war jeglicher Stress und Hektik ganz weit weg, vergessen die chaotische Anreise, es zaehlte nur der unmittelbare Moment.

Zurueck im Dorf mussten wir noch einen kurzen Besuch beim Chief und den Aeltesten abstatten, die eigentlich sich vorbereiteten an einer Beerdigungsfeier teilzunehmen, uns aber vor unserer Abreise baten die Attraktion des Wasserfalls weiterzuempfehlen, wir versicherten unser Bestes zu tun und machten uns per Taxi auf den Weg nach Anyiam. Da wir Accra vermeiden wollten, kehrten wir nicht einmal nach Koforidua zurueck, sondern nahmen von Anyiam ein Trotro, welches nach Accra fuhr, stiegen aber in Suhum aus, von Suhum ging es per Trotro nach Asawakese, von dort aus in einem anderen Trotro nach Swedru, wo wir uns letztendlich von Inken trennten, die ein Trotro direkt nach Cape Coast nahm, waehrend wir ins Ajumako-Trotro einstiegen. Im Nachhinein laesst sich sagen, dass zumindest fuer die Rueckfahrt aufgrund der frueheren Tageszeit, der Weg ueber Accra aller Wahrscheinlichkeit nach schneller und unkomplizierter gewesen waere, aber mit Sicherheit kann man das nicht sagen, denn Accra ist immer fuer eine Ueberraschung gut.

Abschliessend kann ich sagen, dass es ein unvergleichliches Erlebnis war, die herzliche Gastfreundschaft Osei-Bonsus, sowie die ueberwaeltigende Schoenheit des Wasserfalls alleine waren die Reise wert gewesen, nicht vergessen darf ich die fabelhafte Inken, die gutmuetig sowohl unsere fehlende Koordination und Organisation, als auch unser nicht enden wollendes Dummgeschwaetz ertrug und immer wieder bewies, dass auch Frauen ironisch und schlagfertig sein koennen ;)

