Freitag, 30. Oktober 2009

Die traditionelle Verlobungsfeier unserer Gastschwester Gloria fand samstags im Hause unsere Gastfamilie statt. Zu diesem Anlass waren im Haus grosse Vorbereitungen getroffen worden, Teile der Veranda und der Kueche waren neu gestrichen worden, es gab eine neue Couch-Garnitur, alle Familienbilder, die bisher fast schon ein wenig sorglos am Regal zu lehnen schienen, waren aufgehaengt worden, ausserdem waren die Wohnzimmervorhaenge/ -stangen allesamt durch neue ersetzt worden. Zusaetzlich zu den haeuslichen Vorbereitungen waren fuer die Feierlichkeiten zwei Zelte/ Pavillons aufgebaut worden, um allen Gaesten schattige Sitzplaetze zu ermoeglichen. Fuer 10.00 Uhr war der offizielle Beginn angesetzt, doch wie so oft begann die Veranstaltung spaeter als geplant (ca. 10.30 Uhr). Gluecklicherweise wurde der Bruder unserer Gastmutter uns als Uebersetzer abkommandiert, denn da es eine traditionelle Verlobung war, wurde kein Englisch, sonder ausschlieslich Fante gesprochen. Bereits beim Betreten des Wohnzimmers fiel uns auf, dass eine klare Zweiteilung vorherrschte, die sich gegenueber stehenden Sitzreihen wurde durch den in der Mitte des Zimmers stehenden Wohzimmertisch getrennt. Meine Vermutung, dass je eine Seite der Familie der zukuenftigen Braut und eine dem Ehemann in Spe zugeteilt war, bestaetigte unser als Uebersetzer fungierender Gastonkel. Die beiden ersten Reihen wurden jeweils von den Eltern, einem ausgewaehlten Zeugen (in unserem Fall ein Bruder unseres Gastvaters) und dem Master of Ceremony (MC) bekleidet. Der MC tritt als Sprecher der Familie auf und fuehrt durch die Zeremonie, die Familienoberhaeupte selbst sprechen nur wenige Worte. Zentrale Bedeutung der Zeremonie faellt dem Zusammenkommen der beiden Familien zu, welches von der Familie des Mannes dazu genutzt wird um Erlaubnis zu fragen, die Tochter des Hauses aus dem elterlichen Haus in die Ehe zu fuehren, die eigentlichen Hauptpersonen das verlobte Paar selbst wohnt nur einem sehr kleinen Teil der Zeremonie bei, da sie erst gen Ende aus gegenueberliegenden Eingaengen hereingeholt werden. Nach einer kurzen Einfuehrung begann mit Vorstellung und Begruessung der Familie durch die MC der zeremonielle Hauptteil, in welchem die Familie des Braeutigams diverse Gebuehren in Form von Geldbetraegen oder Geschenken, welche aufgrund ihrer Symbolik obligatorisch sind, an die Gastgeber entrichtet. Einhergehend mit jeder Gebuehr war eine umfangreiche Erklaerung des einen MC, sowie eine gleichermassen lange Rede des entgegennehmenden MC, der dadurch seine Akzeptanz und Zufriedenheit der entrichteten Gebuehr Ausdruck verleiht. Die Reihenfolge der Geschenke war klar strukturiert: Die "Knocking-Fee" (eine Flasche Mineralwasser) diente dazu, um Einlass zu bitten und die Stimmbaender fuer die kommenden Gespraeche geschmeidig zu halten. Als naechstes zahlte die Familie des Zukuenftigen eine "Acceptance-Fee", ein Geldbetrag um die Einwilligung der Eltern fuer die Ehe ihrer Tochter zu erzielen. Als drittes erhielt die Familie der zukuenftigen Ehefrau eine Bibel, als Zeichen des gemeinsamen Glaubens, diese wurde jedoch im spaeteren Verlauf an das zu vermaehlende Paar ueberreicht um als Handbuch fuer eine gute Ehe zu dienen. Nach der Uebergabe des Verlobungsring, fuhr die Familie des Mannes fort, sich mit Geschenk bei den Eltern der Braut fuer die geleistete Erziehungs-"Arbeit" der baldigen Schwiegertochter zu bedanken. Des Weiteren erhielt auch der Bruder der Braut einen Geldumschlag als Anerkennung, fuer sein achtsames Wachen ueber seine Schwester und dafuer, dass er sie nun ziehen liess. Das letzte Geschenk stellte einen Korb fuer die Braut dar, in jenem Korb waren verschiedene Utensilien, die jede Braut fuer eine erfolgreiche Ehe haben sollte. Fuer grosses Gelaechter sorgte vor allem die symbolische Sicherheitsnadel, damit die Frau sich niemals beschweren kann, der Mann gebe ihr nichts, nicht einmal eine Sicherheitsnadel. Ein weiterer stimmungshebender Bestandteil des Korbs war die durchsichtige Unterwaesche fuer die Braut, die im Korb enthalten ist, weil eine Ehefrau keinerlei Scham haben sollte sich ihrem Mann nackt zu zeigen. Sobald der letzte Gegenstand des Korbs erklaert wurde, bat man den zukuenftigen Ehemann hinein, doch Teil der Zeremonie ist es, dass dieser nicht sofort erscheint, sondern erst die "Bodyguards", Brueder und enge Freunde des Mannes, die ueberpruefen, ob die Lage sicher ist und keine Gefahren, in Gestalt von bissigen Hunden im oder um das Haus herum lauern, begleitet wird das Prozedere vom gemeinsamen Gesang der versammelten Familien und Freunde. Nachdem der Braeutigam schlieslich das Haus betreten hatte, wurde nun nach der Braut gerufen, doch an ihrer Stelle erschienen die "Brautjungfern", die berichteten, dass die gewuenschte Dame durch Stau verhindert sei, daraufhin entrichtete die Familie des Braeutigams eine weitere Gebuehr um einen schnellen reibungslosen Transport zu gewaehrleisten. Sobald die von Gesaengen begleitete Frau eintraf, fand mit dem Anstecken des Verlobungsrings der eigentliche Akt der Verlobung statt. Anders als bei deutschen (europaeischen/westlichen) Hochzeiten folgte der Ringuebergabe kein Kuss, sondern nur eine Umarmung, denn, wie unsere Mentorin und unsere Vorgaenger uns erklaert hatten, ist es in Ghana eher unueblich sich in der Oeffentlichkeit intim zu zeigen oder zu kuessen. Der Ringuebergabe folgte eine Belehrung ueber die Bedeutung der Ehe, die zu tragenden Verantwortungen und das Ueberreichen der Bibel als Handbuch. Teil der Belehrung war die Zuordnung von Begriffen zu den einzelnen Buchstaben der Worte "Husband" und "Wife", bspw. "h"=honest [...] "b"=bold, "w"=wise, "i"=intelligent, "f"=faithful, "e"=economical etc. Zum Abschluss der Zeremonie sprachen "Ehe-Veteranen" von ihren Erfahrungen und gaben Tipps an das junge Paar, dem vorausgegangen war die Zuteilung von Ansprechpartnern fuer die Frischvermaehlten, sollte es doch einmal Schwierigkeiten geben. Mit dem Ende der Zeremonie begann der zuegige Aufbruch der Braeutigamsfamilie, waehrend die Familie und Freunde der Braut noch blieben und gemeinsam assen.

