Dienstag, 24. November 2009

Nummer 19

Zu den Gegebenheiten, die mir taeglich begegnen, gehoert auch die Dekoration der Fahrzeuge. In nahezu allen Trotros und Taxis sehe ich kleine Faehnchen per Saugknopf am Inneren der Frontscheibe angebracht. Die ghanaische Flagge darf dabei natuerlich nie fehlen, wirklich interessant wird es bei den zusaetzlichen Faehnchen, manchmal ist es nur eine, manchmal sind es bis zu vier weiteren. Faellt es meistens sehr leicht die Kombination der gezeigten Fahnen zu verstehen, gibt es auch Faelle in denen es sich nicht auf den ersten Blick erschliessen laesst. So zum Beispiel bei der Kombination USA - Saudi-Arabien - Indien, Enrico und ich erklaerten uns diese Zusammenstellung durch die auf Oel-basierende Beziehung zwischen den USA und den Saudis, waehrend Indien sich durch einen betraechtlichen Anteil von muslimischen Staatsbuergern qualifizierte, wodurch die Verbindung zu Saudi-Arabien hergestellt werden kann. Ob dem Besitzer des Fahrzeugs auch diese Verbindungen vorschweben kann ich nur schwer abschaetzen, er koennte auch ganz eigene persoenliche Verbindungen zu den drei Laendern haben. Weitere Nationalflaggen, die ich haeufig sehe, sind Suedafrika, Elfenbeinkueste, Israel und auch Deutschland. Neben den Faehnchen schmuecken meist noch einige Aufkleber von den grossen Vier des englischen Fussballs (ManU, Chelsea, Liverpool, Arsenal) die oftmals von Rissen durchzogene Frontscheibe. Motor- und Kofferraumhaube werden haeufig durch religioese Sprueche, Bibelzitate oder Jesus-Abbildern geziert, was auf glaeubige Menschen mit sanften Gemueter durchaus beruhigend wirken kann, wenn man wieder einmal mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf einer verschlungenen, schlagloch-uebersaeten Strasse dahinrast. Als besonders ironisch empfinde ich es den Spruch "Trust In God" auf Rueckscheiben zu lesen, denn angesichts des Zustands von Strassen und Fahrzeugen bleibt einem ja kaum etwas anderes uebrig als auf eine hoehere Macht zu vertrauen. Eine besondere Freude ist es bspw. wenn man auf der letzten Sitzreihe des Trotro platz nehmen moechte und ohne Vorwarnung die Rueckbank der Kofferraumhabe bedenklich nahe kommt oder die Seitenwand des Trotros beunruhigend instabil wirkt, und man befuerchten muss bei der naechsten scharfen Kurve mitsamt der Seitenwand herausgeschleudert zu werden. Aber um hier noch einmal deutlich hervorzuheben nicht alle Fahrzeuge sind in so schlechtem Zustand, vielmehr kommen wir oftmals in den Genuss in nahezu neue, mit angenehmen Lederueberzuegen ausgestatteten Trotros mit zu fahren. Private Fahrzeuge sind noch einmal eine ganz andere Angelegenheit, diese werden mit einer Vehemenz und Hingabe gepflegt, die so manchen deutschen Auto-Liebhaber beeindrucken koennte, so muss zum Beispiel unser Freund Emmanual alle zwei Tage den dreier BMW seines Vaters putzen, Insgesamt kann es manchmal erstaunlich sein, was fuer Fahrzeuge man zu Gesicht bekommt, teure Mercedes und BMW Limousinen, nicht weniger kostspielige Gelaendewagen von Toyota, Lexus oder auch Hummer. Wie in so vielen Aspekten des Landes spiegeln sich auch hier die Extreme wider, auf der einen Seite kaum fahrtuechtige oeffentliche Verkehrsmittel, auf der anderen die extravaganten Limousinen der Oberschicht.

Nun zum Wochengeschehen, den letzten Samstag verbrachten Bugs, Enrico und ich mit Einkaeufen fuer die Wohnung und Internetrecherche fuer unsere Benin-Togo-Reise in Cape Coast, dort trafen wir auch kurz Inken, die wir eigentlich eingeladen hatten uns nach Ajumako zu begleiten, was allerdings im Kurzmitteilungswirrwarr verloren ging, so dass wir leider ohne Inken zurueckkehren mussten. So vollzogen wir den Abend in Gesellschaft von Emmanual mit der ein oder anderen Runde Akpeteshie.

Was Enrico und mich aber nicht davon abhielt Emmanual und seine Familie am naechsten Morgen in die Kirche nach Mankessim zu begleiten. Die durch unser spaetes Fruehstueck ausgeloeste, leichte Verzoegerung der Abfahrt, glichen Enrico und ich durch unsere Kleiderwahl aus, denn einen sonntaeglichen Kirchbesuch empfanden wir als passende Gelegenheit zum ersten Mal unsere ghanaischen Gewaender zu tragen. Unser Schneider hatte zwar statt der vereinbarten acht Tage ganze 14 Tage gebraucht um sie fertigzustellen, aber dafuer war das Ergebnis umso erfreulicher. Unser Schneider, der mich nach wie vor Paul Scholes ruft, ist ein sehr eigenwilliger Charakter, er hat rot-lackierte Fingernaegel und wirft Bugs manchmal Handkuesschen zu. Wer nun schlussfolgert unser Schneider sei homosexuell unterliegt einem Irrtum, denn in einer homophoben Gesellschaft wie es die ghanaische ist, erscheint es mir praktisch ausgeschlossen. Der Gedanke der Homosexualitaet ist so abwegig, dass vielleicht gerade dadurch das Verhalten des Schneiders erklaert werden kann. Geruechten zufolge koennte es auch an Bugs' gutem Aussehen liegen, aber das sind wahrscheinlich nur Geruechte.... Genug von Schneidern und lackierten Naegeln, zurueck zur Kirche in Mankessim.

Der Gottesdienst zog sich ueber eine Laenge von zwei einhalb Stunden, natuerlich in feinstem Fante, was zur Folge hatte, dass meine Gedanken abdrifteten, sobald Emmanual einmal nicht die wichtigen Passagen der Predigt uebersetzte oder wieder geklatscht und gesungen wurde. Wie auch beim anderen Gottesdienst, den Enrico und ich besuchten, wurde mehrmals Geld gespendet, wofuer die Kollekte verwendet wird konnte ich allerdings bisher nicht in Erfahrung bringen. Interessant zu hoeren war, dass Emmanual, dessen Vater meinem Verstaendnis nach eine leitende Position innerhalb der Gemeinde einnimmt, den Kollekten sehr skeptisch gegenuebersteht, zu viel Geld sei mit der Kirche verbunden, das sei nicht der Zweck der Kirche.

