Samstag, 3. April 2010

Von Gleichmut, Gleichgueltigkeit und Ausgleich

Aufgrund eines laengeren Stromausfalls war es mir leider fuer einige Tage nicht moeglich den Laptop zu nutzen und meinen Eintrag angemessen zu verfassen. In Folge dessen werde ich nicht auf jeden Tag explizit eingehen, sondern mir die Freiheit nehmen einzelne Erlebnisse zu portraetieren.

Das erste dieser Ereignisse war unser Kids Club am Dienstag, den 23.03., wie am Donnerstag zuvor mit der Schnitzerei vereinbart brachten wir unsere Teilnehmer nach Kokoben. Nach einem kleinen Rundgang einschliesslich Betrachtung bereits hergestellter Schnitzereien, erfragten wir ob es moeglich sei, dass unsere Schueler unter Anleitung eines Mitarbeiters selbst etwas schnitzten. Daraufhin wurden die Kinder verschiedenen Mitarbeitern zugeteilt und einige durften sogleich mit dem Schnitzen beginnen, waehrend weniger Glueckliche lange Zeit zum blossen Beobachten gezwungen waren. Eine unserer Schuelerinnen (Eva) hatte besonderes Glueck und wusste zudem ihr Laecheln geschickt einzusetzen, sodass sie am Ende unseres Ausflugs mit drei eigens fuer sie geschnitzten Skulpturen heimkehrte, waehrend unser Zappelphilipp Isaac durch echtes Arbeiten ruhiggestellt wurde, ihm wurde kurzer Hand von einem Mitarbeiter angeordnet er solle bereits Geschnitztes abschleifen und dann mit Politur versehen. Jegliche Intervention unsererseits war zwecklos, denn Isaac ging in seiner Arbeit voll auf. Selbst Prince Baffoe, der sonst eher durch Lautstaerke und Bewegungsdrang auffaellt, arbeitete konzentriert und voller Hingabe an seiner kleinen Maske. Es ist doch immer wieder erstaunlich wie aufmerksam Schueler sein koennen, wenn nur ihr Interesse geweckt ist. Letzten Endes verbrachten wir deutlich mehr Zeit dort als erwartet, aber die Kinder waren einfach zu begeistert. Zurueck in Ankukrom konnten sie es nicht abwarten ihre kleinen Meisterwerke zu praesentieren und hielten sie bereits aus dem Trotrofenster was ihnen einen Rueffel durch den Fahrer einbrachte. Die Freude der Kinder war einmal mehr eine echte Genugtuung, selbst wenn ein "Thank you, for taking us there" auch nicht schlecht gewesen waere.

Der Donnerstagnachmittag (25.3.) in Ankukrom barg zwei Ueberraschungen. Bereits beim Betreten des Schulgelaendes schien etwas ein wenig anders als sonst, es herrschte reges Treiben rund ums Lehrerzimmer. Kaum hatten wir das Lehrerzimmer betreten, sahen wir auch woher ein Teil der Unruhe ruehrte. An einer Seite des Lehrerzimmer standen naemlich die Maedchen der Grundschulklassen 5 und 6. Einer der Lehrer teilte uns mit, dass dem Anschein nach ein Maedchen der 5. Klasse schwanger sei. Dies hatte zur Folge, dass alle Maedchen der Klassen 5 und 6 einem Generalverdacht unterstellt wurden und sich vor dem gesamten Lehrerkollegium verantworten mussten. Im Anschluss an das Verhoer der jungen Damen, wurden einige junge Herren der Junior High einbestellt, die nun ihrerseits Frage und Antwort zu stehen hatten. Waehrend drinnen die Schulinquisition tagte, sassen wir zu dritt draussen und machten uns, waehrend uns einige maennliche Mitglieder unsers Youth Clubs versicherten sie seien 'Holy Boys', die erst mit 50 heiraten wollten, jeder seine Gedanken ueber das warum. Warum in so jungem Alter? Warum alle unter Generalverdacht stellen? Warum in so jungem Alter- nun das Dorfleben bietet wenig Abwechslung, Freizeitangebot gibt es keins, die elterliche Kontrolle ist schwach, Aufklaerung gibts es praktisch keine. Bugs berichtete von aehnlichem Verhalten deutscher "Landkinder", was weder entschuldigend noch verharmlosend aufgefasst werden sollten, sondern lediglich unterstreicht, dass so was fuer laendliche Regionen nicht untypisch ist, unabhaengig davon ob Deutschland oder Ghana. Warum alle oeffentlich unter Generalverdacht stellen- gleiches Alter, gleiche Vorbedingungen, so viel einfacher und effizienter (nicht unbedingt effektiver) alle gemeinsam abzuhandeln, als in muehsamen Einzelgespraechen mit grossem Aufwand eine Vertrauensbasis aufzubauen und so einen positiven Einfluss auf tatsaechlich betroffene SchuelerInnen zu nehmen. Doch immerhin schienen die Lehrer alarmiert genug, so dass in den folgenden Tagen ein Vortrag zum Thema "Teenage pregnancy" organisiert wurde.