Freitag, 30. Oktober 2009

Die traditionelle Verlobungsfeier unserer Gastschwester Gloria fand samstags im Hause unsere Gastfamilie statt. Zu diesem Anlass waren im Haus grosse Vorbereitungen getroffen worden, Teile der Veranda und der Kueche waren neu gestrichen worden, es gab eine neue Couch-Garnitur, alle Familienbilder, die bisher fast schon ein wenig sorglos am Regal zu lehnen schienen, waren aufgehaengt worden, ausserdem waren die Wohnzimmervorhaenge/ -stangen allesamt durch neue ersetzt worden. Zusaetzlich zu den haeuslichen Vorbereitungen waren fuer die Feierlichkeiten zwei Zelte/ Pavillons aufgebaut worden, um allen Gaesten schattige Sitzplaetze zu ermoeglichen. Fuer 10.00 Uhr war der offizielle Beginn angesetzt, doch wie so oft begann die Veranstaltung spaeter als geplant (ca. 10.30 Uhr). Gluecklicherweise wurde der Bruder unserer Gastmutter uns als Uebersetzer abkommandiert, denn da es eine traditionelle Verlobung war, wurde kein Englisch, sonder ausschlieslich Fante gesprochen. Bereits beim Betreten des Wohnzimmers fiel uns auf, dass eine klare Zweiteilung vorherrschte, die sich gegenueber stehenden Sitzreihen wurde durch den in der Mitte des Zimmers stehenden Wohzimmertisch getrennt. Meine Vermutung, dass je eine Seite der Familie der zukuenftigen Braut und eine dem Ehemann in Spe zugeteilt war, bestaetigte unser als Uebersetzer fungierender Gastonkel. Die beiden ersten Reihen wurden jeweils von den Eltern, einem ausgewaehlten Zeugen (in unserem Fall ein Bruder unseres Gastvaters) und dem Master of Ceremony (MC) bekleidet. Der MC tritt als Sprecher der Familie auf und fuehrt durch die Zeremonie, die Familienoberhaeupte selbst sprechen nur wenige Worte. Zentrale Bedeutung der Zeremonie faellt dem Zusammenkommen der beiden Familien zu, welches von der Familie des Mannes dazu genutzt wird um Erlaubnis zu fragen, die Tochter des Hauses aus dem elterlichen Haus in die Ehe zu fuehren, die eigentlichen Hauptpersonen das verlobte Paar selbst wohnt nur einem sehr kleinen Teil der Zeremonie bei, da sie erst gen Ende aus gegenueberliegenden Eingaengen hereingeholt werden. Nach einer kurzen Einfuehrung begann mit Vorstellung und Begruessung der Familie durch die MC der zeremonielle Hauptteil, in welchem die Familie des Braeutigams diverse Gebuehren in Form von Geldbetraegen oder Geschenken, welche aufgrund ihrer Symbolik obligatorisch sind, an die Gastgeber entrichtet. Einhergehend mit jeder Gebuehr war eine umfangreiche Erklaerung des einen MC, sowie eine gleichermassen lange Rede des entgegennehmenden MC, der dadurch seine Akzeptanz und Zufriedenheit der entrichteten Gebuehr Ausdruck verleiht. Die Reihenfolge der Geschenke war klar strukturiert: Die "Knocking-Fee" (eine Flasche Mineralwasser) diente dazu, um Einlass zu bitten und die Stimmbaender fuer die kommenden Gespraeche geschmeidig zu halten. Als naechstes zahlte die Familie des Zukuenftigen eine "Acceptance-Fee", ein Geldbetrag um die Einwilligung der Eltern fuer die Ehe ihrer Tochter zu erzielen. Als drittes erhielt die Familie der zukuenftigen Ehefrau eine Bibel, als Zeichen des gemeinsamen Glaubens, diese wurde jedoch im spaeteren Verlauf an das zu vermaehlende Paar ueberreicht um als Handbuch fuer eine gute Ehe zu dienen. Nach der Uebergabe des Verlobungsring, fuhr die Familie des Mannes fort, sich mit Geschenk bei den Eltern der Braut fuer die geleistete Erziehungs-"Arbeit" der baldigen Schwiegertochter zu bedanken. Des Weiteren erhielt auch der Bruder der Braut einen Geldumschlag als Anerkennung, fuer sein achtsames Wachen ueber seine Schwester und dafuer, dass er sie nun ziehen liess. Das letzte Geschenk stellte einen Korb fuer die Braut dar, in jenem Korb waren verschiedene Utensilien, die jede Braut fuer eine erfolgreiche Ehe haben sollte. Fuer grosses Gelaechter sorgte vor allem die symbolische Sicherheitsnadel, damit die Frau sich niemals beschweren kann, der Mann gebe ihr nichts, nicht einmal eine Sicherheitsnadel. Ein weiterer stimmungshebender Bestandteil des Korbs war die durchsichtige Unterwaesche fuer die Braut, die im Korb enthalten ist, weil eine Ehefrau keinerlei Scham haben sollte sich ihrem Mann nackt zu zeigen. Sobald der letzte Gegenstand des Korbs erklaert wurde, bat man den zukuenftigen Ehemann hinein, doch Teil der Zeremonie ist es, dass dieser nicht sofort erscheint, sondern erst die "Bodyguards", Brueder und enge Freunde des Mannes, die ueberpruefen, ob die Lage sicher ist und keine Gefahren, in Gestalt von bissigen Hunden im oder um das Haus herum lauern, begleitet wird das Prozedere vom gemeinsamen Gesang der versammelten Familien und Freunde. Nachdem der Braeutigam schlieslich das Haus betreten hatte, wurde nun nach der Braut gerufen, doch an ihrer Stelle erschienen die "Brautjungfern", die berichteten, dass die gewuenschte Dame durch Stau verhindert sei, daraufhin entrichtete die Familie des Braeutigams eine weitere Gebuehr um einen schnellen reibungslosen Transport zu gewaehrleisten. Sobald die von Gesaengen begleitete Frau eintraf, fand mit dem Anstecken des Verlobungsrings der eigentliche Akt der Verlobung statt. Anders als bei deutschen (europaeischen/westlichen) Hochzeiten folgte der Ringuebergabe kein Kuss, sondern nur eine Umarmung, denn, wie unsere Mentorin und unsere Vorgaenger uns erklaert hatten, ist es in Ghana eher unueblich sich in der Oeffentlichkeit intim zu zeigen oder zu kuessen. Der Ringuebergabe folgte eine Belehrung ueber die Bedeutung der Ehe, die zu tragenden Verantwortungen und das Ueberreichen der Bibel als Handbuch. Teil der Belehrung war die Zuordnung von Begriffen zu den einzelnen Buchstaben der Worte "Husband" und "Wife", bspw. "h"=honest [...] "b"=bold, "w"=wise, "i"=intelligent, "f"=faithful, "e"=economical etc. Zum Abschluss der Zeremonie sprachen "Ehe-Veteranen" von ihren Erfahrungen und gaben Tipps an das junge Paar, dem vorausgegangen war die Zuteilung von Ansprechpartnern fuer die Frischvermaehlten, sollte es doch einmal Schwierigkeiten geben. Mit dem Ende der Zeremonie begann der zuegige Aufbruch der Braeutigamsfamilie, waehrend die Familie und Freunde der Braut noch blieben und gemeinsam assen.