Bugs hatte sich entschieden den Samstagabend bei Freiwilligen in Asikum zu verbringen, unter anderem auch um einen kritischen Fall von vernachlaessigten Dreads zu behandeln. Bei seiner sonntaeglichen Rueckkehr stellte er fest, dass wir unseren Plan, die ganze Wohnung zu putzen, bereits erfolgreich durchgefuehrt hatten. Zudem konnte er das neueste Ergebnisse meiner nicht enden wollenden ungluecklicher Verletzungen bestaunen, ich hatte mir beim Bau eines Bambusmuelleimers mit der Machete auf die Hand geschlagen. Bevor Ihr Euch unnoetig Sorgen macht, gleich die Entwarnung es war keine ernste Verletzung, ob ich was daraus gelernt habe bleibt abzuwarten ;) Fuer wirkliche Hoehepunkte sorgte Bugs, der uns mit sehr witzigen Geschichten erheiterte. Am Nachmittag stand dann das Nordwest-Derby der englischen Premierleague zwischen Liverpool und Manchester United an, welches wir ganz gemuetlich im wieder normal moebelierten Wohnzimmer unserer Gastfamilie schauten, dies wurde durch die vor kurzem installierte Satellitenschuessel und die damit einhergehende riesige Programmvielfalt ermoeglicht. Als Liverpool-Fan fand ich mich in "feindlichem" Gebiet wieder, denn sowohl unser Gastbruder Brian, als auch unsere Gastschwester Florence offenbarten sich als ManU Anhaenger. Nichtsdestotrotz herrschte natuerlich eine entspannte Atmosphaere, und ich konnte den umkaempften, aber letztendlich verdienten 2-0 Sieg meiner Reds geniessen.