Die zweite Ueberraschung war deutlich positiverer Natur. Im Zuge unseres Nachmittagsporgramm (einem Lern-Stationenspiel) kam es, dass Omane (oder seit der Geographie-Einheit auch Machu Pichu genannt) bei mir an der Station sein Kreuzwortraetsel geloest hatte und mir recht unvermittelt sagte: "Sir, I like you." Voller Erstaunen angesichts einer so offenen, ehrlichen und unerwarteten Gefuehlsaeusserung war ich nicht einmal geistesgegenwaertig genug etwas angemessenes zu erwidern. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kinder meist nicht einmal ein "Danke Schoen" fuer uns haben, war es doch eine verblueffende Aeusserung von Machu Pichu.

Samstagvormittag begann der Ausnahmezustand, eigentlich hatte er schon am Abend zuvor begonnen als ein Unwetter Bugs und mein gemeinsames Zimmer zur Haelfte (ratet mal wessen Haelfte) unter Wasser setzte und das Stromnetz zusammenbrechen liess. Jedoch zu diesem Zeitpunkt funktionierte zumindest noch das Wasser. Samstagmorgen kehrte fuer kurze Zeit auch der Strom zurueck, aber das war nur ein kurzes Gastspiel. Von Samstagvormittag an bis zum Montagnachmittag kehrte uns der Strom den Ruecken zu, aber nicht nur der Strom auch das fliessend Wasser liess uns im Stich. Der Unterschied zum Strom war und ist, dass der Strom zurueckkehrte, waehrend das Wasser auch eine Woche spaeter noch nicht verfuegbar war/ist. Es bleibt zu hoffen, dass Miras Einzug durch diese unguenstigen Bedingungen ueberschaettet, nicht stellvertretend fuer die kommenden Monate mit ihr sein wird.

Am Sonntag verbrachten wir zum ersten Mal seit Oktober einen Tag am Strand. Da konnten wir nicht nur Strandfussball spielen, im Meer schwimmen, im Schatten der Palmen lesen und schlafen, sondern auch den Luxus einer regulaeren Dusche geniessen. Nach geruhsamen Stunden der Entspannung machten wir uns am spaeten Nachmittag auf um den Heimweg anzutreten. Erleichtert wurde dieser durch einen hilfsbereiten Amerikaner, der uns am Strassenrand wo wir auf ein Trotro warteten aufsammelte und bis nach Mankessim nahm. Unser freundlicher Helfer, der seit 36 Jahren Baltimore lebt, war erst seit wenigen Tagen in Ghana und hatte seinem Sohn in Cape Coast, wo jener ein Internat besucht um ghanaische Erfahrungen zu sammeln, eine Stippvisite abgestattet. Mit unverhohlener Ueberraschung reagierte unser urspruenglich ghanaischer Wahlamerikaner auf die Aussage, dass wir noch vier Monate hier verbringen werden. Geradezu unglaeubig nahm er zur Kenntnis, dass wir sogar schon seit acht Monaten hier sind, denn er selbst haelt es nach eigenem Bekunden nicht laenger als einige Wochen aus, die Hitze, die Muecken, der beschwerliche Alltag, da zieht er den Komfort des amerikanischen Lebens doch vor. Dankbar anlaesslich der keineswegs selbstverstaendlichen Mitfahrgelegenheit und aufgrund der guten Unterhaltung bestens gelaunt kehrte ich voller Hoffnung auf wiederhergestellten Strom in unsere Wohnung zurueck um dort bitter enttaeuscht zu werden.