Bugs hatte sich entschieden den Samstagabend bei Freiwilligen in Asikum zu verbringen, unter anderem auch um einen kritischen Fall von vernachlaessigten Dreads zu behandeln. Bei seiner sonntaeglichen Rueckkehr stellte er fest, dass wir unseren Plan, die ganze Wohnung zu putzen, bereits erfolgreich durchgefuehrt hatten. Zudem konnte er das neueste Ergebnisse meiner nicht enden wollenden ungluecklicher Verletzungen bestaunen, ich hatte mir beim Bau eines Bambusmuelleimers mit der Machete auf die Hand geschlagen. Bevor Ihr Euch unnoetig Sorgen macht, gleich die Entwarnung es war keine ernste Verletzung, ob ich was daraus gelernt habe bleibt abzuwarten ;) Fuer wirkliche Hoehepunkte sorgte Bugs, der uns mit sehr witzigen Geschichten erheiterte. Am Nachmittag stand dann das Nordwest-Derby der englischen Premierleague zwischen Liverpool und Manchester United an, welches wir ganz gemuetlich im wieder normal moebelierten Wohnzimmer unserer Gastfamilie schauten, dies wurde durch die vor kurzem installierte Satellitenschuessel und die damit einhergehende riesige Programmvielfalt ermoeglicht. Als Liverpool-Fan fand ich mich in "feindlichem" Gebiet wieder, denn sowohl unser Gastbruder Brian, als auch unsere Gastschwester Florence offenbarten sich als ManU Anhaenger. Nichtsdestotrotz herrschte natuerlich eine entspannte Atmosphaere, und ich konnte den umkaempften, aber letztendlich verdienten 2-0 Sieg meiner Reds geniessen.

Montagmorgen/vormittag begleiteten wir Enrico zu seiner Aufsichtspflicht und trafen letzte Vorbereitungen fuer das Nachmittagssportprogramm mit den Grundschulkindern. Auf dem Weg zum Mittagessen erreichte mich ein unerwarteter Anruf unserer NGO, welche auf unsere Bitte hin eine Schule gefunden hatte, an der wir uns auch engagieren koennte. Wir einigten uns am folgenden Morgen mit einem NGO-Mitarbeiter die Schule zu besichtigen. Am Nachmittag trugen wir ein Fussballspiel aus, Enrico als Trainer der einen und ich als Trainer der anderen Mannschaft. Nach separaten Trainigseinheiten mit Passspiel-, Torschuss- und Zweikampfuebungen, liessen wir unsere Mannschaften gegeneinander antreten. Das Spiel zelebrierten zur grossen Freude der Kinder wie ein offizielles Finale, mit parallelem Einlaufen der Mannschaften, gemeinsamen Aufstellen, Begruessung der anderen Mannschaft durch Handschlag, und natuerlich dem Mannschaftsfoto. Bugs engagierte sich als Fotograf, Kameramann und Journalist in Personalunion, der vor Spielbeginn auch ein Interview mit mir fuehrte. Meine Mannschaft zeigte grosses Potential, insbesondere im Mittelfeld imponierten sie durch gekonntes Kombinationsspiel. Die 1-0 Fuehrung meiner Mannschaft war dennoch ein wenig gluecklich und wurde durch eine taktische Glanzleistung meines Trainerkollegen, der seine Innenverteidiger in den Sturm beorderte und so den Ausgleich erzwang, egalisiert. So kam es zu einem hochdramatischen Elfmeterschiessen, in welchem wir beide als Trainer Fehler beim Nominieren der Schuetzen machten, was unsere Schuetzlinge uns auch lautstark und unverbluemt vorhielten. Nachdem die ersten fuenf Schuetzen keine Entscheidung hervorgebracht hatten, musste im Sudden Death entschieden werden wer als Sieger das Feld verlaesst. Meine letzte Wahl erwies sich als richtige Entscheidung und als der Ball die Torlinie passierte brach sich die Spannung Bahnen. Meine Mannschaft und ich waren in absoluter Ekstase und feierten ausgelassen den Sieg. Ich gratulierte meinem Konkurrenten zu seiner guten, wenn auch im Endeffekt ertraglosen, Arbeit und hob gegenueber meinen Spielern noch einmal hervor wie stolz ich auf die gezeigte Leistung war. In Retrospektive kann ich nicht sagen, wer an diesem Nachmittag mehr Spass hatte unsere Kinder oder wir als Trainer und Reporter. Danach schauten wir uns auf dem Markt in Ajumako (immer nur Montags) nach Stoffen um, die wir am naechsten Tag zu einem Schneider brachten um uns typisch ghanaische Gewaender schneidern zu lassen. Zwar nannte ich dem Schneider meinen tatsaechlichen Namen, er fand aber, dass ich Paul Scholes (Fussballspieler von Manchester United) aehnlich saehe und nannte mich folglich Paul Scholes.

