Mittwoch (21.04.) -- Nach dem Fruehstueck brachen Bugs und ich auf um im Kakum Nationalpark den Canopy Walk zu beschreiten. Der Kakum Nationalpark liegt 33 km noerdlich von Cape Coast folglich fuehrte unser Weg von Ajumako ueber Mankessim nach Cape Coast.
Im Trotro nach Mankessim hatte ich das Vergnuegen neben einer sehr ungeduldigen Dame zu sitzen, die sobald das Trotro in Mankessim zu einem Halt gekommen war durch vehementes mir auf das Knie-Tippen signalisierte, dass sie aussteigen wollte, dass die Fahrgaeste in der Reihe vor uns noch nicht ausgestiegen waren und auch ich aussteigen wollte schienen dabei keine Rolle zu spielen. Doch immerhin war sie nicht dick, denn das sind immer die unangenehmsten Trotro-Mitfahrer (Oh nein, war ich jetzt politisch unkorrekt?) Egal, weiter gings!
Auf dem kurzen Fussweg zur naechsten Trotro-Station berichtete mir Bugs von seinem Sitznachbar und deren Unterhaltung und es stellte sich heraus, ich hatte mit der nervoesen Dame kein schlechtes Los gezogen. Denn Bugs Sitznachbar sang ihm das mittlerweile gut bekannte Lied, Deutschland sei rassistisch. Auf Bugs Frage, wie er zu dieser Einschaetzung komme, antwortete der gute Mann, er haette von mehreren Bekannten erfahren, dass es doch tatsaechlich so ist, dass wenn man keine Papiere besitzt, die zum Aufenthalt berechtigen, man ausgewiesen werden kann, einfach so. Schlimm, wenn man in einem funktionierenden Rechtsstaat lebt, oder? (Zu viel Ironie? Ach egal!) Leider hatte ich keine Gelegenheit mit dem Herren zu sprechen, denn sonst haette ich ihn gefragt, ob er denn glaube, dass ich ohne Papiere in Ghana sein duerfe, dass ich keine Arbeitgeber gebundene zeitlich begrenzte Aufenthaltserlaubnis habe.
Die Fahrt von Mankessim nach Cape Coast verbrachten Bugs und ich dann sicherheitshalber als Sitznachbarn - wie angenehm eine Trotro-Fahrt doch sein kann. Dafuer war die Wartezeit in Cape Coast bis das Trotro, das uns zum Nationalpark bringen sollte, voll war nicht annaehernd so angenehm. Warten an sich geht ja, aber wenn dann ein Kind in dreckigen Lumpen um Geld bettelt und ich dem Geber-Impuls nicht nachgeben kann und der Anblick mir eigentlich sehr nahe gehen sollte, wenn ich nicht schon so abgestumpft waere, dann schlaegt das ein wenig auf die Stimmung. Haette das Kind das Geld wirklich gebraucht? Sehr wahrscheinlich. Haette ich Geld geben koennen? Ohne Probleme. Aber wenn ich diesem Kind etwas gebe, warum nicht den Dutzend anderen die mich jede Woche fragen? Wie entscheide ich wer es verdient und wer nicht? Wo ziehe ich die Grenze? Ich ziehe sie ganz klar, indem ich jedem ganz gerecht gar nichts gebe.
Irgendwann war das Trotro gen Twifo-Praso voll und wir fuhren los, im Augenwinkel sah ich da noch wie das bettelnde Kind von einem anderen Kind angegangen wurde, weil es scheinbar eine Muenze geklaut hatte.
An der Auffahrt zum Nationalpark liess uns der Mate aussteigen, das Geschehen von der Station war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder erfolgreich verdraengt und die Vorfreude auf das Bevorstehende dominierte.
Da die naechste Begehung des Canopy Walks erst zur vollen Stunde beginnen sollte, nahmen Bugs und ich die Gelegenheit wahr und betrachteten die permanente Ausstellung ueber den Tropenwald. Um 13 Uhr war es dann so weit und unsere Gruppe trat unter Fuehrung des Parkangestellten Ben den Weg zum Canopy Walk an. Auf dem Weg dorthin stoppte Ben an verschiedenen Baeumen um auf deren Eigenschaften und Nutzen hinzuweisen. Besonders einpraegsam war ein Baum der frueher als Kommunikationsmittel genutzt wurde, falls eine Gruppe von Holzsammlern oder Jaegern sich verloren hatte. Weil das Rufen nach den anderen zu gefaehrlich gewesen waere, wurde stets diese besondere Baumart mit den grossen stuetzenden Wurzeln gesucht an die dann mit grosser Lautstaerke geklopft wurde. Der geneigte Leser mag sich nun fragen, aber warum war das Rufen denn so gefaehrlich, nun Ben erklaerte es uns und es ist in der Tat sehr einleuchtend: Die Zwerge haetten es gehoert und die betreffende Person weggezaubert. Da ist es um vieles sicherer an die Wurzeln zu klopfen um seine Position zu signalisieren, weil die Zwerge das bestimmt nicht gehoert haben. Wie dem auch sei, Ben erklaerte das sei frueher so gewesen und heute nicht mehr der Fall. Kurz nach dieser fuer mich sehr erheiternden Episode kamen wir endlich bei der Startplattform des Canopy Walks an.