Mit jeder strom- und wasserlosen Stunde sank meine Stimmung um einen vorlaeufigen Tiefpunkt am Montagmorgen zu erreichen, als wir bei unserer Partnerorganisation vor verschlossenen Tueren standen, einmal mehr eine leere Postbox uns auszulachen schien, und auch mein Emailpostfach voller Hohn nur zwei Facebook-Gruppeneinladungen und zwei GMX-Werbeemails enthielt. Moment, korrekt ist das nicht, es gibt eine Person, die mir wirklich immer eine Email schreibt und den Tag rettet, danke schoen!!! Falls der aufmerksame Leser stutzt, wie ich ohne Strom das Internet nutzen konnte, dem sei kurz erlaeutert, dass der fehlende Strom ab einer gewissen Zeit nur noch unser Haus, das Haus unser Gastfamilie und einiger Nachbarn betraf.

Montagnachmittags verweilten Bugs und ich in schlechter Laune und Frustration verbunden in Ankukrom um mit den Kindern Fussball zu spielen, waehrend Enrico sich mit den Aergernissen und Kindern in Abowinum abmuehte. Es gibt Tage da kann ich Ghana nicht ausstehen, es gibt Tage da kommt alles zusammen und es sind diese Tagen, wenn es mir schwer faellt meinen Optimismus nicht zu verlieren. Wie soll ich meinen Gleichmut behalten, wenn selbst eine in bester Absicht, aus Mitgefuehl und Menschlichkeit motivierte Tat hier nicht als solche ankommen kann. Bei Betreten des Lehrerzimmers wurden Bugs und ich Zeugen einer scheinbar freudigen Szene, die anwesenden Lehrer packten Pakete aus. Schnell stellten wir fest, dass alle Pakete fuer Kinder als Weihnachtsgeschenke gedacht waren und jegliche Freude ging fuer mich verloren. Wir erkundigten uns bei den Lehrern woher die Pakete kommen, fuer wen sie seien und wie die Schule zu diesem Privileg komme. Daraufhin erfuhren wir, dass eine NGO (welche blieb unklar) die Pakete am Vormittag vorbeigebracht habe, alle Schueler und Kindergartenkinder haetten ein Paket erhalten und uspruenglich kommen die Geschenke aus den USA. Noch nicht ueberzeugt fragte ich verschiedene Schueler und alle bestaetigten mir den Erhalt eines Pakets. Nichtsdestotrotz schien keiner zu wissen, warum die Pakete, die Weihnachten bereits ueberbracht werden sollten, ausgerechnet an unserer Schule ausgeteilt wurden oder auch nur warum die Kinder in den USA Pakete einfach so Pakete verschicken. Laut den Angaben eines Lehrers hat die NGO bei Vergabe der Pakete eine Erklaerung gegeben, er selbst war aber nicht anwesend gewesen und konnte folglich uns nicht wiedergeben was gesagt worden war. In diesem Moment machte es mich wuetend, dass die liebevolle Bemuehungen der amerikanischen Kinder, die von ihrem Taschengeld Spielzeug bezahlen um es zusammen mit einem kleinen Brief in ein Paket zu packen, unbeantwortet bleiben werden, weil nicht einmal die erwachsenen Lehrern die aufrichtige Motivation der Sender begreifen, ganz zu schweigen es ihren Schulern erklaeren. In diesem Moment machte es mich wuetend, dass Pakete, die von der zustaendigen Organisation (Samaritan's Purse) so erklaerte mir Bugs auf jeden Fall fruehzeitig und zuverlaessig verschickt worden waren, statt an Weihnachten mehr als drei Monate spaeter ankommen, und ich frage mich, wenn die Lehrer sich einfach ueberzaehlige Pakete nehmen, warum sollte nicht auch die NGO Pakete einbehalten haben.