Am Sonntagabend schauten wir gemeinsam mit unserer Gastfamilie die Uebertragung des Finales der FIFA U-17 WM in Nigeria, darin standen sich der Titelverteidiger und Gastgeber Nigeria und das Ueberraschungsteam aus der Schweiz gegenueber. Die Schweiz gewann das Spiel mit 1-0, was zu meiner Ueberraschung insbesondere unseren Gastvater erfreute. Gewoehnlich ist es so, dass ich hier einen sehr starken inner-afrikanischen Zusammenhalt erlebe, der sich ganz klar nicht nur auf Fussball beschraenkt. Eine Ausnahme scheint jedoch Nigeria zu sein, sowohl durch die Lektuere verschiedener Buecher ueber den afrikanischen Kontinent, als auch durch verschiedene Filme, habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Nigerianer nicht nur hier in Ghana und dem Rest Afrikas, sondern weltweit einen unvorteilhaften Ruf geniessen. Hier in Ghana geht es so weit, dass manche Ghanaer behaupten ohne die nigerianischen Einwanderer gaebe es keine Kriminalitaet. Dadurch ist auch zumindest teilweise die Reaktion unseres Gastvaters zu erklaeren, der bei Abpfiff sagte, er sei sich sicher die Nigerianer werden sich daneben benehmen, was sie aber, so weit ich es von den Uebertragungsbildern sehen konnte, nicht taten. Wirklich erstaunt war ich als unser Gastvater, der sich stets sehr warmherzig und fuersorglich praesentiert, angesichts weinender nigerianischer Spieler sich dazu hinreissen liess zu sagen, das sei was er sehen wolle.

Bereits am naechsten Tag sollten wir im Gespraech mit unserem Direktor in Ankukrom erneut auf Nigeria zu sprechen kommen, allerdings in einem positiveren Kontext. Er berichtete uns, dass er von 1978 bis 1984 in Nigeria gelebt hatte, da er dort als Lehrer einer Secondary School eine Stelle gefunden hatte. Uns gegenueber hob er hervor, dass damals die wirtschaftlichen Verhaeltnisse in Ghana so schlecht gewesen seien, dass viele Ghanaer in das damals besser gestellte Nigeria ausgewandert, und erst als sich Ghana ein wenig erholt hatte, zurueckgekehrt seien. Doch seitdem, so sagte er, habe sich viel veraendert, mittlweile verzeichne Ghana einen grossen Zustrom aus anderen Laendern Westafrikas, nicht nur Nigeria, sondern auch Benin, Burkina-Faso, Elfenbeinkueste und Togo. So scheint man anhand der Migration innerhalb Westafrikas die verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklungen ablesen zu koennen. Demnach muesste sich, so prognostizierte es auch unser Direktor, die Immigration nach Ghana in den kommenden Jahren noch verstaerken, da die Oelfelder vor der Kueste Ghanas fuer einen zusaetzlichen Aufschwung sorgen sollten. Ob dies wirklich so eintritt, bleibt abzuwarten, da auch Nigeria, mit einer taeglichen Rohoelfoerdermenge von 2 Millionen ( 2 000 000 um es zu verdeutlichen) Barrel, eigentlich die Voraussetzungen hat um ein sehr wohlhabendes Land zu sein.

Dienstags hatte ich einen Termin beim Arzt der deutschen Botschaft, natuerlich in meiner Lieblingsstadt Accra. Zufaelligerweise musste auch Brian zur Botschaft um einen Brief abzuliefern, sodass ich nicht mit dem Trotro, sondern per Privatauto in die Hauptstadt gelangte. Den Arzt traf ich natuerlich nicht in der Botschaft an, sondern in einem separaten Gebaeudetrakt der sich als medizinische Anlaufstelle aller deutschen Staatsbuerger und -diener fuer ganz Westafrika herausstellte. Zu meinem Glueck war nicht viel los und ich konnte nach der ueblichen Wartezeit, die man aus deutschen Praxen kennt und die ich nach den Monaten in Ghana mit Leichtigkeit schultere, meinen Fall dem Arzt schildern. Das Gespraech verlief sehr positiv, sodass ich am Ende mit einer schriftlichen Erklaerung des Arztes, dass eine notwendige Operation in Deutschland durchgefuehrten werden muesse, aus der Praxis spazierte. Bereits auf dem Rueckweg nach Ajumako machte ich mir Gedanken bzgl. eines moeglichen Operationstermins, da allerdings vorher noch verschiedene Einzelheiten mit meiner Entsendeorganisation und der Versicherung geklaert werden muessen, waren meine Gedankenspiele vergebliche Liebesmueh.

Ein Gedanke laesst mich aber seit meinem Arztbesuch nicht mehr los, und zwar die Tatsache, dass ich mein Jahr hier aller Wahrscheinlichkeit unterbrechen muss um nach Deutschland zurueckzukehren. Dieser vorzeitigen Rueckkehr stehe ich momentan mit sehr gemischten Gefuehlen gegenueber, da ich von Anfang mit der mentalen Einstellung hierher gekommen bin Deutschland, meine Familie, meine Freunde, meine Heimat fuer ein Jahr mehr oder weniger vollstaendig hinter mir zu lassen. Zweifellos wuerde ich mich freuen meine Freunde und Familie wieder zu sehen, auch wenn der Anlass kein allzu freudiger ist, aber gleichzeitig habe ich das Gefuehl moeglicherweise meinen derzeitigen Entwicklungsprozess, der ganz natuerlich durch die verschiedenen taeglichen Eindruecke und Erfahrungen vorangetrieben wird, durch eine fruehzeitge Rueckkehr zu beeintraechtigen. Ich bin mir des selbstsuechtigen Kerns der diesen Gedanken innewohnt sehr bewusst, kann mich aber nicht von ihnen loesen. Eine verfruehte Heimkehr naehme mir einen grossen Teil der Wiedersehensfreude, denn in meinen Gedanken ist es entgegen besserer Vernunft ein gewaltiger Unterschied ob ich nach sieben oder zwoelf Monaten heimkehre. Jede Unterbrechung ist wie das Wort schon sagt auch ein Bruch, und das will sich einfach nicht in meine Vorstellung des Jahres als fortlaufende Einheit fuegen, es sollte ein Jahr sein, abgerundet, ganz, ohne Bruch, ohne Riss, ohne Bandanriss. Doch bereits waehrend ich diesen Eintrag verfasse, wandelt sich meine Geisteshaltung mit jedem Wort ein wenig, verstaendlich, dass ich mir mein Jahr als Einheit wuensche, aber das bedeutet doch nichts, die Realitaet sieht nun einmal anders aus, und daraus gilt es das Beste zu machen, wenn das bedeutet, ich muss fruehzeitig nach Deutschland, dann fliege ich nach Deutschland, wenn nicht, dann nicht, so einfach ist das. Meine persoenliche Entwicklung, davon bin ich ueberzeugt, wird daran keinen Schaden nehmen, vielmehr entdecke ich bei naeherer Betrachtung Vorteile fuer mich und meine Arbeit hier in Ghana, durch den kurzen Aufenthalt in Deutschland koennte ich Abstand nehmen, eine neue Perspektive gewinnen, mit neuen Ideen nach Ghana zurueckkehren. Aber noch liegt das alles in unwaegbarer Zukunft.

