Donnerstag, 5. November 2009

Freitagnachmittag machten wir uns nach der Computerunterrichtseinheit fuer die Grundschullehrer zu dritt auf den Weg nach Mankessim, wo wir wie mit Inken zusammentrafen, die es sich zutraute ein ganzes Wochenende mit uns zu verbringen. Der nicht einmal annaehernd ausgearbeitete "Plan" sah vor, von Mankessim nach Koforidua in die Eastern Region zu reisen, dort zu uebernachten und am naechsten Tag von Koforidua nach Anyiam zu gelangen, welches in der Naehe von Adasawase liegt, wo wiederum sich das eigentliche Ziel unserer Expedition der Tini-Wasserfall befand.

Klingt das in der Theorie doch recht einfach und unkompliziert mussten wir bereits in Mankessim feststellen, dass wir uns getaeuscht hatten und moeglicherweise den Details mehr Aufmerksamkeit haetten schenken sollen, denn entgegen unserer von Emmanual erhaltenen Information, fuhr kein direktes Trotro nach Koforidua. Nun hatten wir die Wahl nach Oda zu fahren und von dort aus nach Koforidua zu gelangen oder ueber die geliebte Hauptstadt Accra dorthin zu reisen, da wir vermuteten, dass der Weg nach Oda ueber viele kleine Doerfer mehr Zeit beanspruchen wuerde als der ueber Accra entschieden wir uns fuer die Accra-Route. Bei unserer Entscheidung unterschaetzten wir, trotz besseren Wissens, die auf uns zukommenden Wartezeiten durch Stau im Stadtverkehr.
Erst einmal am Kaneshie-Markt angelangt irrten wir auf der Suche nach der Koforidua-Station umher, um dann zu erfahren, dass der Trotro-Mate und nicht der Trotro-Fahrer (Besatzung eines Trotros besteht im Normalfall aus Mate und Fahrer, wobei der Mate das Geld einsammelt und die Fahrgaeste ein- und aussteigen laesst) recht hatte und wir zur Circle-Station mussten. Dort angekommen schlug ich zielsicher den richtigen Weg zur naechsten, aber falschen Trotro-Station ein, an der wir auf die Frage nach dem Koforidua-Trotro zu hoeren bekamen: "Oh, you've lost!" Fuer Sekunden befuerchteten wir das Schlimmste, naemlich, dass das letzte Trotro gerade abgefahren sei, und waren dementsprechend erleichtert, als der Herr seiner ersten Aussage die Wegbeschreibung zur richtigen Station folgen liess. Endlich im richtigen Trotro sitzend, dauerte es auch noch ein wenig bis auch der letzte Fahrgast zugestiegen war und es ging los. Fuer einen guten Teil der Strecke hatte ich das Gefuehl wir haetten Accra noch immer nicht verlassen, was zum einen daran lag, dass der Trotro-Fahrer einmal kehrt machte und wir einen Teil der Strecke zurueckfuhren um einen anderen Weg einzuschlagen, und zum anderen daran, dass Accra meinem Empfinden nach nahezu fliessend in die naechste Stadt Achimota uebergeht.
Als wir nach Stunden des Trotro-Fahrens endlich unser Tagesziel Koforidua erreichten, war es bereits sehr spaet und wir hofften so schnell wie moeglich das von uns waehrend der Trotro-Fahrt ausgesuchte Hotel zu finden. Mit der freundlichen Hilfe eines Ghanaers bekamen wir auch sofort ein Taxi, das uns fuer einen angemessenen und fairen Preis zum Hotel bringen wuerde.