Dienstagmorgen machten wir uns also auf den Weg zum Buero unserer NGO. Dort trafen wir die Sekraeterin an, welche uns zur betreffenden Schule begleitete. Die Schule praesentierte sich auf den ersten Blick in ordentlichem und geordneten Zustand. Ungluecklicherweise vermittelte die Sekraeterin dem Direktor der Schule bei unserem Besuch das Gefuehl, dass wir Freiwilligen uns bereits entschieden haetten uns dort zu engagieren. Da dies jedoch nicht der Fall war, mussten wir die durch die unbedachten Aeusserungen aufgebauten Hoffnungen stark relativieren und machten deutlich, dass wir mehrere Schulen besichtigen wollen und diejenige auswaehlen, die unsere Hilfe am dringendsten braucht und an der wir gleichzeitige unsere eigentlichen Aufgaben als Freiwilligen am besten umsetzen koennen. Die Ernuechterung war dem Direktor deutlich im Gesicht abzulesen, denn er hatte aufgrund der Aussagen der NGO unser Engagement als fix betrachtet. Fuer mich persoenlich muss ich sagen, dass ich wohl ein wenig naiv in das Gespraech gegangen bin, da ich mir der doch weitreichenden Konsequenzen unseres blossen Erscheinens nicht in vollem Umfang bewusst gewesen war und die mangelhafte Kommunikation mit der NGO unsere eigentliche Agenda zusaetzlich, unnoetig erschwerte. Die Freude und Erwartungen, die wir zwar nicht weckten, aber allein durch unser Kommen ausloesten, zu enttaeuschen war fuer mich eine sehr bittere Erfahrung. Die Bitterkeit des Vormittags war jedoch schnell verflogen, als wir unsere Nachmittagseinheit mit dem Kids Club durchfuehrten. Die zeitintensive Vorbereitung, bei der wir durch die Schulbesichtigung ein wenig unter Druck gerieten, zahlte sich voll aus. Die Bio-Rallye bereitete den Kindern viel Spass und wir erfreuten uns an der lebhaften Teilnahme, ein Zweierpaar bspw. versuchte mit viel Enthusiasmus einen Schmetterling zu fangen, um die dazu gestellten Fragen genau zu beantworten. Am Abend feierten wir Maenner mit Emmanual zusammen unser dreimonatiges (27.7.-27.10.) bei Club (ghanaisches Bier) und Smirnoff Ice dabei liessen wir uns natuerlich die Gelegenheit nicht entgehen und schickten unser am 28.10. scheidenden Mentorin eine witzige Abschiedsmitteilung, die ebenso witzig beantwortet wurde und uns noch Tage spaeter zum Grinsen brachte.

