Donnerstag, 27. August 2009

Bevor ich zu meinen Tagesberichten komme, moechte ich ein paar Eigenheiten schildern, die ich als bemerkenswert empfinde. Haende sind hier in vielerlei Hinsicht von grosser Bedeutung, zum einen wird die linke Hand als schmutzige (Klo-)Hand gesehen, dh man sollte immer die rechte Hand benutzten unabhaengig davon ob man bezahlen, etwas entgegennehmen oder sonst etwas machen will; benutzt man die linke Hand sendet das an den Empfaenger eine Botschaft der Respektlosigkeit, man vermittelt das Gefuehl den anderen bzw. die von ihm erbrachte Leistung (als Verkaeufer oder dergleichen) nicht zu schaetzen. Haendchen-Halten hat hier eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland; hier wird dadurch einfach nur ein freundschaftliches Verhaeltnis ausgedrueckt und nicht notwendigerweise ein romantisches, so dass ich immer wieder Maenner haendchen-haltend durch die Strassen gehen sehen. Besonders witzig war es, als vor mir in Mankessim zwei maennliche Soldaten haendchen-haltend patroullierten; leider konnte ich es nicht fotografieren, da Fotos von Polizei, Militaer oder anderen Autoritaeten sofort beschlagnahmt werden, und dann ist auch ganz schnell nicht nur das Foto geloescht, sondern die Kamera beschlagnahmt. Da das Hand-Halten ein Zeichen von Freundschaft ist, wird auch zur Begruessung die Hand gereicht und oft kommt es vor, dass der andere laenger an der dargebotenen Hand festhaelt, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Interessant ist auch eine andere ghanaische Verhaltensweise, wann immer jemand etwas schlechtes berichtet, bekunden Ghanaer ihr Mitgefuehl indem sie, "I'm sorry." sagen, so als seien sie dafuer verantwortlich. Durch meine Knieverletzung, die durch mein Humpeln sehr offensichtlich war, hoerte ich dieses "I'm sorry" sehr haeufig, aber daran gewoehnt habe ich mich noch nicht ganz.

Meine Anlaufstelle fuer das Hochladen von Blogeintraegen und vor allem von Fotos ist Cape Coast, von dort habe ich auch den letzten Eintrag abgeschickt. Der Tag in Cape Coast war sehr erfolgreich, da wir ein Internet-Cafe fanden, das sich als sehr schnell herausstellte. Die Verbindung war so stabil und schnell, dass ich sogar deutsche und internationale Nachrichten lesen konnte, was eine willkommene Abwechslung war. Den Tag nutzten wir zudem dazu uns zu erkundigen wie viel ein gebrauchter Computer fuer unsere Einsatzschule kosten wuerde, also ein komplettes Paket aus Tower, Monitor, Maus und Tastatur. Unsere Vorgaenger hatten naemlich einen Computerraum gebaut und der Schuldirektor einen durch Spenden aus dem Dorf finanzierten Computer erworben; da wir bei unseren Projekten auf Nachhaltigkeit achten sollen, haben wir uns ueberlegt durch einen oder mehrere weitere Computer und verstaerkten "Informatik-Unterricht" (insbesondere der Lehrer) eine Grundlage fuer kommende Jahre zu bilden. Also holten wir ein Angebot in Cape Coast ein und ein weiteres in Mankessim, wobei das letztere ein wenig guenstiger war. Mit dem Schuldirektor vereinbarte ich telefonisch ein Treffen fuer Freitag, allerdings sollte ich um den genauen Zeitpunkt abzuklaeren am naechsten Tag anrufen.
Abends in Ajumako luden uns Frank und sein Bruder ein erst beim Coach vorbeizuschauen und dann noch zu einem Gospelfest zu gehen, Cora und Bugs lehnten dankend ab, waehrend Enrico und ich zustimmten. Aus dem kurzen Vorbeischauen beim Coach wurden schnell wieder zwei Stunden voll mit interessanten Gespraechsthemen, so dass es Frank zu spaet war um noch zum Gospel zu gehen. Allerdings war das nicht weiter tragisch, da das Fest ueber drei Tage stattfand und Frank also noch zwei Abende hatte um uns mitzunehmen.

