Mittwoch, 19. August 2009

Nachdem ich den letzten Eintrag veroeffentlicht hatte, ist mir auf dem Rueckweg nach Ajumako aufgefallen, dass ich leider etwas falsch dargestellt habe, und zwar die Existenz von Strassen- und Verkehrszeichen. Zwar stimmt es, dass im laendlichen Bereich (also auch bei mir in Ajumako) fast keine Schilder, Begrenzungen und Markierungen vorhanden sind, aber voellig ausser Acht gelassen habe ich dabei, die grossen Verbindungs- Ueberlandstrassen zwischen Staedte, dh Mankesim, Cape Coast und Accra etc. Natuerlich gibt es dort Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen und dergleichen, ob man sich daran haelt ist wiederum ein anderes Thema. Bevor ich zur Zusammenfassung der letzten Tage komme, moechte ich eine Gegebenheit schildern, die mir seit Ankunft hier nahezu taeglich begegnet: Ich sehe Kinder, junge Maenner/Frauen und Erwachsene mit Macheten, weil diese ein universell einsetzbares Werkzeug sind. Meine Assoziationen sind jedoch durch die mediale Praegung, die ich bisher in meinem Leben erfahren habe, automatisch negativ, ich denke an blutige Auseinandersetzungen, Buergerkriege etc. Worauf ich hinaus will, ist folgendes: Die von uns konsumierten Nachrichten haben einen beschraenkten Blickwinkel und erschaffen so Stereotypen, die nur schwer abzulegen sind, auch wenn man sich derer bewusst ist. Wir in unserer WG haben mittlerweile auch eine Machete, um Kokosnuesse und der gleichen aufzuschlagen.

Beim Aufenthalt in Cape Coast (08.08.) haben Bugs, Enrico und ich es nach zwei Wochen endlich geschafft eine Klobrille zu erwerben, unsere Freude und Erleichterung war dementsprechend gross, denn ohne Klobrille kann es schon sehr unbequem sein und zwei Wochen waren schon lange genug. Abends gingen Enrico und ich zum Fussballcoach, der uns eroeffnete, dass am naechsten Tag ein Spiel sei und er uns gerne einsetzen wolle, verdaechtig oft sagte er dabei: "Just be smart and protect yourself" wie relevant das werden wuerde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten ahnen.
Doch Fussball blieb nicht das einzige Gespraechsthema Coach Anderson zeigte echtes Interesse an uns und fragte ausgiebig nach unseren Aufgaben und Zielen als Freiwilligen. Gleichzeitig ermoeglichte er uns einen ghanaischen Einblick in die Thematik der Kinderarbeit und den damit unweigerlich verbundenen Aspekten von Erziehung und Bildung. Fuer ihn als Ghanaer stellen die Eltern das groesste Problem dar, da sie den Kindern eigentlich als Vorbildern dienen sollen, das aber nicht koennen. Insbesondere die Maenner kritisierte er harsch, unter anderem sagte er, dass einzige was die ueber Elternschaft wuessten, waere wie man Kinder zeugt und die Muetter dann verlaesst. (Wohlgemerkt, nicht meine Ansicht, sondern Mr. Andersons, der Ghanaer ist) Ein weiteres Problem in Mr. Andersons Augen ist die Disziplinlosigkeit: "Poverty is one thing, but you shouldn't lose your ethics, your discipline. You gotta have your principles." Das Gespraech war sehr beeindruckt und ich habe das Gefuehl einiges dabei gelernt zu haben, insbesondere durch die offene, schonungslose Darstellung der Verhaeltnisse ,die mir als Aussenstehendem niemals moeglich waere und vor allem nicht zustaende.

