Dienstag, 10. November 2009

Da ich familiaere Klagen bezueglich der unertraeglichen Laenge meiner Eintraege bekommen hatte (gell Katharina), verzichtete ich in den letzten Wochen auf die kulturellen Eigenheiten/ Besonderheiten zu Beginn meiner Berichte. Nun also mal wieder ein solcher Einschub: Ghanaer zeigen zwar in manchen Bereichen des oeffentlichen Lebens grosse Zurueckhaltung (bspw. beim Kuessen, zeigen von Intimitaet etc.), auf der anderen Seite jedoch zeigen sie eine Unverforenheit was oeffentliches Urinieren angeht, dass ich immer wieder erstaunt bin. Wie immer trifft das natuerlich nicht auf alle Ghanaer zu und man sollte keine voreiligen Schluesse ziehen, doch es ist eine ueberraschend grosse Anzahl. Selbst Ghanaer auf unserem Gesdi-Gelaende, auf welchem alle Wohnungen mit Toiletten ausgestattet sind, lassen es sich nicht nehmen, morgens trotzdem in den Abfluss oder das Gras vor dem Haus zu pinkeln. Auch unser Gastbruder Brian kann sich dieses Verhalten nicht erklaeren und teilt mein/ unser Unverstaendnis. Beim Thema des Urinieren angekommen, gibt es eine weitere erwaehnenswerte Eigenheit hier in Ghana, naemlich auch Frauen verrichten dies, wenn nicht auf der Toilette, sondern bspw. im Schatten hinter dem eigenen kleinen Laden, stehend. Wie die Ghanaerinnen dazu faehig sind, kann ich mir nicht erklaeren, aber es gibt auch Dinge, die Mann so genau nicht zu wissen braucht.

Sonntags beim Abendessen erfuhren wir einiges ueber die neuesten Entwicklungen in Accra was wie sooft fuer viel Lachen sorgte und unser Bild von Accra weiter zementierte.

Montagvormittag bereiteten wir die letzten Punkte des fuer Dienstag geplanten Kids Clubs vor, und verschafften uns danach einen Ueberblick ueber unsere finanzielle Projektlage und versuchten weitere Antraege und Abrechnungen fertig zu stellen, da bis Ende November/ Anfang Dezember alle Ausgaben des Jahres zur Pruefung vorliegen muessen. Nachmittags widmeten wir uns dann dem Sportprogramm der Junior High School und stellten dabei fest, dass die juengeren Grundschulkinder (Primary) in der letzten Woche unsere Vorgaben und Uebungen weitaus besser und professioneller umgesetzt hatten. Wie bisher ueblich teilten wir zwei Mannschaften ein, fuehrten das Training durch mit abschliessendem Spiel gegeneinander. Meinem Assistenztrainer (Bugs) und mir stand wieder einmal Enrico gegenueber, dem es allerdings wieder nicht gelang meine Siegesserie zu brechen, somit fuegte sich der 1-0 Triumph nahtlos in die vorangegangene Siegesreihe ein.

Dienstagvormittag fuehrte ich das erste von einer ganzen Reihe von anstrengenden Gespraechen mit meiner Krankenversicherung, welches kaum zur Klaerung meiner eigentlichen Fragen beitrug und mich im Endeffekt nur aufregte. Noch waehrend ich mit dem Gespraech oder der "Sie werden verbunden"-Musik beschaeftigt war, erreichte Enrico ein Anruf unseres Schuldirektors, der die Besichtigung einer Palmwein-Produktionsstaette organisiert hatte. Dementsprechend brachen wir sofort nach Beendigung meines Gespraechs auf. Diese Besichtigung hatte zur Folge, dass wir gezwungen waren das vereinbarte Mittagessen abzusagen, was unsere Gastmutter scheinbar verstimmte, weshalb wir nach Beendigung des im Anschluss an die Palmwein-Besichtigung stattfindenden Kids Clubs vorbeischauten, um uns zu entschuldigen und die aeusseren Umstaende zu schildern, dabei stellte sich heraus, dass wir uns ein wenig zu viel Gedanken gemacht hatten und die Situation nicht so angespannt war, wie gedacht. Die Besichtigung der "Palmwein-Fabrik" sah folgendermassen aus, wir wurden von einer Schuelerin, die zugleich Tochter des "Fabrikbetreibers" ist, 30 bis 45 Minuten durch den Busch zur Produktionsstaette gefuehrt. Dort werden die 20-25 Jahre alten Palmen gefaellt, ein Loch in den Stamm gebohrt und dieser dann angeschnitten, sodass die Fluessigkeit innerhalb des Stammes fliessen kann, der in Kanistern gesammelte Palmwein kann nach dem Abfiltern von Insekten, die gelegentlich in den Palmwein fallen, direkt getrunken werden. Der suesse Geschmack des frischen Palmweins vergeht recht zuegig mit der einsetzenden Gaerung, weshalb wir den jungen Palmwein bevorzugen. Der Palmwein selbst kann noch weiterverarbeitet werden naemlich durch Destillation zu hochprozentigem Akpeteshie, was auch dort vor Ort durchgefuehrt wird. Am Ende unserer Fuehrung waren wir stolze Besitzer einer frisch abgefuellten Flasche Palmwein und drei Tage spaeter kam auch noch eine 1,5 Liter Flasche Akpeteshie-Schnaps hinzu.