Zu unserem Leidwesen blieb das Wasser aus, so dass wir uns gezwungen sahen unsere Bottiche zu packen und damit in den Busch zum Brunnen zu marschieren. Nach anfaenglichen Schwierigkeiten beim Fuellen des Schoepfeimers wusste ich beim zweiten und dritten Mal die technische Finesse des richtigen Wasserschopefens anzuwenden, was mich ein wenig erfreute, was aber nichts war im Vergleich zum Lachen der Ghanaer, die ihren Augen nicht trauen wollten, dass die drei Weissen tatsaechlich Wasser am Brunnen holen und zwar eigenhaendig; was muss das fuer ein Erlebnis gewesen sein, ein regelrechter Kulturschock, die reichen Weissen nutzen Brunnenwasser und keiner holt es fuer sie, nein eigenhaendig schleppen sie das Wasser bzw. tragen es auf dem Kopf. Doch das sollte nur fuer zwei Tage der Fall sein, dann naemlich gebot unsere Gastmutter, dass der Nachbarsjunge uns Wasser zu bringen habe. Zwar empfand ich das als unangemessen, aber gleichzeitig verstand ich unsere Gastmutter, die es ihrerseits fuer unschicklich haelt, dass wir als ihre 'Kinder' selbst das Wasser holen muessen, wenn sie es auch vom Nachbarsjungen bringen laesst.

Unser Kids Club am Dienstag wurde durch den unerwarteten Besuch eines Mitarbeiters unserer Partner-NGO zu einer einzigartigen Angelegenheit. Noch nie zuvor hatte ein Vertreter unserer Partnerorganisation uns einen Besuch abgestattet und selbst wenn wir daraus keinen direkten Nutzen ziehen konnten, so war es doch schoen einmal eine Interessenbekundung an unserer Arbeit zu erfahren. Donnerstags verpassten wir es auch nur irgendjemandem einen Aprilscherz zu spielen, Enrico hatte in Erwaegung gezogen uns glauben zu lassen das fliessende Wasser sei zu uns zurueckgekehrt, empfand es dann aber doch als zu bitter um damit zu scherzen. Unser Schuldirektor dagegen spielte uns einen sehr geschickten Streich, denn er vergass uns zu erzaehlen, dass aufgrund des Karfreitags der Unterricht am Donnerstag bereits um 11 Uhr beendet wuerde, die Logik erschloss sich mir nicht, aber das heisst ja nicht, dass die Logik nicht trotzdem vorhanden ist. Wie dem auch sei, unwissend und arbeitswillig tauchten wir nachmittags an der Schule auf um dann festzustellen, dass wir die einzigen dort waren, ein kurzer Anruf beim Direktor bestaetigte es und so waren wir fruehzeitig in ein langes Osterwochenende entlassen.

Der spannungsgeladene und hochabwechslungsreiche Freitag gestaltete sich fuer mich folgendermassen erst las ich, dann schrieb ich ein wenig an diesem Eintrag, dann las ich. Nach dem Mittagessen wiederholte sich das Spiel, doch am spaeten Nachmittag bahnte sich eine grosse Ueberraschung an: ich spielte Fussball. Den Abschluss des Tages bildeten eine Reihe 'Two and a half men' -Folgen und diese finalen Worte meines Eintrages. In diesem Sinne schoene Ostern und erfolgreiches Eiersuchen!

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