Montag, 14. September 2009

Eine bemerkenswerte kulturelle Eigenheit, der wir taeglich begegnen, ist das morgendliche Fegen. Mit Hilfe eines aus getrockneten Palmblattteilen gefertigten Handbesens wird morgens, d.h. bereits recht bald nach Sonnenaufgang kann damit angefangen werden, zuerst das eigene Zimmer, dann vor der eigenen Haustuer und letztendlich auch noch Teile der Fusswege/ Pfade/ Strassen gefegt. Das Fegen wird, so scheint es, ausschlieslich von Frauen oder Dienstpersonal ausgefuehrt. Auf mein Nachfragen, warum denn auch Teile der Strassen gefegt werden, konnte mir unser Gastbruder Brian auch keine fundierte Antwort geben, er vermutet (auch wenn er persoenlich es fuer wenig sinnvoll haelt), dass es der Optik und des Plastikmuells wegen gemacht wird. Meine Tutorin vom Vorbereitungsseminar hatte die These aufgestellt, dass durch das Fegen moeglichen Moskitobrutstaetten oder unliebsamen Ueberraschungen wie Schlagen unter gefallenen Blaetten entgegengewirkt wird. In jedem Fall war es zu Beginn ein ungewohnter Anblick jeden Morgen Frauen zu sehen, die die Strasse fegen, doch mit der Zeit ist es Teil unseres taeglichen Ablaufs geworden.

So weit ich das beurteilen kann, sehe ich im Verhalten ghanaischen Kinder untereinander einen grossen Unterschied zum Umgang deutscher Kinder miteinander. Ich habe den Eindruck, dass die ghanaischen Kinder sehr grob miteinander umgehen, oftmals wird mit Steinen geworfen, mit Fauesten ausgeteilt, mit Stoecken geschlagen und/oder an Haaren gezogen. Doch das grobe Verhalten beschraenkt sich nicht nur auf Altersgenossen, auch Tiere in erster Linie Hunde und Katzen, aber auch Eidechsen und sonstige Kreaturen, werden schnell Opfer kindlicher Maltraetierungen, so bspw. sahen wir einmal auf dem Weg zum Abendessen zwei an der Huefte aneinander geklebte Hunde. Zwar kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass fuer diesen Vorfall Kinder verantwortlich waren, es besteht allerdings eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist. Auch woher dieses ruppige Verhalten untereinander und gegenueber Tieren ruehrt kann ich nicht mit Gewissheit sagen, jedoch gibt das aehnliche Verhalten der Erwachsenen gegenueber Tieren Anlass zur Vermutung, dass Kinder diese Verhaltensmuster einfach adaptieren. Der raue Umgang unter den Kindern laesst sich vermutlich auf Erziehungspraktiken zurueckfuehren, denn anders als in Deutschland werden Kinder hier noch recht haeufig von Eltern, anderen aelteren Familienmitgliedern (Tante, Onkel etc.), Erziehungsberechtigten oder auch Lehrern durch Schlaege diszipliniert; was aber natuerlich nicht bedeutet, dass alle Eltern und Lehrer ihre Kinder/Schueler schlagen, das zu behaupten waere schlicht weg gelogen. Interessant zu beobachten ist auch, dass Eltern nur selten eingreifen, selbst wenn es zu gewaltsamen (Steine,Stoecke) Auseinandersetzungen/Konflikten unter Kindern kommt. Diese Teilnahmslosigkeit seitens der Eltern koennte ein weiterer Faktor sein, warum der raue Umgangston unter Kindern sich so hartnaeckig praesentiert. War dieses Verhalten der Kinder (und auch der Erwachsenen) zu Beginn sehr befremdlich, so muss ich leider sagen, dass ich persoenlich mich mittlerweile an den Anblick gewoehnt habe, was allerdings nicht gleichzusetzen ist mit Akzeptanz oder Gleichgueltigkeit, ich habe lediglich eine gewisse emotionale Distanz dazu, was das Leben hier betraechtlich erleichtert. Hinzufuegen moechte ich noch, dass aus offensichtlichem Anlass eines unserer geplanten Projekte fuer Youth und Kids Clubs an der Schule in Ankukrom gezielt den Umgang unter den Schuelern verbessern soll, aber dazu mehr sobald das Projekt tatsaechlich angelaufen ist.