Mittwochvormittag nutzen wir unsere Aufsichtspflicht in der Schule um eine intensive Auswertung des Kids Clubs des Vortags vorzunehmen. Anschliessend selektierten wir jene, die beim naechsten Mal leider nicht dabei sein werden und durch andere Schueler, die durch bestaendige Anwesenheit und gute schulische Leistung sich hervorgetan haben, ersetzt werden. Ausserdem einigten wir uns auf die Grundzuege der naechsten Kids Club-Einheit, sowie die genauer zu beachtenden Schueler und Schuelerinnen. Am Nachmittag stellten wir fest, dass der Computer nicht funktionierte, wodurch unser Computertraining fuer die Grundschullehrer nur anhand des Laptops durchgefuehrt werden konnte. Warum der Computer nicht funktionierte liess sich nicht mit Sicherheit sagen, wir vermuteten, dass die Kabel fehlerhaft waren, konnten das aber nicht ueberpruefen. Selbst der von uns gekaufte Stromspannungsstabilisator konnte nicht helfen, und ueber dessen tatsaechliche Funktionalitaet blieben wir auch im Unklaren.

Donnerstagmorgen nahm unser Gastvater, der wenige Tage vor der Verlobung von seinem zweimonatigen Aufenthalt in den Niederlande zurueckgekehrt war, uns mit zum GES (Ghana Education Service) Buero, da wir ihm gegenueber unseren Plan bzgl. der zweiten Schule erwaehnt hatten und er als ehemaliger Direktor des Bueros noch immer sehr gute Beziehung im Distrikt unterhaelt. Das Buero hatte auch bereits eine Schule in Abowinum ausgesucht und einer der Offiziellen begleitete uns dorthin um mit uns die Oertlichkeiten zu besichtigen. Da wir dieses Mal von Anfang deutlich kommunizierten, dass wir uns lediglich einen Ueberblick verschaffen wollen und der Offizielle das auch fuer uns noch einmal zusaetzlich verdeutlichte, konnten wir unangenehme Missverstaendnisse vermeiden. Die Schule, die nur Kindergarten und Grundschule umfasst, existiert erst seit relativ kurzer Zeit und der gesamte Komplex macht einen im Umbruch/Umbau befindlichen Eindruck. Insbesondere das Klassenzimmer der dritten Klasse konnte nicht wirklich als ein solches bezeichnet werden, denn bis auf eine Wand mit Tafel und einer Ueberdachung fehlten alle sonstigen Merkmale fuer einen Raum oder Gebaeudeteil. Wir versuchten, wie auch bei der Schule in Essiam, moeglichst viele Eindruecke zu sammeln und durch Fragen an die Direktorin auch weniger offensichtliche Aspekte zu erfahren. Im Anschluss daran setzten wir uns zu Hause noch daran die buerokratischen Obligationen zu bearbeiten. Da der Youth Club aufgrund zu schlechten Wetters nicht wie geplant stattfinden konnte, bereiteten Enrico, Bugs und ich die naechste Kids Club-Einheit vor, denn diese benoetigte einiges an Vorbereitung von unserer Seite. Ein positives Randereignis war Franks Besuch in Ajumako, den wir seit der MJRP zu der wir ihn noch per Handy bestellten nicht mehr gesehen hatten. Am Abend sassen wir nach dem Abendessen noch zusammen und diskutierten die Vor-und Nachteile der beiden zur Auswahl stehenden Schulen. Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, da diverse Punkte in Betracht gezogen werden mussten und beide Schulen ihre Reize und Herausforderungen hatten. Insgesamt zog sich das Gespraech fast ueber zwei Stunden und brachte am Ende die einstimmige Entscheidung pro Abowinum hervor. Das letzte Wort hat jedoch unsere neue Mentorin, die wir erst in der kommenden Woche persoenlich kennen lernen werden, wir sind aber sehr zuversichtlich, dass unser Plan so genehmigt wird.