Mittwoch verbrachten wir unseren ersten Arbeitstag an der zweiten Schule (Abowinum). Um geeignete Kandidaten fuer unsere Kids Clubs zu finden, machten wir mit den Klassen drei, vier und fuenf eine simple schriftliche Frage-Antwort-Stunde, anhand derer wir am folgenden Tag unsere Kandidaten auswaehlten.

Donnerstags begleiteten wir unsere Schueler aus Ankukrom zu einem Sportturnier nach Enyan-Maim, welches nahe bei Mankessim liegt. Bei diesem Turnier traten mehrere Schulen des Distrikts in verschiedenen Sportarten gegeneinander an, jede Schule stellte pro Sportart eine Maechen- und eine Jungenmannschaft. Laut der Regeln handelt es sich um eine U-15 Veranstaltung, d.h. nur Schueler unter 15 Jahren duerfen daran teilnehmen, aber da auf Geburtsdaten hier kein Verlass ist, nahm sich die Turnierleitung eine zweifelhafte wissenschaftliche Formel zur Hand, die besagt, dass man wenn man unter 15 sei, das Gewicht maximal 53 kg betraege. Dies hatte zur Folge, dass der Torwart und ein Feldspieler unserer Jungenmannschaft nicht zugelassen wurden. Die Entscheidung mag zwar in diesem Fall den Regeln entsprechend gefallen sein, denn unser Torwart wog 60 kg, aber zum einen schien ungerechterweise keine andere Mannschaft Spieler von vergleichbarer Statur durch diese Regel zu verlieren und zum anderen ist die Regel an sich, mehr als grenzwertig, schlieslich kann man nicht einfach vom Gewicht auf das Alter schliessen oder anders herum. Die Fortsetzung des Turniers fand am Freitag statt, wobei wir am Nachmittag fruehzeitig nach Abowinum gingen um dort unsere erste regulaere Einheit mit dem Kids Club durchzufuehren.

Montag, 16. November 2009

Eine Eigenheit, die bei mir nach wie vor die gleiche, wenn auch abgeschwaechte, Reaktion, naemlich Unverstaendnis mit einem Hauch von Ekel, hervorruft wie zu Beginn meines Aufenthalts, ist das Spucken der Ghanaer. Dem eigentlichen Ausspucken geht dabei ein tiefes, geraueschvolles Sammeln von Material voraus, was die ganze Angelegenheit so appetitlich macht. Diese Praktik wird von Maennern wie Frauen gleichermassen angewandt gaenzlich unabhaengig davon wer moeglicherweise in Hoer- oder Sichtweite sein mag. Insbesondere bei Frauen widerspricht es meiner Vorstellung attraktiven Verhaltens, zwar stoere ich mich mittlerweile nicht weiter daran egal ob Mann oder Frau, aber wirklich gleichgueltig wird es mir wahrscheinlich auch nicht mehr werden. Es versteht sich von selbst, dass wie bei allen Eigenheiten nicht alle Ghanaer sich so verhalten und deshalb keine Generalisierung zulaessig ist. Unser Gastbruder bspw. kann dieses Verhalten auch nur schwerlich nachvollziehen und teilt meine Ansicht bezueglich der Attraktivitaet bei Frauen.

Montagmorgen nahmen wir wieder einmal unsere Pflichten als Aufsichtspersonal wahr, was aufstehen um 5.45 Uhr bedeutete, gibt es eine schoenere Art in die Woche zu starten? Die Aufsicht nutzten wir produktiv, indem wir uns die letzten Spielstationen fuer den Kids Club am folgenden Tag ueberlegten, wichtig war nach der kleinen Ernuechterung der letzten Woche die Spiele nicht zu schwer zu gestalten. Jede Woche konfrontiert die Auswahl unseres Programms uns mit der muehsamen Aufgabe die richtige Balance zwischen Spass und Anspruch zu finden, was des Oefteren dazu fuehrt, dass gut erscheinende Ideen verworfen werden muessen, weil die Erklaerung die Englischkenntnisse unserer Teilnehmer uebersteigen wuerde.
Am Nachmittag fuehrten wir wieder eine Sporteinheit mit den Grundschulkindern durch, wobei ich dieses Mal nicht als Cheftrainer teilnahm, sondern als Gast bei meinem Trainerkollegen Bugs hospitierte. Enrico, der zu Spielende als Spielertrainer agierte und sich in die Torschuetzenliste eintrug, was er ein wenig ueberschwaenglich feierte, konnte so im zweiten Spiel den verdienten ersten Sieg verbuchen.

Dienstagvormittag bereiteten wir die gesammelten Kids Club- Ideen zur Umsetzung am Nachmittag vor, sehr stolz war ich dabei auf meine bisher eher geringen zeichnerischen Fertigkeiten, denn wie sich spaeter herausstellen sollte konnten alle meine Zeichnungen einwandfrei und problemlos erkannt und zugeordnet werden. Der Hoehepunkt des Kids Clubs war jedoch ohne Zweifel das abschliessende "Reise nach Accra"-Spiel, welches Enrico und ich in Ermangelung eines CD-Spielers mit unseren Gesangskuensten gestalteten. Waehrend ich Enrico zweifelsohne Talent attestieren kann, war mein Beitrag wohl eher durch Stimmvolumen als durch Gesangsvermoegen zu rechtfertigen. Die Kinder hatten trotzdem oder vielleicht gerade deshalb jede Menge Spass und waren mit vollem Einsatz dabei.