Sonntags um 6 Uhr morgens war dann eine "kleine Aufwaermeinheit" angesetzt, die haette mir als Sportprogramm fuer den Rest des Tages eigentlich schon gereicht. Um ca. 14 Uhr war dann Treffpunkt, letztes Aufwaermen, Trikotausgabe und schon gings mit dem Trotro nach Essiam zum Spiel. Die erste Halbzeit verlief ereignislos und auch die zweite Begann recht ruhig, bis unser Team das 1:0 erzielte, zu diesem Zeitpunkt sass ich noch seelenruhig auf der Bank, auch wenn schon mehrere Zuschauer meinen Einsatz forderten, weil alle den Obroni spielen sehen wollten. Als noch zehn Minuten zu spielen waren, vielleicht war es auch weniger, wurde ich eingewechselt (Enrico war nicht im Kader fuer das Spiel, sass aber als Unterstuetzung auf der Bank). Wenige Minuten spaeter entschied der Schiedsrichter nach einer Ecke der gegnerischen Mannschaft auf Tor, obwohl unser Verteidiger den Ball ganz klar noch vor der Linie noch geklaert hatte, diese krasse Fehlentscheidung sorgte fuer Tumulte und fuehrte zu einer Spielunterbrechung in der ich mich weit weg von allen Streitigkeiten hielt. Nach mehreren Minuten Diskussion wurde das Spiel beim Stand von 1:1 fortgesetzt, kurz darauf bekam ich einen guten Ball in den Lauf gespielt, ich hatte gerade noch Zeit zu schiessen, bevor mein Gegenspieler mich von den Beinen holte, ich wusste sofort, dass ich nicht mehr weiter spielen konnte. Nach meiner Auswechslung lief das Spiel nur noch kurze Zeit. Sofort nach dem Abpfiff kam es auf dem Spielfeld zu Handgreiflichkeiten, von denen Enrico und ich natuerlich so weit wie moeglich Abstand nahmen. Fussball ist nun mal weltweit ein Sport der das gleiche Klientel anzieht, ganz egal ob Deutschland oder Ghana Proleten gibt es ueberall. Traurig, aber fuer mich auch nachvollziehbar war die Freude der gegnerischen Fans mich verletzt ausgewechselt zu sehen, in wiefern dabei meine Hautfarbe eine Rolle spielte kann ich nicht sagen. Zurueck in Ajumako trug mein Coach eine Salbe auf meine Verletzung auf und massierte mich ein wenig, an sich fuehlte sich das Knie auch in Ordnung an. Je laenger Tag aber wurde umso groesser wurden die Schmerzen, trotz Voltarengel. Nachts um drei wachte ich voller Schmerzen auf, so dass ich mich gezwungen sah Schmerzmittel zu nehmen, in dem Moment hatte ich wirklich die Befuerchtungen mein Knie kaputt gemacht zu haben und sogar Ausreisen zu muessen.
Als ich jedoch am naechsten Morgen (Montag) aufwachte waren meine Schmerzen nicht mehr annaehernd so gross, wirklich ruehrend war die Zuwendung seitens meines Coaches, seiner Frau und der Spieler, die mehrmals anriefen und sogar vorbeischauten, um sich zu erkundigen wie es mir ginge. Vorsichtshalber rief ich meine Mentorin an um sie zu informieren, dass ich mir das Knie verdreht hatte und vielleicht zum Arzt muesste, woraufhin sie mir anbot mich am Freitag mit nach Accra zu nehmen, da kein Arzt in der naeheren Umgebung fuer eine solche Verletzung geeignet sei. Ich erklaerte, dass ich die weiteren Tage abwarten wolle und sie nochmal anrufen werde um sie zu informieren.

Sonntags und Montags habe ich das erste Mal hier Kleidung gewaschen, Waschen bedeutet hier Handwaesche, was ich zuvor noch nie gemacht hatte. Mittlerweile muss ich darueber lachen, dass ich vor der Abreise gehofft hatte eine Waschmaschiene zu haben. Dienstags ging es meinem Knie schon viel besser, zwar hatte ich noch Schmerzen beim Beugen und der vollkommenen Streckung des Beines aber insgesamt war mein Zustand stark verbessert, auch wenn ich noch immer humpelte. Integrationstechnisch betrachtet war das Fussballteam ein absoluter Gluecksfall, wann immer wir jetzt durch Ajumako gehen treffen wir einen oder mehrere Mitspieler und unterhalten uns kurz, dadurch werden wir auch fuer die restlichen Einwohner nahbarer. Fussball verbindet und schafft Bruecken!

Leider muss ich auch berichten, dass ich teilweise sehr frustriert bin, da unsere NGO es bisher nicht schafft uns einen Fantikurs zu bieten oder sonst eine Aufgabe oder Taetigkeit, so dass wir uns selbst beschaeftigen muessen. Zwar gibt es einen Mitarbeiter bei der NGO, der sowohl faehig als auch engagiert ist, allerdings ist er auch dementsprechend viel unterwegs und kann auch keinen Einfluss auf unsere Beschaeftigung nehmen. Donnerstags organisierte unsere NGO einen Fahrer, der uns zu verschiedenen Betrieben bringen sollte, die mit unserer NGO kooperieren. Leider konnten wir nur einen Betrieb besichtigen und zwar die Holzschnitzerei, deren Produkte in Accra auf dem Kunstmarkt verkauft werden. Kaum hatte ich gefragt, ob es denn in Ordnung sei, wenn ich Fotos machte, wurde ich von jedem Mitarbeiter aufgefordert ein Bild von ihm bei der Arbeit zu machen; es war also nicht nur in Ordnung, sondern sogar erwuenscht.