Montag, 26. Oktober 2009

Vergangenen Samstag war es nun endlich so weit die lang erwartete Michael Jackson Revival Party fand statt. Den Samstagvormittag verbrachten wir mit Vorbereitungen, Sport und Rausputzen fuer die Party. Zu meiner grossen Ueberraschung und Freude stellte ich fest, dass ohne erkennbaren Grund unsere Dusche auf einmal wieder druckvoll fliessendes Wasser hatte, so dass ich das erste Mal seit Wochen die Dusche wieder so richtig geniessen konnte. Am spaeten Nachmittag machten wir uns auf den Weg; Enrico, Emmanual undich kauften in Ajumako Akpeteshie, die Cola in Mankessim, damit wir den Abend/die Nacht nicht trocken verbringen mussten und schon waren wir auf dem Weg nach Moree. An der Moree-Trotro-Station trafen wir weitere Partygaeste, die allerdings noch Getraenke einkaufen mussten, sodass wir als erste eintrafen, was aber auch notwendig war, schlieslich stellte ich die Musik, fuer welche ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei meinem Bruder bedanken moechte, der diese im Paket mitschickte. Nach und nach trafen immer mehr Partygaeste ein, aber trotzdem herrschte auf der Tanzflaeche abgesehen von Enrico, Emmanual und mir gaehnende Leere. Jedoch mit steigendem Pegel und einigen musikalischen Genrewechseln liessen sich mit der Zeit fast alle Gaeste mal auf der Tanzflaeche blicken, so dass die Party sehr lebendig wurde. Gegen fuenf Uhr morgens war es dann auch fuer mich mal an der Zeit zumindest noch fuer zwei Stunden zu schlafen, wobei es mir damit noch wesentlich besser erging als Enrico, denn der wurde bereits vor sieben Uhr zu den Klaengen der Backstreet Boys aus dem ohnehin schon kurzen und leichten Schlaf gerissen. Waehrend die meisten Partyteilnehmer nur sehr langsam aus den Betten kamen und sich gleich auf einen entspannenden Tag am Strand einstellten, traten Enrico, Emmanual und ich noch bevor alle aufgestanden waren den Heimweg nach Ajumako an.

Der Sonntag verlief nahezu ereignislos und wurde nur durch den schweren Kampf gegen die Muedigkeit zu einer echten Herausforderung. Zu hervorzuheben war lediglich, dass am spaeten Abend (ca. 19.30 Uhr ich lag aufgrund eines immensen Schlafdefizits schon im Bett) Emmanual vorbeischaute und wider erwarten, wie im letzten Eintrag bereits berichtet, Enricos MP3-Player vorbeibrachte, den er von Osei zurueckgeholt hatte. Enricos Ueberraschung und Freude wurde auch durch den Verlust der Kopfhoerer nur geringfuegig gemindert.

Montag war es dann so weit, frueh morgens ab mit dem Trotro innerhalb von ca. zwei einhalb Stunden nach Accra, beim haeufig zum Stehen kommenden Verkehr rund um Accra nicht die Geduld und Nerven verlieren, vom Kaneshie Markt das Trotro zum Circle, von dort das Trotro zum Military Hospital, nach einigen Minuten des Wartens die MRT-Bilder auf DVD, sowie einen schriftlichen Befund. Nun zurueck zum Kaneshie Markt, allerdings in einem durchgehenden Trotro direkt vom Military Hospital. Die Ajumako-Station finden, Ticket kaufen, ins Trotro setzen und warten. Die Fahrt zurueck nach Ajumako, Blick auf die Handy-Uhr noch rechtzeitig um das Nachmittagsprogramm mitzugestalten, ab ins Trotro nach Ankukrom in der Erwartung die Kollegen dort anzutreffen. Die ganze Zeit ueber vom Moment an dem ich aufgestanden war hatte ich die nagenden Gedanken im Kopf, was ist mit meinem Knie, was steht im Befund des Radiologen, muss ich operiert werden, ist vielleicht doch nur alles halb so schlimm. In Ankukrom stellte ich fest, dass meine Kollegen noch nicht erschienen waren, und war wieder mit meinen Gedanken allein. Ich hielt es irgendwann nicht mehr aus und oeffnete den Befund. Als medizinischer Laie konnte ich dem Text nur die wichtigsten Dinge entnehmen, und was ich las bereitete mir grosse Sorge. Der letzte Punkt des Befundes war eine Zusammenstellung der gewonnenen Eindruecke des Radiologen und bei Punkt 2 stand: anterior cruciate ligament tear. An-/Riss des vorderen Kreuzbands. Verschiedene Gedanken schossen mir durch den Kopf: Operation und Rehabilitation, aber wo, laesst die Versicherung mich hier in Ghana operiert werden oder muss ich nach Deutschland, sofort der Gedanke, dass ich hier nicht weg will, nicht jetzt, nicht fuer eine so lange Zeit wie es die Rehabilitation waere, ich widersetzte mich dem Gedanken immer und immer wieder, aber auf irgendeine Weise schlich er sich stets zurueck in mein Bewusstsein. Bis irgendwann die anderen kamen und Enrico den Befund fuer mich einmal positiv deutete, aber meine Zweifel blieben. Im Anschluss an die Sporteinheit mit den Schuelern der Junior High, suchte ich in Ajumako sofort das Internet-Cafe auf, um den schriftlichen Befund per Email an Deutschland zu uebermitteln.