Am Mittwoch nahmen wir im Anschluss an die letzte Schulstunde einen Teil unseres Youth Club mit einem fuer diesen Anlass gemietetem Trotro nach Ajumako, um sie unter unserer Aufsicht im Internet eine Recherche durchfuehren zu lassen. Da jedoch bisher keiner mit einem Computer gearbeitet hatte, erklaerten wir zu Beginn erst einmal die Basisfunktionen und zeigten den Umgang mit Maus und Tastatur. Die Ergebnisse der Recherche waren den mangelnden Computerkenntnissen/-erfahrungen entsprechend unvollstaendig und fuer ernsthafte Vortraege ungeeignet, aber die Recherche war fuer uns auch nicht der wichtigste Aspekt des Nachmittags. Uns war es wichtig, dass die Kinder zum ersten Mal an einem Computer arbeiten konnten, dass die Kinder zum ersten Mal das Internet nutzten und dass wir ihnen einen besonderen Nachmittag boten. Was uns den Reaktionen der Kinder nach auch vollauf gelang.

Donnerstagvormittag hatten wir uns gedanklich bereits darauf eingestellt nach Mankessim zu fahren, um die von uns benoetigten Oelfarben kaufen zu koennen, stellten dann aber positiv ueberrascht fest, dass unsere Farbverkaeuferin in Ajumako tatsaechlich unsere Farbwuensche erfuellen konnte. Verwendung werden die Farben erst am kommenden Dienstag finden, dann werden wir um des interkulturellen Austausch Willen die Kartenumrisse von Deutschland und Ghana mit den Teilnehmern des Kids Clubs an eine Aussenwand des Schulkomplexes zeichnen und dann die Umrisse in den entsprechenden Farben mit Handabdruecken fuellen.
Am Nachmittag nahmen wir dann die restlichen Teilnehmer des Youth Clubs zum Internetbesuch mit. Da es sich dabei bis auf eine Ausnahme um Schueler der aeltesten Jahrgangsstufe handelte, waren sie zum Teil bereits mit dem Umgang von Computern vertraut, was sich im geschickteren Bedienen des Computers widerspiegelte. Einer der Schueler, Daniel, der von allen Schuelern wahrscheinlich am besten Englisch spricht, sich dessen allerdings auch bewusst ist und deshalb meint er koenne den Clown spielen, liess sich auch dieses Mal die Gelegenheit nicht entgehen Bloedsinn zu treiben. Bei seiner zur Recherche gewaehlten Person (Michael Jackson) haette ich es eigentlich schon ahnen sollen, aber tat es natuerlich nicht und war somit spaeter damit beschaeftigt ihn von einer Seite weg zu nagivieren auf der Michael Jacksons unterschiedliche operativen Veraenderungen mit verschiedenen Filmmonstern verglichen wurden. Letztendlich leistete Daniel aber doch recht annehmbare Arbeit, auch wenn ich ihn allein haeufier ermahnen musste, als meine Kollegen die anderen Gruppen zusammen.

Fuer Freitagmorgen hatten wir mit unserer NGO vereinbart, sie unserer zweiten Schule vorzustellen. Wie nicht anders erwartet verliessen wir das Buero erst 40 Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt, immerhin lief das Treffen mit dem stellvertretenden Schulleiter in Abowinum reibungslos, so dass wir kurze Zeit spaeter von unserer NGO an der Schule in Ankukrom abgeliefert werden konnten. Dort bestand unser Arbeitstag darin mit den Lehrern gemeinsam gegen eine Schuelermannschaft im Fuss- und Volleyball anzutreten. Da ich aufgrund meiner Knieverletzung zum Zuschauen verdammt war, beobachtete ich wie Enrico und Bugs grossen Anteil am souveraenen Sieg im Volleyballspiel hatten. Beim Fussball konnte ich mich immerhin als Schiedsrichter nuetzlich machen, da es sich um ein Spiel zwischen Schueler- und Lehrerschaft handelte hatte ich keine Bedenken den Schiedsrichter zu geben, die sonst mehr als angebracht gewesen waeren; denn bei der Mehrzahl der Spiele des Ajumako-Teams hatte es stets Ausschreitungen wegen strittiger Schiedsrichterentscheidungen gegeben. Die Rolle des Schiedsrichters ist in keinem Land besonders dankbar, aber hier schaetze ich sie als besonders undankbar ein, denn wie ein Mitspieler im Ajumako-Team mir mitteilte, wird vom Schiedsrichter eine faire Spielleitung erwartet, wobei er gleichzeitig nicht ausser Acht lassen darf welche Mannschaft Heimrecht hat, denn das muss ja entsprechend beruecksichtigt werden. Die Mannschaft gestalteten meine Aufgabe sehr einfach, so dass ich weder Ausschreitungen noch Fanproteste in irgendeiner Weise heraufbeschwor. Trotz grossem Einsatzes konnten Bugs und Enrico die knappe 1-0 Niederlage der Lehrmannschaft nicht verhindern, besonders bitter war, dass das Gegentor in der Nachspielzeit nur zwei Minuten vor Abpfiff fiel. Auf Draengen beider Mannschaft hin, fand noch ein abschliessendes Elfmeterschiessen statt, obwohl beide Mannschaften sich bewusst waren, dass es absolut gegenstandslos war.
Am spaeten Nachmittag erhielt ich eine Postkarte aus New York, was mich sehr freute, da ich doch erst vor kurzem einen Brief aus Denver erhalten hatte und nicht damit gerechnet hatte so schnell hintereinander Post zu bekommen, an dieser Stelle folglich eine kleine Danksagung an dich Larissa, ich freu mich immer von dir zu hoeren.
Nach dem Abendessen setzten wir uns zu dritt zusammen und planten bei Kerzenschein und Kuschelrockmusik die vorlaeufige Route fuer unsere Westafrikareise im Dezember. Basierend auf diesem ersten Plan werden wir naehere Informationen zu Unterkuenften, Nationalparks und anderen Sehenswuerdigkeiten sammeln und daraufhin die Details unserer Reise ausarbeiten. Warum planten wir bei Kerzenschein und Kuschelrockmusik, ganz einfach wir hatten mal wieder einen laengeren Stromausfall, wie auch schon vor dem Abendessen, so dass Kerzen unsere Lichtquellen waren, das bei einer solchen Atmosphaere die passende Musik, naemlich Kuschelrock, nicht fehlen darf ist doch ganz klar. Ob es angeregt durch die Musik, die Kerzen oder die gesamte Atmosphaere war weiss ich nicht, aber nach und nach verebbte unser Gespraech und unsere Gedanken schweiften ab, Bugs, der fast schon am Schlafen war, zog sich recht bald in sein Bett zurueck, waehrend Enrico und ich unseren Gedanken nachhingen und auf die Woche zurueckblickten. Insgesamt habe ich hier wie noch nie zuvor die Ruhe, Zeit, und vor allem genuegend Gelassenheit und Entspannung meine Gedanken zu fokussieren, Ideen zu fassen, festzuhalten und zu verfeinern daraus Plaene zu formen und mich mit deren Umsetzung zu befassen.