Den Donnerstag wollten wir alle in erster Linie zum Waschen/Buegeln, also fuer Hausarbeiten nutzen, allerdings machte der erste laengere Stromausfall uns einen Strich durch die Rechnung. Zwar hatten wir bereits mehrere Stromausfaelle gehabt, aber noch keinen der wie dieses Mal ueber mehrere Stunden ging. So war es eine willkommene Abwechslung, dass Frank und sein Bruder Emmanual vorbei kamen um sich bei uns die Zeit zu vertreiben. Nebst Fussball, Musik und Politik wurde auch die deutsche Geschichte wieder thematisiert, aber dem Umgang mit diesem Thema moechte ich in naher Zukunft einen expliziten Blogeintrag widmen, deshalb gehe ich jetzt nicht naeher darauf ein. Als wir nachmittags endlich wieder unter Strom standen, konnte ich meine geplanten Hausarbeiten erledigen, und dann stand fuer Enrico auch schon das taegliche Fussballtraining auf dem Plan, ich bin leider noch zum Zuschauen verdonnert, da der Arzt hat mir ein vierwoechiges Sportverbot erteilt hat.
Nach dem Abendessen gingen Bugs, Enrico und ich mit Frank, Emmanual und Osei zum Gospelabend. Dort waren wir eine echte Attraktion, so wie wir Fotos von der Veranstaltung machten, so wurde im gleichen Masse von uns Fotos gemacht, was uns dazu bewegte jegliche Scheu bezueglich des Fotografierens abzulegen. Der Abend war sehr stimmungsvoll: Leidenschaftliches Singen und Tanzen, das uns zur Freude aller schnell ansteckte, so dass wir mit tanzten, klatschten und bei den wenigen englischen Liedern auch mitsangen. Um es mit Franks Worten wiederzugeben: "You have to go crazy for the Lord!", auch wenn wir es in erster Linie als kulturelles und nicht als religioeses, spirituelles Erlebnis auffassten. Ich hoffe zu einem spaeteren Zeitpunkt Videos von dem Abend hochladen zu koennen, denn die Hingabe und Freude der Menschen ausreichend mit Worten wiederzugeben ohne dabei zu cliche-lastig zu werden faellt mir sehr schwer. In jedem Fall war es ein besonderes kulturelles Erlebnis, an das ich mich noch lange mit einem Laecheln erinnern werde.

Freitags stand nun das Treffen mit dem Headmaster um 10.00 Uhr an, fuer einen Ghanaer war er auch recht puenktlich, er kam um 10.30 Uhr, und bat um Entschuldigung, da er aus einem etwas weiter entfernten Dorf hatte kommen muessen. Mit ihm sprachen wir unsere Plaene fuer die noch verbleibenden Ferienwochen durch und auch moegliche Langzeitprojekte, die das ganze Jahr ueber laufen sollen. Unsere Idee des Ferien-Unterrichts mussten wir leider verwerfen, da unser Schuldirektor der Meinung ist, wir sollten die Kinder und ghanaische Unterrichtsmethoden erst ein wenig kennen lernen bevor wir selbst unterrichten. Unsere Alternative fuer die kommende Zeit war die Neu-/ Umgestaltung einiger Raeume nach dem Vorbild eines Projekts unserer Vorgaengerinnen im Zuge dessen sie in einem der Kindergartenraeume das Alphabet sowie die englischen Zahlen 1-10 an die Wand geschrieben hatten. Zusaetzlich werden wir mit Hilfe des Direktors eine Inventur machen um die Schulbaenke/ -tische zu ueberpruefen und ggf. zu reparieren. Nach diesem erfolgreichem Gespraech war meine bisherige (nicht mehr starke, aber dennoch vorhandene) Frustration verflogen und ich freute mich auf Montag, den Tag der Schluesseluebergabe und gleichzeitig der Beginn produktiven Arbeitens.

Ueber das Wochenende bekamen wir Besuch aus Accra. Mira, eine der Freiwilligen von dort, wollte sich mal anschauen wie wir auf dem Land so leben. Abends nahmen wir sie dann gleich mal mit zum immer noch andauernden Gospelfest, zwar tanzten wir auch dieses Mal (alle bis auf Cora), allerdings blieben wir nicht so lange wie am Tag zuvor und entschlossen uns im Anschluss mit Frank, Emmanual, Osei und Ibrahim in eine Bar auf ein Guinness oder wahlweise auch Chairman (Bier mit Ingwerextrakt) zu gehen (Cora hatte sich da bereits verabschiedet und war nach Hause gegangen). Emmanual, der sich beim Gospel im Vergleich zu seinem Bruder sehr zurueckhaltend praesentiert hatte, zeigte zu Hip-Hop und R'n'B, dass er ein hervorragender Taenzer ist.