Waehrend ich den gesamten Morgen und Vormittag mit meiner Reise nach und von Accra beschaeftigt war, schafften es die anderen wie vereinbart den Pick Up des Ghana Education Service zu bekommen, um in Mankessim 30 Kunststoffstuehle zu erwerben und diese nach Ankukrom zu transportieren, dass sie dabei zwischenzeitlich eine Stunde in Mankessim auf Fahrzeug und Fahrer warten mussten war im Hinblick auf das im Endeffekt Erreichte hinfaellig. Der Schuldirektor war sichtlich begeistert, bedankte sich viele Male und lobte unseren Einsatz, auch der Direktor des Education Bueros, so berichtete mir Enrico, pries unsere Arbeit und betonte, dass sein kleiner Beitrag (Bereitstellung des Fahrzeugs) eine Selbstverstaendlichkeit sei, unser Engagement aufgrund unseres Status als Freiwillige aber besonders hervorzuheben sei.

Dienstagvormittag hatten wir alle Haende voll zu tun um die Nachmittagseinheit im Kids Club vorzubereiten, denn fuer diese Woche hatten wir uns ueberlegt unserem uebergeordneten Ziel (Verbesserung der Englischkenntnisse) durch eine Art Stationenspiel naeher zu kommen. Wir unterteilten unsere 20 Teilnehmer in fuenf Gruppen a vier Personen, und jeder von uns vier Freiwilligen hatte zwei Stationsaufgaben, wurde eine bewaeltigt fuhr man bei der naechsten Station fort, teilweise wurden auch gleich beide Aufgaben einer Station hintereinander geloest. Nach Auswertung der geloesten Aufgaben unter Einbeziehung des Zeitfaktors ergab sich im Endeffekt das Gruppen-Tableau, welches die Jumping Frogs vor den Busy Monkeys anfuehrten. Die Arbeit mit den Kindern bereitet groesstenteils sehr viel Freude, auch wenn es sehr anstrengend ist, da staendig Unruhe herrscht, die meist von zuschauenden Kindern hineingetragen wird. Stark getruebt wurde meine ansonsten gute Laune natuerlich durch die Bedenken bzgl meines Knies, die durch eine Email aus Deutschland zusaetzlich verstaerkt wurden.
Bis am Abend, als ich mit Bugs und Enrico beim Bier in einer der zwei Bars in Ajumako sass, mich ein Anruf aus Deutschland erreichte, der mir Entwarnung gab, eine Operation sei nicht dringend notwendig, moeglicherweise ganz zu verhindern, bei erfolgreichem Muskelaufbau zur Stabilisation des Knies. Erleichtert teilte ich die guten Nachrichten mit den beiden und wir verbrachten noch einige Zeit redend und vor allem lachend in der Bar. Wieder zu Hause betrieben wir ein wenig Schabernack indem wir humorvolle Kurzmitteilungen an andere Freiwillige versendeten, wobei sich insbesondere Inken hervortat, die ebenso antwortete und somit fuer beste Laune bei uns dreien sorgte, sie konnte danach zwar nicht mehr schlafen, aber wenigstens war auch sie gut gelaunt.

Der fuer Mittwoch vereinbarte Termin beim Orthopaeden (natuerlich wieder in Accra) erschien mir zu diesem Zeitpunkt als reine Formalitaet, schlieslich war ich der Ueberzeugung die aus Deutschland erhaltenen Informationen nur noch einmal bestaetigt zu bekommen. Dem war aber nicht so, zusaetzlich zu den im MRT-Befund erwaehnten Verletzungen diagnostizierte der Arzt einen Meniskus-Schaden, der seiner Meinung nach auf jeden Fall operativ behandelt werden muss. Auf meine Nachfrage, wie lange ich die Operation hinauszoegern koennte ohne irreparable Schaeden zu riskieren, konnte er keine bestimmte Antwort geben, da dies vom bisherigen Grad der Verletzung, meinem Koerper und den kommenden Belastungen abhinge. Womit ich ein neues Tief auf meiner Gefuehlsachterbahn erreichte und alle Gedanken von Montag von neuem losbrachen. Nachdem ich meine Mentorin ueber den neusten Stand der Dinge unterrichtet hatte, schlug ich den Heimweg ein. Allerdings konnte ich dem Tag in Accra auch etwas Positives abgewinnen, zum einen konnte ich das dringend benoetigte neue Buegeleisen kaeuflich erwerben, zum anderen erstand ich eine Weltkarte fuer unser Wohnzimmer, denn eine solche hatten wir fast seit Anbeginn unserer Zeit gesucht. Waehrend ich erneut in Accra weilte, fuehrten Enrico und Bugs eine weitere Unterrichtseinheit am PC mit einem Teil des Kollegiums durch. Erneut sah sich Enrico mit Avancen einer Grundschullehrerin konfrontiert, die ihn mittlerweile sogar "Sweetheart" nennt, auch wenn er keinerlei Anlass dazu gibt.