Mittwochvormittag verbrachten wir damit Hoelzer zu kaufen und per Pick-Up von einem Schreiner zum anderen zu transportieren, fuer noch mehr Aufsehen als sonst sorgten wir dadurch, dass wir auf der Ladeflaeche des Pick-Ups mitfuhren, da alle regulaeren Plaetze besetzt waren. Am Nachmittag schafften wir es endlich die letzte Hygiene-Einheit mit dem Youth Club in die Praxis umzusetzen, indem wir mit Muelltonne, Schubkarre, Macheten, Spaten und Besen bewaffnet im Dorf den Muell sammelten und teilweise den Abfluss freischaufelten. Dabei ging es insbesondere fuer mich bis an und ueber die Ekelgrenze, denn mit Enrico abwechselnd ein Gemisch aus Erde, Pflanzen, Abfaellen aller Art und Faekalien aus dem Abfluss zu schaufeln ueberstieg alle meine bisherigen Ekelschwellen. Am Ende unserer Reinigungs-Aktion kam ein Mann aus dem Dorf vorbei, den die Kinder mit den Worten "Hard-working man, come and help us!" herbeiriefen, er nahm sich ohne lange zu ueberlegen den Spaten, stellte sich mitten in den widerlichen Abfluss und fing unmittelbar an den Dreck rauszuschaufeln. Auf meine Nachfrage erklaerte mir ein Schueler, dass der Mann eben so sei, er komme manchmal auch einfach bei anderen Haeusern vorbei und schneide das Gras, ausserdem spreche der Mann aufgrund eines Aufenthalts in den USA fliessend Englisch, waehrend dieses Aufenthaltes soll aber auch etwas an ihm vorgenommen worden sein, weshalb er nun so seltsam sei. Da wir schon recht viel gearbeitet hatten, die Schueler langsam nach Hause wollten und ich mich in der Situation mit dem "hard-working man" sehr unwohl fuehlte beschlossen Enrico und ich die Arbeit abzubrechen. Daraufhin wiesen die Kinder den Mann noch an sich jetzt zu waschen und schickten ihn los dies zu tun. Was mich in dieser aber auch in anderen Situationen immer wieder verbluefft ist wie teilweise scheinbar gleichgueltig und ohne die angemessene Nachsicht mit den schwachen, behinderten oder verwirrten Menschen umgegangen wird; was im krassen Gegensatz zu so vielen anderen Situationen steht, in denen ich ueberwaeltigt bin von der Hilfsbereitschaft, Fuersorge und Ruecksichtnahme nicht nur uns gegenueber, sondern vor allem unter den Ghanaern. Ich kann die Diskrepanz im Verhalten in den einzelnen Situation nicht nachvollziehen, moeglicherweise sind es einfach charakterliche Unterschiede der betreffenden Personen.

Donnerstags war es dann so weit, das erste Treffen mit unserer neuen Mentorin. In diesem Rahmen erfuhren wir, dass Projektgeldantraege und dergleichen doch anders gehandhabt werden als wir dachten und wir uns bisher ueberfluessige Arbeit gemacht haben. Abschliessend hatte ich noch die Gelegenheit Fragen zur Versicherung und meinem Knie zu stellen, wodurch ich einiges mehr an Durchblick erlangte als durch die vorhergegangenen anstrengenden Telefonate mit der Versicherung.