Dienstagnachmittag erbrachte das Internet-Cafe unteranderem aufgrund eines Stromausfalls eine unterdurchschnittliche Leistung, weshalb Enrico und ich unseren Besuch dort auch eine Stunde kuerzer gestalteten als zuvor geplant. Auf dem Rueckweg besorgten wir ein paar Kleinigkeiten fuer unseren Haushalt, bevor wir Suzanna und eine ihrer Freundinnen trafen, die sich nach Enricos Wohlbefinden erkundigten. Zu unserer Belustigung versuchte Suzannas Freundin uns spasshaft zu ueberzeugen, dass sie die gleiche Hautfarbe habe wie Enrico. Nach diesem Intermezzo war das restliche Tagesprogramm sehr entspannend, abends kam Emmanual zum Kartenspiel vorbei, Frank ist seit dem Wochenende in Cape Coast, da die Semesterferien vorueber sind.

Mittwochvormittag nach dem das Pottwal-Baby endlich auch seinen farbigen Anstrich bekommen hatte, begannen wir das vorerst letzte Element des Recreational Rooms anzubringen, basierend auf einer Vorlage von Bugs zeichnete Enrico ein Labyrinth an die Wand, das ich wiederum ausmalte, waehrend Enrico und ich am Labyrinth arbeiteten, begann Bugs die von uns bearbeiteten Raeume zu kehren und aufzuraeumen. Nach getaner Arbeit warteten wir vergeblich auf den Headmaster, der sich erst beim Fruehstueck telefonisch fuer den fruehen Nachmittag angemeldet hatte. Durch Enricos Anruf erfuhren wir, dass er leider nicht mehr kommen koenne, da er unerwartet reisen musste, jedoch kuendigte er an, an einem der folgenden Tage vorbeizuschauen. Den spaeten Nachmittag verbrachte ich damit meine "Fitnessgeraetschaft" zu erweitern, neben einer Langhantel habe ich mir, natuerlich auch aus Bambus und Zementbloecken, zwei Kurzhantel gebaut, so dass ich nun noch differenzierter und effizienter trainieren kann. Abends schaute Emmanual wieder vorbei, der es bereits bereute nachmittags am Fussballtraining teilgenommen zu haben, denn da seit Anfang September offiziell die Vorbereitung fuer die neue Second Division (Dritte Liga)- Saison laeuft, wurde die Trainingsintensitaet und auch die Trainingsfrequenz deutlich erhoeht.

Donnerstags beendeten wir mit der Fertigstellung des Labyrinths unsere Arbeiten in den Raeumen, so dass Kehren, Muell-Sammeln und Aufraeumen, sowie die Dokumentation unserer verrichteten Arbeit alles war, was zu tun blieb. Erneut warteten wir leider vergeblich auf den Headmaster, der sich sonst als sehr zuverlaessig praesentiert hatte, jedoch muss ich zu seiner Entschuldigung auch sagen, dass er zum einen weit entfernt von der Schule wohnt und zum anderen durchaus wichtigere Verpflichtungen hat als uns bei der Arbeit zuzuschauen. Nach einem gescheiterten Versuch das Internet zu benutzen entschieden wir uns den Rest des Tages durch Lesen, Spielen (Pokemon, Football Manager, Karten, Schach) und witzige Unterhaltungen zu verbringen. Insbesondere nach dem Abendessen als wir zu dritt, Cora war noch immer in Tamale, Karten spielten, aber schnell die Lust verloren, hatten wir lustige Gespraeche ueber die vergangenen Abschlussfeiern, ehemalige Lehrer und witzige Aktionen von Freunden; so viel wie an diesem Abend hatte ich schon laenger nicht mehr gelacht. Wir Maenner verstehen uns nicht erst seit dem Abend, sondern schon von Anfang an, ungemein gut, was nicht zuletzt daran liegt, dass wir gemeinsame Interessen hegen, aber vor allem, weil wir genuegend Feingefuehl haben um das richtige Verhaeltnis aus Naehe und Distanz zu finden.