Der Canopy Walk ist ein von zwei Kanadiern gebauter 330 m langer Weg, den sie (so erklaerte es Mira, die schon drei Mal da gewesen war) zur besseren Beobachtung von Schmetterlingen errichtet haben. Die Besonderheit des Weges, er befindet sich in ca. 40 m Hoehe auf sieben Haengebruecken zwischen den Baumwipfeln.
Grossen Respekt zolle ich nach wie vor Bugs, der sich trotz Hoehenangst mit mir auf die wackeligen Bretter ueber dem tropischen Blaetterdach wagte. In Erinnerung an den ein oder anderen Ski- und Mountainbike-Urlaub mit meinem Bruder musste ich auf einer der Baumplattformen einfach die einmalige Gelegenheit nutzen und ein Bild machen, mit Ausblick, wenn du weisst was ich mein Timo ;) Fuer mich war es also vor allem ein riesen Spass, waehrend es fuer Bugs doch ein wenig nervenaufreibend war. Aber er schlug sich dennoch beachtlich, anders als die drei Daenen unserer Gruppe, die doch eine ganze Weile brauchten um die bis zu 60 m langen Bruecken zu ueberqueren.
Donnerstags verkleinerte sich unsere Wohngemeinschaft um eine weitere Person, denn Enrico machte sich auf nach Elmina, um dort mit seinen Eltern zusammenzutreffen, die nach Wiedereroeffnung des europaeischen Luftraums tags zuvor doch noch nach Ghana fliegen konnten. So blieben dann nur noch Bugs und ich in Ajumako zurueck.
Doch das Hochleistungs-Entspannen fuer uns beide beschraenkte sich auf Freitag und Samstag.
Sonntags naemlich hiess es Sachen packen, ab nach Obuasi, ab zu den Goldminen. Sonntage sind generell, pauschalisiert, ganz frech verallgemeinert nicht die besten Tage um in Ghana irgendwohin zu reisen, denn Ghanaer reisen eher unter der Woche, die Trotros fahren aber unveraendert immer erst los, wenn sie voll besetzt sind, so dass es an Sonntagen noch einmal deutlich laenger dauert als unter der Woche bis das Trotro voll und fahrtbereit ist. So kamen Bugs und ich also nach Mankessim und stellten zu unserer Freude fest, dass es ein Trotro direkt nach Obuasi gibt. Leider sassen aber erst drei Fahrgaeste darin, d.h. es waren noch 15 Plaetze frei.Waehrnd ich im Trotro sass, liess ich meinen Blick ein wenig schweifen.
Die Trotro-Station trocken, staubig, bis auf die schmalen Schattenstreifen der Fahrzeuge bietet sich keine Fluchtmoeglichkeit vor der unerbittlich brennenden Sonne, lediglich die leichte Brise verschafft den Verkaeufern, die ihre Waren auf dem Kopf tragend lautstark anpreisen, ein wenig Linderung. Die Sekunden verstreichen, die Minuten werden zu Stunden und die Schatten werden laenger und laenger, nur das sich mir bietende Bild bleibt unveraendert, gefangen zwischen staubiger Langeweile und trockener Zynik.
Irgendwann war das Trotro dann doch voll und nachdem auch die letzte Frau ihre Naturheilmedizin mehr oder weniger erfolgreich verkauft hatte (in solchen Situation sind unsere deutschen Simultanverkaufsgespraeche stets voller Inronie) setzte sich das Trotro endlich in Bewegung. Nach drei Stunden oder 63 Liedern auf meinem Ipod hiess uns ein Schild willkommen in Obuasi "The Golden City". Ein Hotel und Abendessen waren schnell gefunden und wir liessen den Tag ruhig ausklingen.