Zu unserer Ernuechterung mussten wir allerdings feststellen, dass es bereits ausgebucht war. Spaetestens zu diesem Zeitpunkt offenbarten sich eklatante Schwaechen in unserem "Plan" fuer das Wochenende. Unser gutmuetiger Taxifahrer (Osei-Bonsu) schlug weitere Hotels in der gleichen Preisklasse vor und so klapperten wir eines nach dem anderen ab, nur um jedes Mal zu erfahren, dass kein Zimmer mehr frei sei. Unsere wachsende Frustration und die ersten Anfluege von Sorge erkennend bot der Osei-Bonsu fast schon beilaeufig an, dass wir bei ihm uebernachten koennten, auch wenn das Zimmer keinen Strom habe. Ob er den Vorschlag wirklich ernst meinte weiss ich nicht, wir nahmen nach kurzer Ueberlegung an, denn die Aussichten noch ein Zimmer zu bekommen waren aufgrund einer in Koforidua stattfindenden Konferenz (diese Information erfuhren wir von unserem Taxifahrer) verschwindend gering. Aus seiner Reaktion weiteren Versuchen ein freies Hotel zu finden, schloss ich, dass sein aller Wahrscheinlichkeit nach aus Mitleid motiviertes Angebot der Uebernachtungsgelegenheit nicht wirklich durchdacht, ein wenig vorschnell geaeussert und wahrscheinlich auch nicht vollkommen ernst gemeint war. Doch er stand zu seinem Wort und ging noch weit darueber hinaus, denn neben dem Zimmer ohne Strom, in dem nur Enrico und ich schliefen, obwohl wir dort zu viert haetten schlafen koennen, weckte er fuer Bugs und Inken sogar seine Ehefrau auf und raeumte kurzer Hand sein Ehebett. Zu sagen wir waren peinlich beruehrt waere eine gelinde Untertreibung, keine Situation hier in Ghana war bisher auch nur ansatzweise so peinlich. Waehrend er das Zimmer herrichtete, bat er uns im Wohnzimmer platzzunehmen, ungeachtet seines schlafenden Sohnes, der auch noch aufwachte. Ueber dessen Gedankengaenge, mitten in der Nacht aufwachend und vier Weisse bei ihm Wohnzimmer sehend, kann ich nur spekulieren, aber ich hoffe er traegt keine Folgeschaeden davon.

Am naechsten Morgen begruesste uns Junior, der Enrico gleich mitnahm zu einer Erkundung des Gelaendes bei der Gelegenheit fragte er Enrico aus, ob wir noch eine Nacht blieben, wie lange wir in Koforidua blieben, ob wir noch einmal zurueckkaemen, wenn nicht am selben Tag vielleicht waehrend des verbleibenden Rests des Jahres. Enricos fruehmorgendlicher Ausflug dauerte laenger als gedacht, so dass ich zuerst alleine, spaeter mit Bugs und Inken im Wohnzimmer sass. Gluecklicherweise freute sich die Schwiegermutter darueber Weisse im Haus zu haben; ich war ueberrascht am Morgen so freudig zu begruesst werden, nachdem wir doch mitten in der Nacht angekommen waren und grosse Unannehmlichkeiten verursacht hatten. Kaum war Enrico zurueckgekehrt machte sich unser Gastgeber fertig um uns zur Trotro-Station zu fahren. Dort angekommen fragten wir ihn nach dem Preis fuer die verschiedenen Fahrten der letzten Nacht, woraufhin er erwiderte: "Whatever you feel, is right. But for the accommodation, that is free!" Ich vermute aufgrund seiner Ueberraschung und Freude, dass der von uns bezahlte Betrag fuer ihn unerwartet hoch war, aber das war das Minimum, schlieslich hatte er fuer die Uebernachtung keine Entschaedigung annehmen wollen. Nur eine Bitte stellte er, und zwar, dass wir ihm und seiner Familie mal einen Brief schrieben, weshalb er uns seine Adresse mitgab. Noch den gesamten Rest des Wochenendes kehrten meine Gedanken zu dieser bemerkenswerten Uebernachtung zurueck, die offene, herzliche, fast schon selbstlose Gastfreundschaft, die als Selbstverstaendlichkeit vermittelt wurde, sowie das unverschaemte Glueck im Unglueck gerade an jenen Taxifahrer zu geraten erstaunte mich wann immer ich daran dachte wie unvorbereitet und ungeplant wir an alles herangegangen waren.

Nach einiger Zeit kamen wir endlich in Adasawase an, fuer die geringe Gebuehr von drei Ghana Cedi stellte einer der Dorfaeltesten uns einen Jungen als Fuehrer zur Seite, der uns zum Wasserfall fuehren sollte. Und wie er das tat, die Fuehrung wurde durch das von unserem jungen Guide angeschlagene Tempo fast schon zum Gewaltmarsch, das ganze bei hoher Temperatur, sehr hoher Luftfeuchtigkeit und einem steigungsvollen steinigen Pfad. Der Weg und die auesseren Bedingungen waeren bereits genug gewesen um in Schweiss auszubrechen, die vorgelegte Geschwindigkeit jedoch verwandelte die Rinnsale fast schon in unsere persoenlichen Wasserfaelle. So marschierten wir zwei Kilometer stets begleitet vom bei Zeiten nahem oder fernen Rauschen des Flusses, der aus dem Wasserfall entspringt. Selbst waehrend unseres anspruchsvollen Wegs fiel mir die wieder auf, wie intensiv die Farben hier sind, das Gruen der Pflanzen, das leuchtende Gelb, Tuerkis, Orange oder Rot der Schmetterlinge.