Dienstag, 10. November 2009

Da ich familiaere Klagen bezueglich der unertraeglichen Laenge meiner Eintraege bekommen hatte (gell Katharina), verzichtete ich in den letzten Wochen auf die kulturellen Eigenheiten/ Besonderheiten zu Beginn meiner Berichte. Nun also mal wieder ein solcher Einschub: Ghanaer zeigen zwar in manchen Bereichen des oeffentlichen Lebens grosse Zurueckhaltung (bspw. beim Kuessen, zeigen von Intimitaet etc.), auf der anderen Seite jedoch zeigen sie eine Unverforenheit was oeffentliches Urinieren angeht, dass ich immer wieder erstaunt bin. Wie immer trifft das natuerlich nicht auf alle Ghanaer zu und man sollte keine voreiligen Schluesse ziehen, doch es ist eine ueberraschend grosse Anzahl. Selbst Ghanaer auf unserem Gesdi-Gelaende, auf welchem alle Wohnungen mit Toiletten ausgestattet sind, lassen es sich nicht nehmen, morgens trotzdem in den Abfluss oder das Gras vor dem Haus zu pinkeln. Auch unser Gastbruder Brian kann sich dieses Verhalten nicht erklaeren und teilt mein/ unser Unverstaendnis. Beim Thema des Urinieren angekommen, gibt es eine weitere erwaehnenswerte Eigenheit hier in Ghana, naemlich auch Frauen verrichten dies, wenn nicht auf der Toilette, sondern bspw. im Schatten hinter dem eigenen kleinen Laden, stehend. Wie die Ghanaerinnen dazu faehig sind, kann ich mir nicht erklaeren, aber es gibt auch Dinge, die Mann so genau nicht zu wissen braucht.

Sonntags beim Abendessen erfuhren wir einiges ueber die neuesten Entwicklungen in Accra was wie sooft fuer viel Lachen sorgte und unser Bild von Accra weiter zementierte.

Montagvormittag bereiteten wir die letzten Punkte des fuer Dienstag geplanten Kids Clubs vor, und verschafften uns danach einen Ueberblick ueber unsere finanzielle Projektlage und versuchten weitere Antraege und Abrechnungen fertig zu stellen, da bis Ende November/ Anfang Dezember alle Ausgaben des Jahres zur Pruefung vorliegen muessen. Nachmittags widmeten wir uns dann dem Sportprogramm der Junior High School und stellten dabei fest, dass die juengeren Grundschulkinder (Primary) in der letzten Woche unsere Vorgaben und Uebungen weitaus besser und professioneller umgesetzt hatten. Wie bisher ueblich teilten wir zwei Mannschaften ein, fuehrten das Training durch mit abschliessendem Spiel gegeneinander. Meinem Assistenztrainer (Bugs) und mir stand wieder einmal Enrico gegenueber, dem es allerdings wieder nicht gelang meine Siegesserie zu brechen, somit fuegte sich der 1-0 Triumph nahtlos in die vorangegangene Siegesreihe ein.

Dienstagvormittag fuehrte ich das erste von einer ganzen Reihe von anstrengenden Gespraechen mit meiner Krankenversicherung, welches kaum zur Klaerung meiner eigentlichen Fragen beitrug und mich im Endeffekt nur aufregte. Noch waehrend ich mit dem Gespraech oder der "Sie werden verbunden"-Musik beschaeftigt war, erreichte Enrico ein Anruf unseres Schuldirektors, der die Besichtigung einer Palmwein-Produktionsstaette organisiert hatte. Dementsprechend brachen wir sofort nach Beendigung meines Gespraechs auf. Diese Besichtigung hatte zur Folge, dass wir gezwungen waren das vereinbarte Mittagessen abzusagen, was unsere Gastmutter scheinbar verstimmte, weshalb wir nach Beendigung des im Anschluss an die Palmwein-Besichtigung stattfindenden Kids Clubs vorbeischauten, um uns zu entschuldigen und die aeusseren Umstaende zu schildern, dabei stellte sich heraus, dass wir uns ein wenig zu viel Gedanken gemacht hatten und die Situation nicht so angespannt war, wie gedacht. Die Besichtigung der "Palmwein-Fabrik" sah folgendermassen aus, wir wurden von einer Schuelerin, die zugleich Tochter des "Fabrikbetreibers" ist, 30 bis 45 Minuten durch den Busch zur Produktionsstaette gefuehrt. Dort werden die 20-25 Jahre alten Palmen gefaellt, ein Loch in den Stamm gebohrt und dieser dann angeschnitten, sodass die Fluessigkeit innerhalb des Stammes fliessen kann, der in Kanistern gesammelte Palmwein kann nach dem Abfiltern von Insekten, die gelegentlich in den Palmwein fallen, direkt getrunken werden. Der suesse Geschmack des frischen Palmweins vergeht recht zuegig mit der einsetzenden Gaerung, weshalb wir den jungen Palmwein bevorzugen. Der Palmwein selbst kann noch weiterverarbeitet werden naemlich durch Destillation zu hochprozentigem Akpeteshie, was auch dort vor Ort durchgefuehrt wird. Am Ende unserer Fuehrung waren wir stolze Besitzer einer frisch abgefuellten Flasche Palmwein und drei Tage spaeter kam auch noch eine 1,5 Liter Flasche Akpeteshie-Schnaps hinzu.