Frueh am Morgen machten wir uns auf zum Buero der Minengesellschaft (Anglo Gold Asante, deren Aktien an der Londoner und New Yorker Boerse gehandelt werden) um eine Besichtigung der Minen vorzunehmen. Nach kurzer Verwirrung fanden wir letztlich doch von der Rezeption zum Haupttor und dem Touristenbuero, wo wir eingekleidet wurden und einen Blick in den kaerglich eingerichteten Ausstellungsraum (nur Fotos von Cricket- und Tennismannschaft anno 1938, natuerlich nur Weisse durften nicht fehlen, Rassismus kotzt mich an) warfen. Kaum war das Fahrzeug und unser Minenfuehrer organisiert, fuhren wir zum aeltesten Schacht der seit 1887 operierenden Mine. Der Sansu-Schacht wird jetzt vor allem als Unterrichtsschacht genutzt. Der fuer Touristen zugaengliche Schacht fuehrte uns in eine Tiefe von 800 Feet und ist mit fuenf Theorie-Unterrichtsraeumen und genuegend Felswaenden fuer die Praxis-Uebungen ausgestattet. Wir bekamen einen Einblick in die Arbeitsumgebung in der unser sympathischer Minenfuehrer Ramon und die anderen Kumpeln in acht Stundenschichten rundum die Uhr arbeiten, jedoch nicht nur in einer Tiefe von laecherlichen 800 Feet, sondern bis zu 5200 Feet tief unter der Erdoberflaeche. Am Fusse einer Arbeitsplattform bat uns Ramon unsere Kopfleuchten auszuschalten und ploetzlich war es finster, schwarz - die Worte beschreiben es nicht einmal annaehernd, es war als waer ich umgeben von nichts, es machte keinen Unterschied, ob ich die Augen geschlossen oder offen hatte, denn diese Duesternis war undurchdringlich. Gluecklicherweise durften wir die Lampen dann wieder anmachen und betrachteten noch einmal ausfuehrlich die Arbeitsplattform, wobei ich in stiller Bewunderung daran dachte, dass die Minenarbeiter dort auf beschraenktem Raum mit aeusserst schweren Bohrern hantieren muessen. Kurz vor Beendigung unserer Besichtigung zeigte Ramon uns noch zwei Steine, einen Sulfitstein und einen Quarzstein, in denen die Goldanteile mit blossem Auge klar zu erkennen waren. Der Wert des Quarzsteins war laut der Geologen geschaetzte 1000 Euro, nur leider zu gross und klobig fuer meine Hosentasche. Auf dem Fussweg hinauf nach gut zwei Stunden untertage, spuerte ich den starken Wind an meinem blauen Kittel den Schacht hinunter wehen noch bevor an Tageslicht ueberhaupt zu denken war. Mit jeder weiteren Biegung des Schachts nahm die Windstaerke zu und hinter einer langen Linkskurve waren die ersten natuerlichen Lichtstrahlen zu erkennen. Die letzte Biegung und die verbleibenden Schritte gerade aus hinter sich gebracht, traten wir zurueck ins gleissende Tageslicht. Die abschliessende Routinekontrolle, ob wir auch nicht einen Stein eingesteckt hatten, dauerte auch nur einen Moment und schon waren wir auf dem Weg zurueck ins Touristenbuero um Helm, Gurt, Lampe, Kittel, Stiefel und Sauerstoffnotfall-Paket zurueckzugeben und von dort zur die Trotrostation aufzusuchen. Einmal mehr war ich Bugs sehr dankbar, dass er wie auch schon beim Canopy Walk seine Angst fuer unser Abenteuer verdraengt hatte, denn eigentlich ist "Untertage-Gehen", genauso wie in schwindelerregenden Hoehen wandeln, ueberhaupt nicht seine Sache.
Die Wartezeit war um einiges geringer als am Tag zuvor und wir nutzten sie um vor Fahrtbeginn noch eine Kleinigkeit zum Essen zu kaufen. Um zwoelf Uhr startete dann auch das Trotro und angesichts der Motorengeraeusche aeusserte Bugs seine Bedenken, ob wir damit tatsaechlich nach Mankessim kommen wuerden. Beim Verlassen Obuasis stimmten Bugs und ich darin ueberein, dass Obuasi einen gewissen Charme ausstrahlt, was bisher mit Abstrichen sonst nur bei Tamale der Fall war. Mit der ca. 80 000 Einwohnern angenehmen Groesse und seiner Lage in Mitten der saftiggruenen Berger der Ashanti Region, war Obuasi auf jeden Fall die Reise wert gewesen. 27 Minuten nach Aufbruch bewahrheitete sich Bugs Befuerchtung; eine Steigung stellte sich fuer unser Fahrzeug als unbezwingbares Hindernis heraus, aber Fortuna war uns hold, direkt hinter uns war ein leeres Trotro, so dass einfach alle ihre Sachen nahmen und von einem ins andere Trotro packten. Ob das Trotro uns als Ersatz gefolgt war oder es schieres Glueck war, dass wir gerade an dieser Stelle liegen blieben, weiss ich nicht, aber es stimmte mich auf jeden Fall sehr froehlich. Wie viele Lieder ich auf der Rueckfahrt hoerte, weiss ich leider nicht, denn eine knappe Halbestunde vor Ankunft in Mankessim war der Akku leer, aber es muessten so um die 70 gewesen sein.
Nur eine Frage liess mich auf dem Rueckweg nicht los, naemlich, wie es sich wohl auf die Foerderleistung der Mine auswirken wuerde, wenn Ghanaer wuessten, dass bei J.R.R. Tolkien, sowie den meisten anderen Fantasy-Autoren die Zwerge das groesste Bergbauvolk sind. Nicht auszumalen was fuer Konsequenzen solches Wissen fuer die Aktienkurse haette.
So weit fuer diese Woche, schau'n mer mal was die Tage so bringen.
Samstag, 1. Mai 2010
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Oh nein, ich musste so laut lachen. Immer diese Zwerge, aber ist natürlich logisch - Wer will schon so mir nichts dir nichts einfach wegteleportiert werden?!
AntwortenLöschenEine Frage stell ich mir nach diesem Blog Eintrag aber noch: Wovor hat Bugs eigentlich KEINE Angst? ;)
Lg