Im folgenden Blogeintrag werde ich wie angekuendigt explizit meinen Besuch der seit 2004 auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe gefuehrten Lehmbauten in Koutammakou (Togo) waehrend der Weihnachtsreise durch Ghana, Togo und Benin thematisieren.
Am zehnten Tag unserer Reise hatte Bugs mit den Folgen zu intensiver Sonneneinwirkung zu kaempfen und verbrachte den Tag im Hotelzimmer in Kara. Um den Tag nicht ungenutzt verstreichen zu lassen entschlossen Enrico und ich den Parc National de la Keran in Augenschein zu nehmen. Den Eingang vermuteten wir bei Naboulgou, was wir wiederum von Kande zu erreichen glaubten, folglich machten wir uns auf zur Station um ein Trotro (wie Togolesen es nennen, konnte ich nicht in Erfahrung bringen) nach Kande zu nehmen.
Allerdings erklaerte man uns dort, dass nur Taxis nach Kande fahren, also setzten wir uns in ein Share-Taxi und nach insgesamt ca. einer Stunde und 15 Minuten war auch der letzte Fahrgast gefunden und wir machten uns auf den Weg nach Kande.
Dort empfing uns wie auf Bestellung ein Mann namens Joel, der mich zwar fragte wohin wir wollten aber meiner Antwort, dass der Nationalpark unser Ziel sei, keinerlei Beachtung schenkte, sondern uns erklaerte er sei Touristenfuehrer bei der 'Touristenattraktion', habe an diesem Tag zwar arbeitsfrei, koenne aber fuer uns dennoch alles organisieren. Gluecklicherweise sprach Joel neben Franzoesisch auch Englisch, was angesichts meines miserablen Franzoesisch doch ein ungemein erleichternder Faktor war. Waehrend er also einen Fuehrer und Motorraeder organisierte kam mir beim von Joel angebotenen lokalen Hirsebier nicht zuletzt aufgrund des grossen Hinweisschilds der UNESCO der Gedanke es koenne sich um die Lehmbauten im Land der Batammariba handeln, die wir ohnehin als eines der Ziele unserer Reise auserkoren, aber an ganz anderer Stelle vermutet hatten. Also Lehmbauten, statt Nationalpark, macht auch nichts!
Nach einer kurzen Weile kehrte Joel mit zwei Motorradfahrern, von denen sich einer als unser Touristenfuehrer identifizierte, zurueck um mit mir die finanziellen Aspekte (Fuehrungsgebuehr 5000 CFA, Eintritt 2x 1500 CFA, Benzingeld 2x 4000 CFA) zu besprechen. Nachdem wir uns geeinigten und das Geld den Besitzer gewechselt hatten, hiess es aufsitzen fuer einen weiteren Motorradritt ueber eine schlaglochuebersaete Sandpiste bis zum eigentlichen Verwaltungsbuero, wo wir unsere Tickets bekommen sollten.
Unser Guide, der das Geld von uns ja bereits erhalten hatte, wollte diese auch fuer uns kaufen, allerdings schien dem zustaendigen Mitarbeiter etwas ganz und gar nicht zu passen, woraufhin wir, die noch unbeteiligt draussen gestanden waren, ins Buero gerufen wurden. Dort entbrannte in unserer Anwesenheit, aber weiterhin ohne unsere Beteiligung, eine lautstarke Diskussion zwischen unserem Guide und dem Ticket-Verantwortlichen, denn der Verantwortliche wollte das Geld unseres Guides nicht annehmen. Daraufhin beorderte der uns zurueck auf die Motorraeder um uns ohne Tickets zu den Lehmbauten zu bringen. Das wiederum liessen der Verantwortliche und seine Mitarbeiter nicht zu, an diesem Punkt vermuteten Enrico und ich, dass das Ziel des Schauspiels war eine zusaetzliche Geldzahlung unsererseits zu erzwingen. Dafuer reichten weder meine Geduld noch meine Toleranz, weshalb ich mich sichtlich genervt einmischte um zu erfahren, warum wir, wenn der Guide doch das Geld zu zahlen bereit war, nicht los koennten. Der Verantwortliche erklaerte mir daraufhin, dass der Guide aus Benin komme, wir aber auf der togolesischen Seite des Batammariba Lands seien, weshalb das nicht in Ordnung sei. Erstaunlicherweise war es aber dann kein Problem mehr als ich das Geld vom Guide nahm und selbst beim Verantwortlichen zahlte. Letzten Endes hatten wir insgesamt nicht mehr Geld gezahlt, lediglich die Verteilung des urspruenglichen Betrags hatte sich veraendert. Nach dieser nervigen und auch verwirrenden Episode ging es nun endlich zu den Lehmbauten selbst.
Das Land der Batammariba, ein urspruenglich aus Burkina Faso eingewandertes Volk, erstreckt sich ueber ein Gebiet durch das waehrend der Kolonialzeit willkuerlich von Deutschen und Franzosen die Grenzen der neugegruendeten Staaten Togo (dt.) und Benin (fr.) gezogen worden waren. Die Lehmbauten sind burgaehnliche Behausungen, die Raum fuer die ganze Familie bieten. In den "Burgtuermen" wird das wichtigste Landwirtschaftsprodukt der Region, die Hirse, aufbewahrt. Sowohl vor, als auch in den einzelnen Lehmbauten sorgen Fetische in Form von Lehmkegeln (Hoehe variiert von 20 cm bis zu 1 m) dafuer, dass die Bewohner vor boesen Geistern und Feinden geschuetzt sind. Die Fetische, die wie Burgen anmutenden Lehmbauten und die in den "Burgwaenden" zu sehenden Schussscharten fuer Pfeil- und Bogenschuetzen zur Verteidigung der Lehmbaute und die Gewohnheit als Gastgeber alle Getraenke vorkosten zu muessen fuegten sich zu einem Bild zusammen durch das fuer mich der Eindruck entstand, dass ein immenses Schutzbeduerfnis bestehe. Die Lehmbauten sind zu grossen Teilen nach wie vor bewohnt und das Haupteinkommen scheint die Landwirtschaft zu sein.