Durch einen morgendlichen Anruf beim Headmaster erfuhr ich Freitags, dass er leider noch immer verreist sei und wir uns deshalb erst zur Schuleroeffnung nach den Sommerferien, folglich am Dienstag, sehen wuerden. Ueberschattet wurde der Freitag von verschiedenen Vorfaellen, wechselhaftes Wetter (an sich zu vernachlaessigen aber in Kombination doch ein stimmungsdrueckendes Element), einer recht ruppigen Email unserer Mentorin, Enricos kraenklichem Zustand (als waer der Fuss nicht schon genug) und dem unweigerlichem Ende unserer Maenner-WG. Bedingt durch Enricos Krankheit entschlossen wir uns den bereits gefassten Plan eines Nationalpark-Besuches fuer Samstag zu verwerfen und stattdessen einen Trip zum Krankenhaus nach Asikuma zu machen.

Doch auch diesen Plan verwirklichten wir nicht, da er sich besser fuehlte, zwar noch nicht gesund, aber zu gesund fuer einen Arztbesuch. So verbrachten wir den Tag lesend, spielend (insbesondere Bugs war ans Football Manager Spiel gefesselt) und hingen in Gedanken der vergangenen Woche hinterher. Gerade als wir aus der Tuer treten wollten um zum Abendessen zu gehen, das wir wie alle Mahlzeiten im Haus unserer Gastfamilie zu uns nehmen, fiel der Strom aus und ploetzlich war es dunkel. Zum ersten Mal konnten wir uns nicht auf die Strassenlampen unseres Compounds verlassen, sondern griffen auf unsere Taschenlampen zurueck, was unweigerlich in einem "Laserschwert"-Kampf zwischen Bugs und Enrico resultierte. Nach dem Abendessen nutze ich den Stromausfall um fuer wenige Minuten die Finsternis der ghanaischen Nacht in mich aufzusaugen, in knapper Entfernung von unserem Haus lauschte ich in absoluter Dunkelheit dem Rascheln, Summen und Zirpen der Insekten und Buschtiere, dabei spuerte ich ein Gefuehl von Freiheit, das uns das hektische deutsche Leben zu oft verwehrt.

Sonntagmorgen nach dem Fruehstueck entschied sich Enrico doch den Arzt aufzusuchen. Unsere Gastmutter (Florence) rief so gleich ihren Stammtaxi-Fahrer an, der uns drei Maenner nach Asikuma brachte, dort mit uns verharrte und uns letztlich nach Hause fuhr, ohne von uns eine Bezahlung zu verlangen. Ich vermute stark, dass Florence ihn bezahlte oder noch bezahlen wird, denn sie moechte sich immer angemessen um uns kuemmern, was ihr auch sehr ruehrend gelingt. Im Krankenhaus stellte der Arzt nach einiger Zeit und ein wenig Aufregung, weil Enrico bei der Blutabnahme ohnmaechtig wurde, fest, dass Enrico Malaria 1+ hat, daraufhin verschrieb er ihm einige Medikamente, gab ihm einige Anweisungen bzgl Essen und Trinken und entliess ihn in unsere Obhut. Somit haben wir nun also unseren ersten Malariafall und ich kann, als Aussenstehender wohlgemerkt, Entwarnung geben, es ist nicht mal annaehernd so schlimm wie man es sich vielleicht in Deutschland vorstellt. Den Nachmittag verbrachten Bugs und ich mit ein wenig Fitnessprogramm, bis irgendwann Emmanual vorbeischaute, allerdings blieb er nicht lang, da er recht bald zum Abendessen musste. Fast vergessen zu erwaehnen habe ich, dass wir seit ungefaehr zwei Wochen kein fliessend Wasser mehr haben und so uns mit Wasser aus unserer Reserve-Tonne und einer Kelle duschen muessen, denn der Klempner ist leider auch noch krank.

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