Samstags nahmen wir Mira mit zum Anomabo Beach Resort, wovon sie begeistert war, da die Straende in Accra nicht annaehernd so sauber sind und man kaum seine Ruhe hat, da staendig jemand etwas verkaufen will. Durch die Bank weg holten wir uns alle Sonnenbrand, wenn auch in unterschiedlicher Staerke, wobei Cora den schwersten hatte, dicht gefolgt von Enrico. Samstagnachmittag war eine letzte Trainingseinheit fuer Enrico vor dem Spiel am Sonntag und abends brachten wir unseren ghanaischen Freunden das Kartenspiel Arschloch ein wenig naeher. Sonntagnachmittag war das Spiel und eigentlich sollte Enrico auch eingesetzt werden, allerdings stellte sich das Spiel als aeusserst rough heraus, so dass der Coach sich im Hinblick auf Enricos Gesundheit entschied ihn nicht einzuwechseln. Mira musste uns leider nachmittags wieder verlassen um nach Accra zurueckzukehren, zumindestens versprach sie uns bald wiederzukommen, denn in Accra hat sie nie so viel "Ruhe, Platz, frische Luft, fliessendes Wasser und einfach mal Zeit um zu entspannen."

Montag Morgen stellte der Direktor uns unsere Fanti-Lehrerin vor, die sich in den restlichen Ferienwochen bemuehen wird uns zumindest einige Grundkenntnisse zu vermitteln, da insbesondere die kleinen Kinder nur wenig Englisch sprechen koennen. Des Weiteren zeigte er uns die verschiedenen Raeumlichkeiten und die noch vorhandenen Materialien, damit wir planen konnten, was noch zu besorgen war und wie viel; diese Besorgungen verrichteten wir am nachmittags.
Abends stattete uns Osei einen Besuch ab; auffaellig fuer mich war, wie hoeflich und zurueckhaltend er war im Vergleich zu Frank, der zwar auch sehr hoeflich aber viel lebhafter ist als Osei, der fast schon schuechtern wirkte. Ueber die Gruende kann ich nur spekulieren und ich moechte darauf verweisen, dass es meine persoenliche Einschaetzung ist und man daraus keine generelle Regel ableiten kann: Franks Familie scheint einen anderen finanziellen Hintergrund als Oseis Familie zu haben, da Franks Vater als Buchhalter des Gesdi (Ghana Education Staff Development Institute) ein (vermutlich) relativ hohes Einkommen hat. Aus diesen unterschiedlichen Verhaeltnissen heraus resultieren, meiner Einschaetzung nach, unterschiedlich gute Englischkenntnisse und der unterschiedliche Umgang mit uns "reichen" Weissen; wobei man charakterliche Unterschiede nicht ausser Acht lassen darf, vielleicht ist Osei generell abseits des Fussballplatzes zurueckhaltender als andere.
Dienstag war es dann endlich so weit, puenktlich und zwar wirklich puenktlich um 9.30 Uhr begann unser Fanti-Unterricht und endete um 12.00 Uhr. Neben dem Fanti-Alphabet lernten wir einfache Woerter, die Wochentage, Monate und verschiedene Begruessungsformeln, die hier aus Respektsgruenden durchaus wichtig sind. Nachdem Mittagessen machten wir uns auf um unserer NGO, der wir pro forma noch Rechenschaft schuldig sind, unseren ausgearbeiteten Wochenplan zu geben. Anders als Montagmorgen, als niemand auch nur im Buero gewesen war, trafen wir dieses Mal sogar jemanden an und ueberreichten den Plan kurz und schmerzlos. Mit dem naechsten Trotro fuhren wir nach Ankukrom um dort mit der Neugestaltung eines der Kindergartenraeume zu beginnen, tatkraeftig unterstuetzt wurden wir hierbei von zwei Schuelern. Wir hatten per demokratischer Abstimmung in unserer Vierer-WG uns fuer die Wandfarben Gelb und Gruen entschieden und die Schriftzuege bzw. Zahlen in Blau und Rot. Dank der beiden Schuelern schafften wir es die Tafelwand komplett zu streichen und ungefaehr die Haelfte einer Seitenwand. Alles in allem war es ein sehr erfolgreicher Tag und persoenlich war ich einfach zufrieden endlich etwas Produktives zu schaffen. Abends spielten wir in grosser Runde (Frank, Emmanual, Ibraham, Osei, Asante) Arschloch, so lange bis es Osei zu bloed wurde immer zu "suffern": Wer verliert muss mischen und aus dem englischen shuffel wurde dann schnell suffer. Interessant zu beobachten war, dass in der grossen Runde von Oseis Zurueckhaltung des vorangegangenen Abends nichts zu sehen war.