Waren die Bauten selbst sehenswert und machten den vorherigen Stress wieder wett, so entstand bei Enrico und mir dennoch ein bedrueckendes Gefuehl bei unserer Besichtigung. Im ersten Dorf, das wir betraten, zeigte sich folgendes Szenario: Eine Gruppe Maenner sass oder lag vor dem Schnappslager, von dem sie dem Augenschein nach an diesem Tag schon einiges getrunken hatten. Auf Anweisung des Guides zeigte uns eine alte Dame, die zuvor mit einer Baumwollespindel beschaeftigt gewesen war, ihren traditionellen Schmuck, den sie auf Geheiss des lokalen Heilers trug um moeglichst schnell zu genesen. Unabhaengig von heilenden Arm- und Fusskettchen, trug die Frau auch ein 'Piercing' zwischen Unterlippe und Kinn, das sie jederzeit herausnehmen konnte, um uns dann zu demonstrieren, dass sie ihre Zunge durch das Loch stecken kann. Die Vorstellung belohnte der Guide umgehend mit zwei, drei Muenzen. Im Anschluss daran folgten wir dem Guide in einer der Lehmbauten, wo er uns die Lebensraumaufteilung, die Eigenheiten und Lebensweisen in einer Lehmbaute erlaeuterte. Als Anschauungsobjekte durften erneut die Dorfbewohner herhalten, die auf die Kommandos des Guides die passende Taetigkeit vorfuehrten. Als ich einem der Dorfbewohner in einen der Hirsespeicher folgte und ausserhalb der Sichtweise des Guides war, ergriff der Mann die Moeglichkeit und bat mich um Geld. Nach der Besichtigung einer weiteren Siedlung und des abseits aller Wohnhaeuser gelegenen an diesem Tag leeren Markts kehrten wir mit der Unterbrechung eines loechrigen Reifens nach Kande und von dort nach Kara zurueck.
Zwar kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass zwischen dem durch die UNESCO herbeigefuehrten Tourismus und dem Alkoholismus der Bewohner Koutammakous ein direkter Zusammenhang besteht, doch im Hinblick auf die Berichte ueber die US-amerikanischen Indianerreservate und die australischen Aborigines, die unter vergleichbaren Bedingungen ihr Dasein fristen und in denen Alkoholismus ein weitverbreitetes Problem ist, erscheint diese Annahme durchaus plausibel. Die Menschen leben ueberwiegend separiert von der restlichen Gesellschaft in einer eigenen Gemeinschaft und Kultur, die nicht mehr sich selbst als hoechstes Gut hat, sondern in erster Linie als finanzielle Einnahmequelle unverzichtbar geworden ist, was gleichzeitig zur Folge hat, dass um der Authenzitaet Willen auf jeglichen technischen Fortschritt verzichtet werden muss. Die Bewohner sehen sich gezwungen, sich der Moderne zu verweigern um in ihr ueberleben zu koennen; die dadurch entstehende Perspektivlosigkeit hat nicht selten den Alkoholismus zur Folge.
Besonders beunruhigend finde ich auch, dass die Bewohner Koutammakous scheinbar keine Alternative zu diesem Menschenzoo ohne Gitter haben, sie scheinen auf die Zuwendungen der UNESCO und Einnahmen aus dem Tourismusgeschaeft angewiesen zu sein. Dass die UNESCO auch einen positiven Einfluss hat, indem im Land der Batammariba Brunnen und Schulen gebaut werden, steht ausser Frage, aber waere dies auch der Fall, wenn sich die Anwohner dem ihnen aufgezwungenen Korsett der Rueckstaendigkeit erwehrten? Ist denn der UNESCO nicht bewusst, dass die Bewohner gezwungen werden ihre persoenlichen Lebensweisen und Intimitaeten preiszugeben? Das ist fuer mich des Begriffs der Prostitution wuerdig.
Generell ist die Praesentation von Kultur in so lebendiger Form eine gute, unterstuetzendswerte Idee, allerdings sollte es nicht zu Lasten derer gehen, die sich und ihre Kultur so bereitwillig fuer Besucher und Interessierte oeffnen. Den Menschen sollte dabei die Privatssphaere nicht genommen, sondern im Gegenteil sie sollte verstaerkt geschuetzt werden.
Mir ist bewusst, dass ich durch meinen Besuch das vorherrschenden System unterstuetzt und zu dessen Zementierung beigetragen habe, doch ich bitte um Nachsicht, da ich nicht um die Umstaende der dort lebenden Menschen wusste. Ich moechte mir auch nicht anmassen zu behaupten, dass die Bewohner Koutammakous unter anderen Bedingungen ihre Kultur so nicht beibehielten, oder, dass sie nicht frei seien aus ihren Lebensweisen Profit zu schlagen. Ich moechte lediglich fuer mich feststellen, dass ich ihre derzeitige Lebenssituation als menschenunwuerdig empfinde und persoenlich auch die von der UNESCO aufgebrachten Hilfen in Form von einer Schulen und einigen Brunnen als zu gering betrachte, vor allem wenn man sich den Beitrag zum Weltkulturerbe vor Augen fuehrt.
Dienstag, 26. Januar 2010
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