Mittwochvormittag verbrachten wir damit Hoelzer zu kaufen und per Pick-Up von einem Schreiner zum anderen zu transportieren, fuer noch mehr Aufsehen als sonst sorgten wir dadurch, dass wir auf der Ladeflaeche des Pick-Ups mitfuhren, da alle regulaeren Plaetze besetzt waren. Am Nachmittag schafften wir es endlich die letzte Hygiene-Einheit mit dem Youth Club in die Praxis umzusetzen, indem wir mit Muelltonne, Schubkarre, Macheten, Spaten und Besen bewaffnet im Dorf den Muell sammelten und teilweise den Abfluss freischaufelten. Dabei ging es insbesondere fuer mich bis an und ueber die Ekelgrenze, denn mit Enrico abwechselnd ein Gemisch aus Erde, Pflanzen, Abfaellen aller Art und Faekalien aus dem Abfluss zu schaufeln ueberstieg alle meine bisherigen Ekelschwellen. Am Ende unserer Reinigungs-Aktion kam ein Mann aus dem Dorf vorbei, den die Kinder mit den Worten "Hard-working man, come and help us!" herbeiriefen, er nahm sich ohne lange zu ueberlegen den Spaten, stellte sich mitten in den widerlichen Abfluss und fing unmittelbar an den Dreck rauszuschaufeln. Auf meine Nachfrage erklaerte mir ein Schueler, dass der Mann eben so sei, er komme manchmal auch einfach bei anderen Haeusern vorbei und schneide das Gras, ausserdem spreche der Mann aufgrund eines Aufenthalts in den USA fliessend Englisch, waehrend dieses Aufenthaltes soll aber auch etwas an ihm vorgenommen worden sein, weshalb er nun so seltsam sei. Da wir schon recht viel gearbeitet hatten, die Schueler langsam nach Hause wollten und ich mich in der Situation mit dem "hard-working man" sehr unwohl fuehlte beschlossen Enrico und ich die Arbeit abzubrechen. Daraufhin wiesen die Kinder den Mann noch an sich jetzt zu waschen und schickten ihn los dies zu tun. Was mich in dieser aber auch in anderen Situationen immer wieder verbluefft ist wie teilweise scheinbar gleichgueltig und ohne die angemessene Nachsicht mit den schwachen, behinderten oder verwirrten Menschen umgegangen wird; was im krassen Gegensatz zu so vielen anderen Situationen steht, in denen ich ueberwaeltigt bin von der Hilfsbereitschaft, Fuersorge und Ruecksichtnahme nicht nur uns gegenueber, sondern vor allem unter den Ghanaern. Ich kann die Diskrepanz im Verhalten in den einzelnen Situation nicht nachvollziehen, moeglicherweise sind es einfach charakterliche Unterschiede der betreffenden Personen.

Donnerstags war es dann so weit, das erste Treffen mit unserer neuen Mentorin. In diesem Rahmen erfuhren wir, dass Projektgeldantraege und dergleichen doch anders gehandhabt werden als wir dachten und wir uns bisher ueberfluessige Arbeit gemacht haben. Abschliessend hatte ich noch die Gelegenheit Fragen zur Versicherung und meinem Knie zu stellen, wodurch ich einiges mehr an Durchblick erlangte als durch die vorhergegangenen anstrengenden Telefonate mit der Versicherung.

Freitag stellten wir zu unserer Ernuechterung fest, dass wir nicht mehr die einzigen Weissen in Ajumako waren. Zwei weitere deutsche jungendliche Frauen werden fuer voraussichtlich sechs Monate als Freiwillige der UNO in Ajumako wohnen und in den umliegenden Doerfern im Projekt "Hope For Future Generations" arbeiten. Durch das uns drei Maennern entgegengebrachte Verhalten wurde keine Grundlage fuer Beziehungen auch nur irgendeiner Art geschaffen, und so verhalf uns allein der hochprozentige Schnaps zu einem angenehmen Abend.

Fuer Samstag hatten wir mit Jethrow, einem Lehrer unserer Schule in Ankukrom, eine Fuehrung durch seinen Heimatort Saltpond vereinbart. Saltpond ist eine kleine Fischerstadt, deutlich groesser als Ajumako, auf dem Weg von Mankessim nach Cape Coast gelegen. Neben dem wunderschoenen Strand, beeindruckten mich vor allem die unmittelbar am Strand aus Palmstaemmen und Palmwedeln gebauten Fischerhuetten. Der Anblick einer Betonbaustelle fuer ein wie ich vermute "regulaeres Haus" in der gleichen Siedlung war fuer mich sehr befremdlich, da ein Betonhaus meiner Meinung nach in dieser Fischersiedlung aufgrund der herrschenden oekologischen Bedingungen weder sinnvoll noch in irgendeiner Weise aesthetisch waere. Ein bei aller Schoenheit nicht zu vernachlaessigender deutlicher Nachteil der Palmhuetten ist jedoch das fehlende Toiletten- und Kanalisationssystem, was unweigerlich dazu fuehrt, dass die frei zugaenglichen Straende (Beach Resorts wie Anomabo natuerlich nicht) als oeffentliche Toiletten genutzt werden, dementsprechend sah ich bei dieser Gelegenheit mehrer Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die sich im Sand erleichterten.
Jethrow, der selbst seit Jahren nicht in dieser Gegend seines Heimatortes gewesen war, nutzte die sich ihm bietende Moeglichkeit um nach einem alten Grundschulfreund zu fragen, den er bereits 20 Jahre nicht gesehen hatte. Die Ueberraschung und Freude war seinem ehemaligen Schulkameraden deutlich anzusehen, auch wenn unser Aufenthalt nur sehr kurz war. Im Anschluss an das hervorragende von Jethrows Mutter und einer Freundin der Familie zubereitetem Mittagessen, ging es fuer uns drei weiter nach Cape Coast um zum ersten Mal seit Langem wieder einmal in den Genuss einer schnellen, unproblematischen Internetverbindung zu kommen.

Den Samstagabend und die Nacht verbrachten wir bei zwei Freiwilligen in Asikuma (Hannah und Larissa), Hannah hatte sich bei unserer Ankunft bereits zum Schlafen zurueckgezogen, so dass Larissa ganz allein mit uns dreien fertig werden musste. Der von uns mitgebrachte Akpeteshie leistete auch hier gute Dienste und so legten wir uns alle gut gelaunte um ca. ein Uhr schlafen, nur um vier einhalb Stunden spaeter eher unsanft geweckt zu werden, indem eine Tuete Wasser ueber uns ausgeschuettet wurde, denn unsere Gastgeber wollten sehr frueh aufbrechen um frueh im Kakum-Nationalpark zu sein.