Montagmorgen/vormittag begleiteten wir Enrico zu seiner Aufsichtspflicht und trafen letzte Vorbereitungen fuer das Nachmittagssportprogramm mit den Grundschulkindern. Auf dem Weg zum Mittagessen erreichte mich ein unerwarteter Anruf unserer NGO, welche auf unsere Bitte hin eine Schule gefunden hatte, an der wir uns auch engagieren koennte. Wir einigten uns am folgenden Morgen mit einem NGO-Mitarbeiter die Schule zu besichtigen. Am Nachmittag trugen wir ein Fussballspiel aus, Enrico als Trainer der einen und ich als Trainer der anderen Mannschaft. Nach separaten Trainigseinheiten mit Passspiel-, Torschuss- und Zweikampfuebungen, liessen wir unsere Mannschaften gegeneinander antreten. Das Spiel zelebrierten zur grossen Freude der Kinder wie ein offizielles Finale, mit parallelem Einlaufen der Mannschaften, gemeinsamen Aufstellen, Begruessung der anderen Mannschaft durch Handschlag, und natuerlich dem Mannschaftsfoto. Bugs engagierte sich als Fotograf, Kameramann und Journalist in Personalunion, der vor Spielbeginn auch ein Interview mit mir fuehrte. Meine Mannschaft zeigte grosses Potential, insbesondere im Mittelfeld imponierten sie durch gekonntes Kombinationsspiel. Die 1-0 Fuehrung meiner Mannschaft war dennoch ein wenig gluecklich und wurde durch eine taktische Glanzleistung meines Trainerkollegen, der seine Innenverteidiger in den Sturm beorderte und so den Ausgleich erzwang, egalisiert. So kam es zu einem hochdramatischen Elfmeterschiessen, in welchem wir beide als Trainer Fehler beim Nominieren der Schuetzen machten, was unsere Schuetzlinge uns auch lautstark und unverbluemt vorhielten. Nachdem die ersten fuenf Schuetzen keine Entscheidung hervorgebracht hatten, musste im Sudden Death entschieden werden wer als Sieger das Feld verlaesst. Meine letzte Wahl erwies sich als richtige Entscheidung und als der Ball die Torlinie passierte brach sich die Spannung Bahnen. Meine Mannschaft und ich waren in absoluter Ekstase und feierten ausgelassen den Sieg. Ich gratulierte meinem Konkurrenten zu seiner guten, wenn auch im Endeffekt ertraglosen, Arbeit und hob gegenueber meinen Spielern noch einmal hervor wie stolz ich auf die gezeigte Leistung war. In Retrospektive kann ich nicht sagen, wer an diesem Nachmittag mehr Spass hatte unsere Kinder oder wir als Trainer und Reporter. Danach schauten wir uns auf dem Markt in Ajumako (immer nur Montags) nach Stoffen um, die wir am naechsten Tag zu einem Schneider brachten um uns typisch ghanaische Gewaender schneidern zu lassen. Zwar nannte ich dem Schneider meinen tatsaechlichen Namen, er fand aber, dass ich Paul Scholes (Fussballspieler von Manchester United) aehnlich saehe und nannte mich folglich Paul Scholes.

Dienstagmorgen machten wir uns also auf den Weg zum Buero unserer NGO. Dort trafen wir die Sekraeterin an, welche uns zur betreffenden Schule begleitete. Die Schule praesentierte sich auf den ersten Blick in ordentlichem und geordneten Zustand. Ungluecklicherweise vermittelte die Sekraeterin dem Direktor der Schule bei unserem Besuch das Gefuehl, dass wir Freiwilligen uns bereits entschieden haetten uns dort zu engagieren. Da dies jedoch nicht der Fall war, mussten wir die durch die unbedachten Aeusserungen aufgebauten Hoffnungen stark relativieren und machten deutlich, dass wir mehrere Schulen besichtigen wollen und diejenige auswaehlen, die unsere Hilfe am dringendsten braucht und an der wir gleichzeitige unsere eigentlichen Aufgaben als Freiwilligen am besten umsetzen koennen. Die Ernuechterung war dem Direktor deutlich im Gesicht abzulesen, denn er hatte aufgrund der Aussagen der NGO unser Engagement als fix betrachtet. Fuer mich persoenlich muss ich sagen, dass ich wohl ein wenig naiv in das Gespraech gegangen bin, da ich mir der doch weitreichenden Konsequenzen unseres blossen Erscheinens nicht in vollem Umfang bewusst gewesen war und die mangelhafte Kommunikation mit der NGO unsere eigentliche Agenda zusaetzlich, unnoetig erschwerte. Die Freude und Erwartungen, die wir zwar nicht weckten, aber allein durch unser Kommen ausloesten, zu enttaeuschen war fuer mich eine sehr bittere Erfahrung. Die Bitterkeit des Vormittags war jedoch schnell verflogen, als wir unsere Nachmittagseinheit mit dem Kids Club durchfuehrten. Die zeitintensive Vorbereitung, bei der wir durch die Schulbesichtigung ein wenig unter Druck gerieten, zahlte sich voll aus. Die Bio-Rallye bereitete den Kindern viel Spass und wir erfreuten uns an der lebhaften Teilnahme, ein Zweierpaar bspw. versuchte mit viel Enthusiasmus einen Schmetterling zu fangen, um die dazu gestellten Fragen genau zu beantworten. Am Abend feierten wir Maenner mit Emmanual zusammen unser dreimonatiges (27.7.-27.10.) bei Club (ghanaisches Bier) und Smirnoff Ice dabei liessen wir uns natuerlich die Gelegenheit nicht entgehen und schickten unser am 28.10. scheidenden Mentorin eine witzige Abschiedsmitteilung, die ebenso witzig beantwortet wurde und uns noch Tage spaeter zum Grinsen brachte.