Mittwochvormittag lernten wir wieder Fanti, wobei wir ein wenig die aus Deutschland gewohnte Struktur des Unterrichts vermissten. Erheitert wurden unsere Unterrichtsstunden durch einen Ueberraschungsbesuch unserer Mentorin, die gerade in der naeheren Umgebung war und ueberpruefen wollte, ob wir auch tatsaechlich arbeiten oder zu Hause herumsitzen. Dabei machte sie Bugs "charmant" darauf aufmerksam, dass er aufgrund seiner Augenentzuendung nicht so gut aussehe, dies tat sie drei Mal in den zwanzig Minuten ihres Besuches und ein viertes Mal per SMS, nachdem sie bereits wieder unterwegs war. Nachmittags wandten wir uns wieder den Waenden des Kindergartenraums zu, allerdings hatten wir keinerlei Unterstuetzung von Seiten der Schueler, zwar kamen zwei, die uns zuschauten, aber selbst kein Interesse hatten zu streichen. Zurueck in Ajumako war das Freundschaftsspiel unserer Mannschaft schon im Gange und wir lagen bereits ein Tor hinten, bald darauf fiel das zweite Tor. so dass selbst der Anschlusstreffer die Gesamtleistung nicht wirklich beschoenigen konnte. Frank hatte sich, aus unerklaerlichen Gruenden, bereit erklaert das Spiel als Schiedsrichter zu leiten und spaetestens in der zweiten Halbzeit bereute er es: Hier in Ghana wird generell erwartet, dass der Schiedsrichter die Heimmannschaft bevorzugt, Frank nahm sich das sehr zu Herzen und uebersah viele Fouls und sogar grobe Taetlichkeiten, so dass die gegnerische Mannschaft und deren Fans aufgebracht das Spielfeld stuermten um mit ihm zu diskutieren, nach mehreren Minuten war immer noch keine Loesung in Sicht woraufhin Frank sich letztendlich gezwungen sah das Spiel abzubrechen. Nach dem Abendessen sassen wir gerade im Wohnzimmer, als es klopfte, wir dachten es seien Frank, Emmanual, Osei und Ibrahim, die sich bereits nachmittags angekuendigt hatten, aber stattdessen standen zwei uns vollkommen unbekannte Maenner vor der Tuer und fragten, ob wir ihnen erlauben wuerden die Nacht auf unserer Veranda zu verbringen. Sie sagten sie seien Teilnehmer des christlichen Fest/ Treffens, das in unmittelbarer Naehe von unserem Haus war bzw. noch ist (bis zum 30. August), und fuer die Nacht haetten sie keine Unterkunft haetten. Nach kurzem Ueberlegen, entschieden wir uns es ihnen zu gewaehren, da wir nicht wussten, ob es ueberhaupt vertretbar gewesen waere "Nein" zu sagen, schlieslich sind wir nach wie vor fremd in der Kultur und es handelte sich nur um eine Nacht auf der der Veranda. Konfrontiert mit der Anfrage und vor allem dem Dank "Thank you, God bless you." hatte ich ein unbehagliches Gefuehl, denn es fuehrte mir meine "erhoehte" gesellschaftliche Position stark vor Augen, wer will schon die Entscheidungsmacht darueber haben, ob eine Familie im Regen schlafen muss oder zumindest eine Ueberdachung hat um trocken zu bleiben. Insbesondere das "God bless you" empfand ich als unangenehm, da es sich um eine Kleinigkeit handelte. Hinzufuegen moechte ich noch, dass die "Veranda-Familie" keinen armen oder hilfsbeduerftigen Eindruck machte, sondern wahrscheinlich die Zeit des Festes campend verbracht hat, allerdings ohne Zelt, so dass sie bei Regen eine Ueberdachung brauchten.
Donnerstagvormittag hatten wir wieder Fanti-Unterricht und brachen von dort direkt nach Cape Coast auf.

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