Freitag stellten wir zu unserer Ernuechterung fest, dass wir nicht mehr die einzigen Weissen in Ajumako waren. Zwei weitere deutsche jungendliche Frauen werden fuer voraussichtlich sechs Monate als Freiwillige der UNO in Ajumako wohnen und in den umliegenden Doerfern im Projekt "Hope For Future Generations" arbeiten. Durch das uns drei Maennern entgegengebrachte Verhalten wurde keine Grundlage fuer Beziehungen auch nur irgendeiner Art geschaffen, und so verhalf uns allein der hochprozentige Schnaps zu einem angenehmen Abend.

Fuer Samstag hatten wir mit Jethrow, einem Lehrer unserer Schule in Ankukrom, eine Fuehrung durch seinen Heimatort Saltpond vereinbart. Saltpond ist eine kleine Fischerstadt, deutlich groesser als Ajumako, auf dem Weg von Mankessim nach Cape Coast gelegen. Neben dem wunderschoenen Strand, beeindruckten mich vor allem die unmittelbar am Strand aus Palmstaemmen und Palmwedeln gebauten Fischerhuetten. Der Anblick einer Betonbaustelle fuer ein wie ich vermute "regulaeres Haus" in der gleichen Siedlung war fuer mich sehr befremdlich, da ein Betonhaus meiner Meinung nach in dieser Fischersiedlung aufgrund der herrschenden oekologischen Bedingungen weder sinnvoll noch in irgendeiner Weise aesthetisch waere. Ein bei aller Schoenheit nicht zu vernachlaessigender deutlicher Nachteil der Palmhuetten ist jedoch das fehlende Toiletten- und Kanalisationssystem, was unweigerlich dazu fuehrt, dass die frei zugaenglichen Straende (Beach Resorts wie Anomabo natuerlich nicht) als oeffentliche Toiletten genutzt werden, dementsprechend sah ich bei dieser Gelegenheit mehrer Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die sich im Sand erleichterten.
Jethrow, der selbst seit Jahren nicht in dieser Gegend seines Heimatortes gewesen war, nutzte die sich ihm bietende Moeglichkeit um nach einem alten Grundschulfreund zu fragen, den er bereits 20 Jahre nicht gesehen hatte. Die Ueberraschung und Freude war seinem ehemaligen Schulkameraden deutlich anzusehen, auch wenn unser Aufenthalt nur sehr kurz war. Im Anschluss an das hervorragende von Jethrows Mutter und einer Freundin der Familie zubereitetem Mittagessen, ging es fuer uns drei weiter nach Cape Coast um zum ersten Mal seit Langem wieder einmal in den Genuss einer schnellen, unproblematischen Internetverbindung zu kommen.

Den Samstagabend und die Nacht verbrachten wir bei zwei Freiwilligen in Asikuma (Hannah und Larissa), Hannah hatte sich bei unserer Ankunft bereits zum Schlafen zurueckgezogen, so dass Larissa ganz allein mit uns dreien fertig werden musste. Der von uns mitgebrachte Akpeteshie leistete auch hier gute Dienste und so legten wir uns alle gut gelaunte um ca. ein Uhr schlafen, nur um vier einhalb Stunden spaeter eher unsanft geweckt zu werden, indem eine Tuete Wasser ueber uns ausgeschuettet wurde, denn unsere Gastgeber wollten sehr frueh aufbrechen um frueh im Kakum-Nationalpark zu sein.

Das morgendliche Wasser tat der Stimmung auch keinen Abbruch und so trennten wir uns an der Trotro-Station, denn wir wollten nicht in den Kakum-Park, sondern wieder in die Eastern Region zum laut Reisefuehrer und ghanaischem Tourismusministerium groessten Baum Westafrikas. Dort angekommen mussten wir nur ein kleines Hindernis ueberwinden und dann sahen wir den Baum, zu dessen Fuessen sich eine kleine Opfergabenstaette fuer die Anhaenger der traditionellen Religion befindet, in voller Groesse. Die vorgeschriebene, beste, moeglicherweise auch einfach nur beliebteste ( oder vielleicht alles in einem) Opfergabe scheint Akpeteshie zu sein, denn davon lagen einige leere Flaschen (das Darbringen des Opfers besteht unter anderem im verschuetten des Schnaps) im Schrein zwischen den Wurzeln des Giganten. Nach Besichtigung des Baums kehrten wir unverzueglich nach Ajumako zurueck um dort noch moeglichst viel zu entspannen und uns noch ein wenig von der vorangegangenen kurzen Nacht zu erholen.

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