Donnerstagvormittag verbrachten wir damit uns dem nicht unwesentlichen buerokratischem Aspekt unserer Arbeit zu widmen und trieben somit das Langzeitprojekt der Computerraumerweiterung ein wenig voran. Ausserdem besorgten wir Materialien fuer den Youth Club, welchen wir anschliessend vorbereiteten. Die Durchfuehrung der zweiten Hygiene-Einheit bestand darin, dass die Gruppen der letzten Woche die erarbeiteten Poster den jeweils anderen Gruppen vorstellen mussten. Den Abschluss bildeten wiederum Enrico und ich, indem wir das von uns Freiwilligen erarbeitete zusammenfassende Plakat praesentierten. Verstaendlicherweise beschaeftigte mich mein Knie weiterhin und so wirkte die Email eines befreundeten Arztes aus Deutschland mit seiner Einschaetzung, sowie weiterfuehrenden Fragen, beruhigend.

Insbesondere da am Freitag mich eine zweite Email erreichte, die ganz deutlich feststellte, dass ich mit der Operation bis zu meiner Rueckkehr warten kann und mein Jahr nicht unterbrechen muss. Wichtig ist nun vor allem die stark geschwaechte Muskulatur zu staerken um so das Knie zu stabilisieren und zu schuetzen.

Den Freitagmorgen arbeiteten wir weiter an verschiedenen Abrechnungen und Antraegen.
Am Nachmittag versuchten wir uns wieder als Lehrkraefte fuer Computergrundkenntnisse, was allerdings durch schwankende Stromstaerke, welche uns noch einmal die Notwendigkeit eines Stabilisators vor Augen fuehrte, nur maessig erfolgreich war. Ausserdem ueberreichte der Direktor uns einen Kostenvoranschlag des Schreiners fuer Tische, die im Kindergarten benoetigt werden. Da der Preis uns ein wenig hoch erschien, eroerterten wir mit dem Direktor die Details des Vorschlags und beschlossen daraufhin im Endeffekt als vorerst letzte Investition die Kosten fuer den Schreiner und den Stabilisator zu uebernehmen. Unserer endgueltigen Entscheidung, die wir dem Direktor aus unten genannten Gruenden noch nicht mitteilten, ging eine recht ausfuehrliche Diskussion voraus, da wir die Implikationen einer solch grossen Ausgabe abschaetzen mussten; zwar haben wir durchaus ausreichend Projektgeld zur Verfuegung bzw. koennen dieses beantragen, allerdings wollen wir uns nicht in die Geldgeberrolle draengen lassen. Gleichzeitig durften wir nicht ausser Acht lassen, dass wir mit dem Direktor bereits vor Wochen vereinbart hatten statt der Computerraumsicherung die Kosten fuer Schreiner und Kunststoffstuehle zu tragen.
Nach Arbeitsschluss entschlossen wir uns zu dritt zu joggen, so trabten wir teils nur von "Obroni"-Rufen, teils auch von Kindern begleitet um das Fussballfeld. Der zwangslaeufig folgende Muskelkater empfand ich als eine Erloesung, denn die Wochen ohne jegliche Form des sportlichen Laufens wurden durch die aerztliche Anweisung beendet und fuer diese Freude nahm ich den Muskelkater allzu billigend in Kauf.

Den gesamten Freitag, so wie teilweise auch schon am Donnerstag, herrschte im Hause unserer Gastfamilie geschaeftiges Treiben, denn fuer Samstag war die Verlobungsfeier unserer aeltesten Gastschwester Gloria geplant. Doch davon erst im naechsten Eintrag, sonst wird es wieder viel zu lang ;)