Die Bezeichnung des Wasserfalls, der im Reisefuehrer als der zweitgroesste Wasserfall Ghanas gefuehrt wird und dort als ein 65 m Ungetuem bezeichnet wird, empfand ich persoenlich als unpassend, denn das Wort "Ungetuem" ruft bei mir Assoziation wie "schrecklich", "wild", "ungeheuerlich" hervor. Der Tini-Fall war vielmehr eine atemberaubende Schoenheit. Anders als bspw. bei den Niagara-Faellen hatte der Wasserfall nicht die reissenden gewaltigen Wassermassen; das wie in straehnen-fallende Wasser wurde sichtlich von der leichten Brise, die in der Lichtung herrschte und durch welche wir alle mit angenehm kuehlenden Wasserdunst bedeckt wurden, erfasst, verformt und teilweise davongetragen. Nachdem wir erst einmal alle Fotos gemacht hatten, nahm ich mir einen Moment um in vollkommener Stille, die Eindruecke auf mich wirken zu lassen, das Aufprallen des Wassers auf die Felsen, der Wasserdunst auf meiner Haut, die schlichte Schoenheit der Lichtung, in diesem Augenblick war jeglicher Stress und Hektik ganz weit weg, vergessen die chaotische Anreise, es zaehlte nur der unmittelbare Moment.

Zurueck im Dorf mussten wir noch einen kurzen Besuch beim Chief und den Aeltesten abstatten, die eigentlich sich vorbereiteten an einer Beerdigungsfeier teilzunehmen, uns aber vor unserer Abreise baten die Attraktion des Wasserfalls weiterzuempfehlen, wir versicherten unser Bestes zu tun und machten uns per Taxi auf den Weg nach Anyiam. Da wir Accra vermeiden wollten, kehrten wir nicht einmal nach Koforidua zurueck, sondern nahmen von Anyiam ein Trotro, welches nach Accra fuhr, stiegen aber in Suhum aus, von Suhum ging es per Trotro nach Asawakese, von dort aus in einem anderen Trotro nach Swedru, wo wir uns letztendlich von Inken trennten, die ein Trotro direkt nach Cape Coast nahm, waehrend wir ins Ajumako-Trotro einstiegen. Im Nachhinein laesst sich sagen, dass zumindest fuer die Rueckfahrt aufgrund der frueheren Tageszeit, der Weg ueber Accra aller Wahrscheinlichkeit nach schneller und unkomplizierter gewesen waere, aber mit Sicherheit kann man das nicht sagen, denn Accra ist immer fuer eine Ueberraschung gut.

Abschliessend kann ich sagen, dass es ein unvergleichliches Erlebnis war, die herzliche Gastfreundschaft Osei-Bonsus, sowie die ueberwaeltigende Schoenheit des Wasserfalls alleine waren die Reise wert gewesen, nicht vergessen darf ich die fabelhafte Inken, die gutmuetig sowohl unsere fehlende Koordination und Organisation, als auch unser nicht enden wollendes Dummgeschwaetz ertrug und immer wieder bewies, dass auch Frauen ironisch und schlagfertig sein koennen ;)

5 Kommentare:

  1. Was habt ihr denn nun für das Taxi (ohne die "accommodation" gelöhnt? ^^

    Beste Grüße,
    Christian

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  2. pro person 15 ghana cedis also insgesamt 60 was ca. 30 euro entspricht, was nichts ist im vergleich zu dem was man in deutschland fuer stundenlanges taxifahren zahlt... und es war immernoch weniger als wir fuer ein hotel gezahlt haetten

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  3. das schreibst du nur, weil du weißt, dass ich das lese. SCHLEIMER.

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  4. willst du damit etwa andeuten, dass du vorher noch keine schlagfertigen und ironischen frauen kennen gelernt hast ??? komm du mal wieder nach hause, freundchen :D Lari & Jule

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  5. also ironische und schlagfertige frauen habe ich vorher auch gekannt ;), aber die mehrheit derer nach ghana entsendeten fehlen diese eigenschaften... leider

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