Mittwochvormittag nutzen wir unsere Aufsichtspflicht in der Schule um eine intensive Auswertung des Kids Clubs des Vortags vorzunehmen. Anschliessend selektierten wir jene, die beim naechsten Mal leider nicht dabei sein werden und durch andere Schueler, die durch bestaendige Anwesenheit und gute schulische Leistung sich hervorgetan haben, ersetzt werden. Ausserdem einigten wir uns auf die Grundzuege der naechsten Kids Club-Einheit, sowie die genauer zu beachtenden Schueler und Schuelerinnen. Am Nachmittag stellten wir fest, dass der Computer nicht funktionierte, wodurch unser Computertraining fuer die Grundschullehrer nur anhand des Laptops durchgefuehrt werden konnte. Warum der Computer nicht funktionierte liess sich nicht mit Sicherheit sagen, wir vermuteten, dass die Kabel fehlerhaft waren, konnten das aber nicht ueberpruefen. Selbst der von uns gekaufte Stromspannungsstabilisator konnte nicht helfen, und ueber dessen tatsaechliche Funktionalitaet blieben wir auch im Unklaren.

Donnerstagmorgen nahm unser Gastvater, der wenige Tage vor der Verlobung von seinem zweimonatigen Aufenthalt in den Niederlande zurueckgekehrt war, uns mit zum GES (Ghana Education Service) Buero, da wir ihm gegenueber unseren Plan bzgl. der zweiten Schule erwaehnt hatten und er als ehemaliger Direktor des Bueros noch immer sehr gute Beziehung im Distrikt unterhaelt. Das Buero hatte auch bereits eine Schule in Abowinum ausgesucht und einer der Offiziellen begleitete uns dorthin um mit uns die Oertlichkeiten zu besichtigen. Da wir dieses Mal von Anfang deutlich kommunizierten, dass wir uns lediglich einen Ueberblick verschaffen wollen und der Offizielle das auch fuer uns noch einmal zusaetzlich verdeutlichte, konnten wir unangenehme Missverstaendnisse vermeiden. Die Schule, die nur Kindergarten und Grundschule umfasst, existiert erst seit relativ kurzer Zeit und der gesamte Komplex macht einen im Umbruch/Umbau befindlichen Eindruck. Insbesondere das Klassenzimmer der dritten Klasse konnte nicht wirklich als ein solches bezeichnet werden, denn bis auf eine Wand mit Tafel und einer Ueberdachung fehlten alle sonstigen Merkmale fuer einen Raum oder Gebaeudeteil. Wir versuchten, wie auch bei der Schule in Essiam, moeglichst viele Eindruecke zu sammeln und durch Fragen an die Direktorin auch weniger offensichtliche Aspekte zu erfahren. Im Anschluss daran setzten wir uns zu Hause noch daran die buerokratischen Obligationen zu bearbeiten. Da der Youth Club aufgrund zu schlechten Wetters nicht wie geplant stattfinden konnte, bereiteten Enrico, Bugs und ich die naechste Kids Club-Einheit vor, denn diese benoetigte einiges an Vorbereitung von unserer Seite. Ein positives Randereignis war Franks Besuch in Ajumako, den wir seit der MJRP zu der wir ihn noch per Handy bestellten nicht mehr gesehen hatten. Am Abend sassen wir nach dem Abendessen noch zusammen und diskutierten die Vor-und Nachteile der beiden zur Auswahl stehenden Schulen. Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, da diverse Punkte in Betracht gezogen werden mussten und beide Schulen ihre Reize und Herausforderungen hatten. Insgesamt zog sich das Gespraech fast ueber zwei Stunden und brachte am Ende die einstimmige Entscheidung pro Abowinum hervor. Das letzte Wort hat jedoch unsere neue Mentorin, die wir erst in der kommenden Woche persoenlich kennen lernen werden, wir sind aber sehr zuversichtlich, dass unser Plan so genehmigt wird.

1 Kommentar:

  1. Servus,

    danke nochmal für deinen Anruf, hat mich echt gefreut.

    Aber wie kannst du soviel gute Worte für den gegnerischen Trainer finden?
    Du musst ihn ins bodenlose Dissen ;)!

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