Das morgendliche Wasser tat der Stimmung auch keinen Abbruch und so trennten wir uns an der Trotro-Station, denn wir wollten nicht in den Kakum-Park, sondern wieder in die Eastern Region zum laut Reisefuehrer und ghanaischem Tourismusministerium groessten Baum Westafrikas. Dort angekommen mussten wir nur ein kleines Hindernis ueberwinden und dann sahen wir den Baum, zu dessen Fuessen sich eine kleine Opfergabenstaette fuer die Anhaenger der traditionellen Religion befindet, in voller Groesse. Die vorgeschriebene, beste, moeglicherweise auch einfach nur beliebteste ( oder vielleicht alles in einem) Opfergabe scheint Akpeteshie zu sein, denn davon lagen einige leere Flaschen (das Darbringen des Opfers besteht unter anderem im verschuetten des Schnaps) im Schrein zwischen den Wurzeln des Giganten. Nach Besichtigung des Baums kehrten wir unverzueglich nach Ajumako zurueck um dort noch moeglichst viel zu entspannen und uns noch ein wenig von der vorangegangenen kurzen Nacht zu erholen.

Donnerstag, 5. November 2009

Freitagnachmittag machten wir uns nach der Computerunterrichtseinheit fuer die Grundschullehrer zu dritt auf den Weg nach Mankessim, wo wir wie mit Inken zusammentrafen, die es sich zutraute ein ganzes Wochenende mit uns zu verbringen. Der nicht einmal annaehernd ausgearbeitete "Plan" sah vor, von Mankessim nach Koforidua in die Eastern Region zu reisen, dort zu uebernachten und am naechsten Tag von Koforidua nach Anyiam zu gelangen, welches in der Naehe von Adasawase liegt, wo wiederum sich das eigentliche Ziel unserer Expedition der Tini-Wasserfall befand.

Klingt das in der Theorie doch recht einfach und unkompliziert mussten wir bereits in Mankessim feststellen, dass wir uns getaeuscht hatten und moeglicherweise den Details mehr Aufmerksamkeit haetten schenken sollen, denn entgegen unserer von Emmanual erhaltenen Information, fuhr kein direktes Trotro nach Koforidua. Nun hatten wir die Wahl nach Oda zu fahren und von dort aus nach Koforidua zu gelangen oder ueber die geliebte Hauptstadt Accra dorthin zu reisen, da wir vermuteten, dass der Weg nach Oda ueber viele kleine Doerfer mehr Zeit beanspruchen wuerde als der ueber Accra entschieden wir uns fuer die Accra-Route. Bei unserer Entscheidung unterschaetzten wir, trotz besseren Wissens, die auf uns zukommenden Wartezeiten durch Stau im Stadtverkehr.
Erst einmal am Kaneshie-Markt angelangt irrten wir auf der Suche nach der Koforidua-Station umher, um dann zu erfahren, dass der Trotro-Mate und nicht der Trotro-Fahrer (Besatzung eines Trotros besteht im Normalfall aus Mate und Fahrer, wobei der Mate das Geld einsammelt und die Fahrgaeste ein- und aussteigen laesst) recht hatte und wir zur Circle-Station mussten. Dort angekommen schlug ich zielsicher den richtigen Weg zur naechsten, aber falschen Trotro-Station ein, an der wir auf die Frage nach dem Koforidua-Trotro zu hoeren bekamen: "Oh, you've lost!" Fuer Sekunden befuerchteten wir das Schlimmste, naemlich, dass das letzte Trotro gerade abgefahren sei, und waren dementsprechend erleichtert, als der Herr seiner ersten Aussage die Wegbeschreibung zur richtigen Station folgen liess. Endlich im richtigen Trotro sitzend, dauerte es auch noch ein wenig bis auch der letzte Fahrgast zugestiegen war und es ging los. Fuer einen guten Teil der Strecke hatte ich das Gefuehl wir haetten Accra noch immer nicht verlassen, was zum einen daran lag, dass der Trotro-Fahrer einmal kehrt machte und wir einen Teil der Strecke zurueckfuhren um einen anderen Weg einzuschlagen, und zum anderen daran, dass Accra meinem Empfinden nach nahezu fliessend in die naechste Stadt Achimota uebergeht.
Als wir nach Stunden des Trotro-Fahrens endlich unser Tagesziel Koforidua erreichten, war es bereits sehr spaet und wir hofften so schnell wie moeglich das von uns waehrend der Trotro-Fahrt ausgesuchte Hotel zu finden. Mit der freundlichen Hilfe eines Ghanaers bekamen wir auch sofort ein Taxi, das uns fuer einen angemessenen und fairen Preis zum Hotel bringen wuerde.

Zu unserer Ernuechterung mussten wir allerdings feststellen, dass es bereits ausgebucht war. Spaetestens zu diesem Zeitpunkt offenbarten sich eklatante Schwaechen in unserem "Plan" fuer das Wochenende. Unser gutmuetiger Taxifahrer (Osei-Bonsu) schlug weitere Hotels in der gleichen Preisklasse vor und so klapperten wir eines nach dem anderen ab, nur um jedes Mal zu erfahren, dass kein Zimmer mehr frei sei. Unsere wachsende Frustration und die ersten Anfluege von Sorge erkennend bot der Osei-Bonsu fast schon beilaeufig an, dass wir bei ihm uebernachten koennten, auch wenn das Zimmer keinen Strom habe. Ob er den Vorschlag wirklich ernst meinte weiss ich nicht, wir nahmen nach kurzer Ueberlegung an, denn die Aussichten noch ein Zimmer zu bekommen waren aufgrund einer in Koforidua stattfindenden Konferenz (diese Information erfuhren wir von unserem Taxifahrer) verschwindend gering. Aus seiner Reaktion weiteren Versuchen ein freies Hotel zu finden, schloss ich, dass sein aller Wahrscheinlichkeit nach aus Mitleid motiviertes Angebot der Uebernachtungsgelegenheit nicht wirklich durchdacht, ein wenig vorschnell geaeussert und wahrscheinlich auch nicht vollkommen ernst gemeint war. Doch er stand zu seinem Wort und ging noch weit darueber hinaus, denn neben dem Zimmer ohne Strom, in dem nur Enrico und ich schliefen, obwohl wir dort zu viert haetten schlafen koennen, weckte er fuer Bugs und Inken sogar seine Ehefrau auf und raeumte kurzer Hand sein Ehebett. Zu sagen wir waren peinlich beruehrt waere eine gelinde Untertreibung, keine Situation hier in Ghana war bisher auch nur ansatzweise so peinlich. Waehrend er das Zimmer herrichtete, bat er uns im Wohnzimmer platzzunehmen, ungeachtet seines schlafenden Sohnes, der auch noch aufwachte. Ueber dessen Gedankengaenge, mitten in der Nacht aufwachend und vier Weisse bei ihm Wohnzimmer sehend, kann ich nur spekulieren, aber ich hoffe er traegt keine Folgeschaeden davon.