Freitags ging es also fuer mich nach Accra, wie nicht anders zu erwarten, musste ich auf einen Termin beim Arzt warten und zwar bis Montag 13.30 Uhr. Die Zeit bis dahin verbrachte ich bei anderen Freiwilligen, deren Projekt in Accra angesiedelt ist.
Ueberrascht war ich bei den anderen Freiwilligen bezueglich der Wohnsituation: Zum einen haben sie nur einen Bruchteil dessen an Raum zur Verfuegung was wir in Ajumako haben und zum anderen haben sie, obwohl sie in der Hauptstadt sind kein fliessendes Wasser. Dafuer aber haben sie den klaren Vorteil nicht jeden Morgen vom Hahn, sondern vom Muezzin geweckt zu werden, was auch fuer mich eine willkommene Abwechslung war.
Das Zusammenleben der Religionen, also in erster Linie, der verschiedenen christlichen Kirchen und des Islams, empfinde ich bisher als ein sehr tolerantes und respektvolles. Lediglich jede Form von Atheismus stoesst hier auf Unverstaendnis, da Ghanaer sich nicht vorstellen koennen an kein "Hoeheres Wesen" also Gott oder Allah zu glauben.
Waehrend meiner Zeit in Accra war ich auch auf dem erwaehnten Kunstmarkt, auf dem ghanaischer Schmuck, Schnitzereien, Malereien und vieles mehr verkauft wird. Hier muss man vorsichtig mit seinem Geld umgehen, denn sonst hat man schnell viel zu viel eingekauft und vor allem viel zu viel bezahlt, denn die Preise kann man durch Handeln doch sehr druecken und das sollte man auch machen. Ich hatte gluecklicherweise nicht viel Geld dabei und beschraenkte mich deshalb auf das Umschauen. Allerdings habe ich fest vor bald noch einmal hinzufahren und auch ein paar Schnitzereien zu kaufen. Die restliche Zeit verbrachte ich mit den anderen Freiwilligen bei ghanaischen Freunden, deren Schneiderei direkt neben dem Kunstmarkt ist.
Montags war dann endlich mein Arzttermin und nachdem ich erst das falsche Krankenhaus hatte, dann im richtigen Krankenhaus zwei Stunden gewartet hatte, teilte mir der Arzt mit, was ich mir schon gedacht hatte, naemlich, dass nach seiner Untersuchung und Einschaetzung alle Baender und der Meniskus intakt sind. Die Schmerzen sind wahrscheinlich aufgrund einer Quetschung und es sollte innerhalb der naechsten sechs Wochen weg sein, dann habe ich auch einen zweiten Termin, sollte es bis dahin nicht besser sein, wird ein MRT-Bild gemacht werden. Auch wenn ich es schon erwartet hatte, war ich doch sehr erleichtert, vor allem konnte ich endlich zurueck nach Ajumako.

Den Dienstag Vormittag verbrachten wir bei einer Veranstaltung der NGO bei der ausschliesslich Fanti gesprochen wurdem, so dass wir nichts verstanden und froh waren als das ganze vorbei war. Nachmittags riefen wir unsere Mentorin an um mit ihr abzuklaeren, ob es in Ordnung sei, wenn wir ab dem folgenden Tag nicht mehr zur NGO gingen, sondern stattdessen an der Schule, an der unsere drei Vorgaengerinnen waren, arbeiteten. Nachdem sie uns die Erlaubnis erteilt hatte klaerten wir intern den Plan fuer die naechsten Tage und beschlossen mittwochs nach Cape Coast zu gehen um dort einige Erledigungen zu machen und vor allem das Internet zu nutzen.
Abends trafen wir uns mit Frank (Fussballspieler) und seinem Bruder um bei unserem Coach Championsleague Qualifikation zu schauen (Celtic - Arsenal). Fussball wurde aber schnell zur Nebensache, denn unser Coach fragte uns wieder aus bezueglich unseres Freiwilligendienstes, vor allem schien ihn zu interessieren, auf welche Weise wir von diesem Jahr profitieren. Dass wir etwas fuer die Gesellschaft hier leisten, konnte er sich gut vorstellen, nur unser persoenlichen "Vorteil" dabei war ihm nicht klar. Wir erklaerten ihm, dass das Jahr reich ist an kulturellen Eindruecken, Lebenserfahrungen und, dass darin unser persoenlicher "Nutzen" liegt. Der Abend war in vielerlei Hinsicht ein Erfolg zum einen, lernten wir neues ueber Ghana, aber vor allem konnten wir eine unserer Hauptaufgaben als Freiwillige verwirklichen, wir konnten unserem Coach und seiner Familie Deutschland naeher bringen. Geschichtliche Themen, wie die NS-Zeit wurden besprochen, aber auch aktuelle wie die weltweite Wirtschaftslage und deren Auswirkung auf Deutschland und nicht zu vergessen kulturelle, bspw, dass es in Deutschland unerhoert waere einen Kellner/Verkaeufer oder dergleichen anzuzischen, was hier allgemeine Praxis ist und auch von uns mittlerweile uebernommen wurde. An diesem Abend ging ich mit einem wirklich guten Gefuehl nach Hause, denn eben fuer diesen kulturellen Austausch sind wir hier.

2 Kommentare:

  1. Ey, is anzischen = leicht anspucken oder einfach nur dumm von der Seite anmachen?

    Gruß Jonas

    AntwortenLöschen
  2. anzischen, heisst zischlaute ausstossen, kein anspucken oder sonst irgendwas

    AntwortenLöschen