Am naechsten Morgen begruesste uns Junior, der Enrico gleich mitnahm zu einer Erkundung des Gelaendes bei der Gelegenheit fragte er Enrico aus, ob wir noch eine Nacht blieben, wie lange wir in Koforidua blieben, ob wir noch einmal zurueckkaemen, wenn nicht am selben Tag vielleicht waehrend des verbleibenden Rests des Jahres. Enricos fruehmorgendlicher Ausflug dauerte laenger als gedacht, so dass ich zuerst alleine, spaeter mit Bugs und Inken im Wohnzimmer sass. Gluecklicherweise freute sich die Schwiegermutter darueber Weisse im Haus zu haben; ich war ueberrascht am Morgen so freudig zu begruesst werden, nachdem wir doch mitten in der Nacht angekommen waren und grosse Unannehmlichkeiten verursacht hatten. Kaum war Enrico zurueckgekehrt machte sich unser Gastgeber fertig um uns zur Trotro-Station zu fahren. Dort angekommen fragten wir ihn nach dem Preis fuer die verschiedenen Fahrten der letzten Nacht, woraufhin er erwiderte: "Whatever you feel, is right. But for the accommodation, that is free!" Ich vermute aufgrund seiner Ueberraschung und Freude, dass der von uns bezahlte Betrag fuer ihn unerwartet hoch war, aber das war das Minimum, schlieslich hatte er fuer die Uebernachtung keine Entschaedigung annehmen wollen. Nur eine Bitte stellte er, und zwar, dass wir ihm und seiner Familie mal einen Brief schrieben, weshalb er uns seine Adresse mitgab. Noch den gesamten Rest des Wochenendes kehrten meine Gedanken zu dieser bemerkenswerten Uebernachtung zurueck, die offene, herzliche, fast schon selbstlose Gastfreundschaft, die als Selbstverstaendlichkeit vermittelt wurde, sowie das unverschaemte Glueck im Unglueck gerade an jenen Taxifahrer zu geraten erstaunte mich wann immer ich daran dachte wie unvorbereitet und ungeplant wir an alles herangegangen waren.

Nach einiger Zeit kamen wir endlich in Adasawase an, fuer die geringe Gebuehr von drei Ghana Cedi stellte einer der Dorfaeltesten uns einen Jungen als Fuehrer zur Seite, der uns zum Wasserfall fuehren sollte. Und wie er das tat, die Fuehrung wurde durch das von unserem jungen Guide angeschlagene Tempo fast schon zum Gewaltmarsch, das ganze bei hoher Temperatur, sehr hoher Luftfeuchtigkeit und einem steigungsvollen steinigen Pfad. Der Weg und die auesseren Bedingungen waeren bereits genug gewesen um in Schweiss auszubrechen, die vorgelegte Geschwindigkeit jedoch verwandelte die Rinnsale fast schon in unsere persoenlichen Wasserfaelle. So marschierten wir zwei Kilometer stets begleitet vom bei Zeiten nahem oder fernen Rauschen des Flusses, der aus dem Wasserfall entspringt. Selbst waehrend unseres anspruchsvollen Wegs fiel mir die wieder auf, wie intensiv die Farben hier sind, das Gruen der Pflanzen, das leuchtende Gelb, Tuerkis, Orange oder Rot der Schmetterlinge.

Die Bezeichnung des Wasserfalls, der im Reisefuehrer als der zweitgroesste Wasserfall Ghanas gefuehrt wird und dort als ein 65 m Ungetuem bezeichnet wird, empfand ich persoenlich als unpassend, denn das Wort "Ungetuem" ruft bei mir Assoziation wie "schrecklich", "wild", "ungeheuerlich" hervor. Der Tini-Fall war vielmehr eine atemberaubende Schoenheit. Anders als bspw. bei den Niagara-Faellen hatte der Wasserfall nicht die reissenden gewaltigen Wassermassen; das wie in straehnen-fallende Wasser wurde sichtlich von der leichten Brise, die in der Lichtung herrschte und durch welche wir alle mit angenehm kuehlenden Wasserdunst bedeckt wurden, erfasst, verformt und teilweise davongetragen. Nachdem wir erst einmal alle Fotos gemacht hatten, nahm ich mir einen Moment um in vollkommener Stille, die Eindruecke auf mich wirken zu lassen, das Aufprallen des Wassers auf die Felsen, der Wasserdunst auf meiner Haut, die schlichte Schoenheit der Lichtung, in diesem Augenblick war jeglicher Stress und Hektik ganz weit weg, vergessen die chaotische Anreise, es zaehlte nur der unmittelbare Moment.

Zurueck im Dorf mussten wir noch einen kurzen Besuch beim Chief und den Aeltesten abstatten, die eigentlich sich vorbereiteten an einer Beerdigungsfeier teilzunehmen, uns aber vor unserer Abreise baten die Attraktion des Wasserfalls weiterzuempfehlen, wir versicherten unser Bestes zu tun und machten uns per Taxi auf den Weg nach Anyiam. Da wir Accra vermeiden wollten, kehrten wir nicht einmal nach Koforidua zurueck, sondern nahmen von Anyiam ein Trotro, welches nach Accra fuhr, stiegen aber in Suhum aus, von Suhum ging es per Trotro nach Asawakese, von dort aus in einem anderen Trotro nach Swedru, wo wir uns letztendlich von Inken trennten, die ein Trotro direkt nach Cape Coast nahm, waehrend wir ins Ajumako-Trotro einstiegen. Im Nachhinein laesst sich sagen, dass zumindest fuer die Rueckfahrt aufgrund der frueheren Tageszeit, der Weg ueber Accra aller Wahrscheinlichkeit nach schneller und unkomplizierter gewesen waere, aber mit Sicherheit kann man das nicht sagen, denn Accra ist immer fuer eine Ueberraschung gut.

Abschliessend kann ich sagen, dass es ein unvergleichliches Erlebnis war, die herzliche Gastfreundschaft Osei-Bonsus, sowie die ueberwaeltigende Schoenheit des Wasserfalls alleine waren die Reise wert gewesen, nicht vergessen darf ich die fabelhafte Inken, die gutmuetig sowohl unsere fehlende Koordination und Organisation, als auch unser nicht enden wollendes Dummgeschwaetz ertrug und immer wieder bewies, dass auch Frauen ironisch und schlagfertig sein koennen ;)